11.29

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon absurd, dass ausgerechnet die FPÖ, die eine Festung Österreich gegen Geflüchtete fordert, das Land gleichzeitig schutz- und wehrlos Putins Raketen und Killerdrohnen und seinen politischen Erpressungen ausliefern würde. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

Ich muss sagen, wenn es nicht so erschreckend wäre, wäre das ein weiterer Treppenwitz dieser Partei, wie ich solche hier in den Aktuellen Europastunden schon öfter erlebt habe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sicherheit geht weit über polizeiliche oder militärische Maßnahmen hinaus, das haben wir heute schon gehört. Sie reicht vom Klimaschutz über soziale Sicherheit bis zur Einhaltung der Menschenrechte. (Abg. Martin Graf: Ist das die Bioköchin?)

Der aktuelle globale Risikoreport 2024 des World Economic Forum sieht Fehl- und Desinformation, extreme Wetterereignisse und eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft als die größten kurzfristigen Sicherheitsrisken der Welt, bei den längerfristigen steht sogar der Klimawandel ganz oben auf der Risikoeinschätzung.

Es ist unbestritten, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nationale Sicherheit ist nicht möglich ohne europäisches und globales Sicherheitsdenken und ‑handeln. Sicherheit für Österreich ist nur im europäischen Miteinander möglich. Das umfasst eine europäische Klimaschutzpolitik genauso wie eine solidarische Asyl- und Migrationspolitik sowie Außen-, Wirtschafts- und Handelspolitik. Gleichstellungspolitik ist heute schon genannt worden.

Innerhalb der Europäischen Union bedeutet dieser europäische Schutz ein kompromissloses Nein zu allen Versuchen à la Orbán, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Meinungsfreiheit einzuschränken. Deshalb setzen wir uns im Europäischen Parlament und auch anlässlich des morgigen außerordentlichen Europäischen Rates uneingeschränkt dafür ein, dass der Rechtsstaatsmechanismus der Europäischen Union konsequent umgesetzt wird und keine weiteren EU-Förderungen an Viktor Orbán ausgezahlt werden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

Das gemeinsame Europa ist als Friedensunion gegründet worden und bildet das Gegenmodell zu Diktatur, zu Krieg, zu Tyrannei. Unter der Europafahne sind wir geschützt!, hört man LGBTIQ-plus-Personen bei Prides in Polen und Ungarn oft sagen. Gerade auch die Umsetzung von Grundrechten und Gleichstellung, der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen (Abg. Belakowitsch: Als Grüne täte ich das Wort ... nicht in den Mund nehmen!) und die Bildung einer Sozialunion sind wesentlich für das Sicherheitsniveau der Bürger und Bürgerinnen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

Was die neue Bedrohungslage von außen unter anderem seit dem völkerrechtswidrigen Überfall Putins auf die Ukraine betrifft, braucht es mehr denn je eine gemeinsame, eine geeinte europäische Antwort. Putin zielt auf die Zerstörung unserer liberalen Demokratie und ihrer Grundwerte ab, und je mehr die Europäische Union zusammensteht, desto effizienter kann sie die Ukraine unterstützen, desto geeinter kann sie eine starke Gegenwehr gegen Aggressoren und Autokraten innerhalb und außerhalb der Europäischen Union bilden.

Wir Grüne haben als proeuropäische Partei immer gesagt, wir wollen eine gemeinsame Außenpolitik, dafür auch ein Fallen der Einstimmigkeit im Rat und darauf aufbauend eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, und zwar genau in dieser Reihenfolge, und das ist wichtig: Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Verteidigungspolitik. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Dabei müssen die Leitlinien dieser europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik die Menschenrechte sein, das Konzept der menschlichen Sicherheit, eine Schwerpunktsetzung auf zivile Friedensarbeit und Konfliktvermeidung. (Abg. Kickl: Sag mir, wo die Panzer sind, wo sind sie geblieben?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verwehre mich an dieser Stelle auch ausdrücklich gegen die Sicht, militärische Neutralität als Manko im EU-Kontext zu bewerten. Im Gegenteil: Die Neutralen innerhalb der EU ergänzen und vervollständigen die EU-Sicherheitspolitik. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Neutralität ist Vermittlung, Neutralität ist Dialog, Neutralität ist zivile Krisenhilfe, Neutralität ist humanitäres Engagement; und Neutralität und Solidarität sind ganz gewiss kein Widerspruch.

Unsere militärische Neutralität verhindert keinerlei Beteiligung an UN- oder EU-Einsätzen. Österreich nimmt vollumfassend an der gemeinsamen EU-Sicherheitspolitik teil, trägt EU-Sanktionen mit, übt aber völlig zu Recht konstruktive Enthaltung bei der Finanzierung von Waffenlieferungen. Die Rolle neutraler Staaten wurde auch im strategischen Kompass, dem Aktionsplan der EU bis 2030, abgesichert, und uns Grünen war es wichtig, dies auch im Regierungsprogramm zu verankern.

Ich bin überzeugt: Österreich kann als neutraler Staat einen wichtigen Beitrag im Aufbau und in der Entwicklung einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik leisten. Aktive Neutralitätspolitik ist Friedenspolitik. Sie schützt unsere Freiheit. Sie schützt unsere Demokratie in Österreich und in Europa. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Loacker: Das war jetzt sogar den Grünen ein bisschen peinlich, oder?)

11.34

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff zu Wort. – Bitte.