16.56

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! In der Vorbereitung zur heutigen Rede hat mein Team eine APA-Meldung ausgegraben, aus der ich einen kurzen Ausschnitt zitieren möchte: „Der grüne Abg. Mag. Walter Geyer kritisierte als erster Redner, daß Österreich [...] in der Praxis auch eines der am strengsten gehandhabten Amtsgeheimnisse habe. Die österrei­chische Regelung sei von der internationalen Entwicklung [...] längst überholt worden.“ Diese Meldung wurde am 15. Mai 1987 veröffentlicht. (Ruf bei den Grünen: Yeah!) Es ist eine Zeit lang her, ich war damals zwei Jahre alt. (Heiter­keit bei den Grünen.) In Österreich hat seinerzeit Franz Vranitzky regiert – damals noch in einer wirklich großen Koalition –, und die Grünen waren über­haupt erst seit einem halben Jahr im Parlament. In der Zwischenzeit hat sich die Welt stark geändert. Mittlerweile sind die Grünen in der Regierung und es ist ein Paradigmenwechsel eingetreten. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir hier heute beschließen: Das verstaubte Amtsgeheimnis ist Ge­schichte und an seine Stelle tritt ein neues Grundrecht, das Recht aller Bürgerinnen und Bürger auf Information. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt ist Schluss mit der Geheimniskrämerei. Wo Bürgerinnen und Bürger bisher Bittsteller:innen waren, können sie sich in Zukunft darauf verlassen, dass das Gesetz auf ihrer Seite steht. Was ein Grundrecht auf Information alles kann, wissen wir aus anderen Ländern, die ein solches Grundrecht schon lange haben, wie zum Beispiel die USA. Dank des Freedom of Information Acts war es dort beispielsweise möglich – natürlich auch wegen der mutigen Arbeit von Whistleblowern und Journalist:innen –, einen der größten Skandale aller Zeiten aufzudecken, die Iran-Contra-Affäre. Ihr erinnert euch vielleicht, dass die Reaganregierung Einnahmen aus illegalen Waffenverkäufen an die rechte Guerilla in Nicaragua vercheckt hat. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Bisher war es für Journalist:innen in Österreich extrem schwer, umfassende Re­cherchen dieser Art umzusetzen. Das ändern wir jetzt. Ich möchte dazu auch zwei amerikanische Wissenschafter:innen zitieren, die sagen: Die Erkennt­nisse legen nahe, dass die Stärkung der Informationsfreiheitsgesetze zwei Auswirkungen hat, einerseits die Verringerung der Korruption und andererseits die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass korrupte Handlungen aufge­deckt werden.

Wir debattieren an dieser Stelle das Informationsfreiheitsgesetz schon sehr, sehr lange. Vor elf Jahren hat sich die NGO Forum Informationsfreiheit gegrün­det. Ich war damals auch immer wieder dabei. Wir alle fragen uns: Wer hat diesen Begriff erfunden? (Heiterkeit der Rednerin.) Na ja, man versteht nicht sofort, was Informationsfreiheit heißt und was man damit anfangen kann, aber dieses Gesetz ist hoch relevant für alle Bürgerinnen und Bürger.

Lassen Sie mich vielleicht ein paar Beispiele nennen, was man konkret damit an­fangen kann: Sie wohnen beispielsweise in einem Dorf, wo Sie mitbekom­men, dass eine grüne Wiese in Ihrer Gemeinde für einen riesigen Parkplatz zube­toniert wird, für einen Supermarkt – so einen Schuhschachtelsupermarkt, wie Werner das immer sagt – mit Parkplatz. Um die Begründung für die Umwid­mung zu untermauern, hat die Gemeinde angeblich ein Gutachten beauf­tragt und vorgelegt. Und weil Ihnen das komisch vorkommt, rufen Sie an – und sind bisher überall nur papierlt worden. Sie haben herumtelefoniert und gegoogelt, und am Ende hat man immer gesagt: Sorry, Amtsgeheimnis, das kön­nen wir nicht hergeben.

Künftig ist es so: Sie können in jeder Gemeinde des Landes anrufen – und zwar völlig wurscht, wie groß oder wie klein die ist – und die Informa­tion zu diesem ominösen Gutachten anfordern. Die Behörde hat die Pflicht, sie herauszugeben. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiteres Beispiel: Ein öffentliches Unternehmen wirbt damit, besonders klimaschonend zu arbeiten und dass in diesem Unternehmen Frauen gefördert werden. Wenn Sie wissen möchten, ob das stimmt oder nicht, können Sie in Zukunft beim Unternehmen anfragen. Dieses ist verpflichtet, Ihnen Auskunft zu geben.

Sie sehen also: Das Grundrecht auf Information ist ein essenzieller Bau­stein für eine moderne und transparente Verwaltung. Es ist ein essenzieller Baustein dafür, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die Politik und in die Verwaltung aufbauen und stärken kann. Das Grundrecht auf Information, Transparenz und Offenheit ist essenziell für eine starke Demokratie und umso wichtiger in einer Zeit, in der in ganz Europa rechte und rechtsextreme Politiker:innen ohne Scheu und Scham die Grundfesten der Demokratie angreifen und zu untergraben versuchen.

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist sehr lange diskutiert und besprochen worden. Viele haben sich gewehrt und dem Projekt Steine in den Weg ge­legt; es ist auch das eine oder andere Hackl ins Kreuz geflogen. An jeder Ecke in der Republik fand sich jemand, der einen Grund fand, warum das Abschaf­fen des Amtsgeheimnisses eine schlechte Idee ist, dass das so viel Bürokratieauf­wand auslöst und so weiter. Die Zahl der Gegenargumente und auch die Energien derjenigen, die versucht haben, dieses Gesetz zu verhindern, waren immer sehr groß. Es ist aber der Hartnäckigkeit und dem Durchhaltever­mögen von vielen Aktivist:innen, Journalistinnen und Journalisten und auch Poli­tiker:innen zu verdanken, dass dieses Gesetz zur Abschaffung des Amtsge­heimnisses und zur Einführung des neuen Grundrechts auf Information heute den österreichischen Nationalrat passiert. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Diesner-Wais und Steinacker.)

In einer modernen Demokratie sind Bürger:innen keine Bittsteller:innen, in einer modernen Demokratie gibt es kein generisches „Das geht dich nichts an!“, keine Geheimniskrämerei. In einer modernen Demokratie gibt es eine offene und transparente Verwaltung und Politik. Seit der Verschärfung des Parteienge­setzes haben politische Parteien gläserne Kassen; Ministerien und öffentliche Ämter müssen bei der Inseratenvergabe ab dem ersten Euro genau aus­weisen, was die Aufträge sind, und nachvollziehbar machen, warum sie diese ver­geben haben; wir haben auch das Korruptionsstrafrecht verschärft. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz haben wir die lange Liste, die wir im Regie­rungsprogramm aufgezählt haben, zu grüner Politik, zu sauberer Politik abgearbeitet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Krisper: Na ja!)

Sie merken es vielleicht: Ich freue mich einfach wahnsinnig, mir geht heute ein bisschen das Herz über. (Zwischenruf der Abg. Disoski.) Trotz aller Wider­worte – ich möchte mich bei allen bedanken, die mit uns gemeinsam dafür ge­kämpft haben, die am Gesetzestext gearbeitet haben, die kritische Dinge eingebracht haben. – Ja, Niki Scherak, auch dir danke, auch wenn du heute nicht mitstimmst; es ist trotzdem ein riesiger Meilenstein und ich freue mich ein­fach wahnsinnig.

Ich möchte mich bei den Mitarbeiter:innen bedanken, bei dir, Karoline Edt­stadler, bei dir, lieber Vizekanzler, bei Alma Zadić als Justizministerin, bei Agnes Prammer, unserer Justizsprecherin, die hier sehr viel investiert hat, beim Verfassungsdienst und bei all den Mitarbeiter:innen in den Kabinetten, bei uns im Klub, bei Georg Garstenauer und Herbie Weißensteiner, die einen riesigen Beitrag geleistet haben; auch bei der SPÖ, die viel Vorarbeit geleistet hat für vergangene Gesetze, die leider nichts geworden sind.

Ich freue mich sehr, dass es uns heute gelingt, das zu beschließen, es ist ein riesiger Meilenstein. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.04

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Klubvorsitzende Beate Meinl-Reisin­ger zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.