9.43

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herbert Kickl hat es gerade einmal mehr bewiesen, auch Herr Hafenecker: Es geht der FPÖ nicht um die Meinungsfreiheit, sondern darum, dass alle Medien die freiheitliche Meinung verbreiten sollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genau dafür will die Freiheitliche Partei auch den ORF missbrauchen. Ihr deklariertes Vorbild Orbán hat gezeigt, wie es geht: Er hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Ungarn zum Staatsfunk umgebaut. Kritische Stimmen werden stumm geschaltet, wer in Orbánistan ein falsches Wort sagt, ist ganz schnell von der Bildfläche verschwunden und ist den Job los; „zack zack zack“, wie es Ihr alter Parteifreund in Ibiza ausgedrückt hat. – Das ist Ihre Vision, Herr Kickl!

Dass die FPÖ bereits jetzt in Richtung Orbánistan drängt, sehen wir fast jeden Tag aufs Neue. Die Freiheitliche Partei macht regelmäßig unabhängige Journalistinnen und Journalisten verächtlich – gerade wieder hier gesehen –, sie unterstellt dem ORF Indoktrination und möchte ihm selber ehrliche Information verordnen.

Der Punkt ist aber, Herr Kickl: Keine Partei hat dem ORF oder irgendeinem anderen Medium vorzuschreiben, was ehrliche Information ist und was nicht. Journalismus muss unabhängig recherchieren, Fakten prüfen und auch unangenehme Fragen stellen – Herr Kucher hat hier das Gegenbeispiel des FPÖ-TV zitiert – und nicht ungefiltert fragwürdige Mythen über Pferdeentwurmungsmittel oder Putins Kriegspropaganda verbreiten, so wie Sie das auf Ihrem Kanal tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unabhängige Berichterstattung ist eine zentrale Säule unserer Demokratie, und es ist unsere demokratische Pflicht, die Unabhängigkeit der freien Medien zu schützen und zu stärken. Genau darauf zielt die ORF-Reform ab.

Fangen wir bei der Finanzierung an: Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die alte GIS-Gebühr repariert werden muss. Es wurde bereits gesagt: Das haben wir mit dem ORF-Beitrag umgesetzt. Diese Lösung wurde aus mehreren Gründen gewählt: Erstens zahlt jetzt jeder einzelne Haushalt weniger als mit der alten GIS-Gebühr. Wer befreit war, bleibt das auch weiterhin, jene mit kleinen Einkommen können sich befreien lassen und müssen das nicht zahlen. Zweitens kann der ORF damit seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag unabhängig erfüllen.

Was macht die FPÖ? – Sie nennt den ORF-Beitrag eine Zwangssteuer und möchte den ORF selbst mit Steuergeld aus dem Budget finanzieren. Würde das die Finanzierung billiger machen? – Nein, natürlich nicht. Hätte es irgendeinen Vorteil für die Menschen? – Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil: Die Gebührenbefreiung für niedrige Einkommen wäre dann zum Beispiel nicht gegeben. Das wäre natürlich sozial weniger gerecht, aber um den sogenannten kleinen Mann, wie die Freiheitliche Partei das so gerne ausdrückt (Abg. Belakowitsch: Sie haben auch überhaupt keine Ahnung, ... reden, oder?), oder die kleine Frau – das sagt sie weniger oft – geht es der FPÖ ja bekanntlich nicht.

Warum also wäre der FPÖ eine Budgetfinanzierung lieber? – Weil sich die FPÖ jetzt schon in der nächsten Regierung sieht und die österreichischen Medien von ihrem Gutdünken abhängig machen will – wir sehen es in Ungarn –; weil sie direkten politischen Druck ausüben möchte (Abg. Hafenecker: ... ungarischen ... Qualitätsjournalismus ...!), da sie mit dem Budget ganz einfach die Mittel kürzen kann. Das ist ihr Ziel, und genau das hat die FPÖ vor, wenn sie den ORF zu einem „Grundfunk“ zusammenstutzen will, wie sie das selber nennt.

Dafür müsste sie den öffentlich-rechtlichen Auftrag im Gesetz bis zur Unkenntlichkeit umkrempeln. Was bedeutet das eigentlich? – Viele Inhalte würden komplett aus der österreichischen Medienlandschaft verschwinden, weil sie sich nicht kommerziell verwerten lassen. (Abg. Hafenecker: ... Beispiel?) Das wäre das Aus für ein vielfältiges Kulturprogramm, für Bildungsinhalte (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), für Sendungen in den Volksgruppensprachen oder barrierefreie Information. Und dass die FPÖ bei kritischer Satire schon gar keinen Spaß versteht, das musste Peter Klien bei ihrem Oktoberfest am eigenen Leib spüren. (Abg. Amesbauer: Mah!) So weit ist es schon gekommen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit wären wir auch schon beim Personal. Auch da würde die FPÖ sich gerne aussuchen, wer ihr genehm ist und wer nicht. Die Chats, in denen die FPÖ direkt Einfluss auf die Berichterstattung des ORF nehmen wollte, sind bekannt (Abg. Hafenecker: ... sind auch bekannt ...!) – wohlgemerkt: wollte, denn die Redaktion hat sich erfolgreich gegen diese Vereinnahmung gewehrt.

An dieser Unabhängigkeit aber rüttelt die FPÖ weiter, wenn sie darüber entscheiden will, wie objektive Informationen auszusehen haben. Wenn eine Partei den freien Medien vorschreibt, was ehrliche Information ist, dann ist es vorbei mit jeder Objektivität. – Das heißt dann Propaganda, Herr Kickl, und ist genau das, was Sie jetzt schon über Ihr FPÖ-TV verbreiten. Das ist übrigens zwangsfinanziert, aus der Parteienförderung, und damit wohlgemerkt mit Steuergeld. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Medienlandschaft, von der die FPÖ träumt, ist in Ungarn bereits bittere Realität. Orbán hat die Meinungsfreiheit, wie wir sie kennen, de facto abgeschafft. Österreich darf nicht Orbánistan werden, dafür müssen wir unsere liberale Demokratie und die Meinungsfreiheit aktiv bewahren, denn sonst gibt es sie bald nicht mehr!

Die FPÖ würde den freien Medien gerne streng auf die Finger schauen. Wir wollen, dass die freien Medien weiterhin der Politik und damit uns allen hier herinnen streng auf die Finger schauen, und deshalb müssen wir ihre Unabhängigkeit schützen und die Vielfalt der Medien weiter stärken! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.49

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.