20.00

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, heute stehen 13 Berichte des Rechnungshofes auf der Tagesordnung und im ersten Block dieser Debatte auch einige wichtige und zentrale Berichte wie jene über die Nachhaltigkeit des Pensionssystems, die Reform der Sozialversicherungsträger, die Covid-19-Impfstoffbeschaffung oder die bevölkerungsweiten Covid-Tests.

Das sind Berichte, die wir bereits in der Vorwoche gemeinsam mit Herrn Bundesminister Rauch intensiv diskutiert haben und die eben auch heute hier auf reges Interesse stoßen. Ich bedanke mich dafür, dass Sie sich mit den Berichten auseinandersetzen.

Unsere Berichte und die Analysen des Rechnungshofes sollen ja eine Grundlage für Ihre politische Arbeit bilden. Für den Rechnungshof ist es wichtig, dass wir Themen zeitgerecht und auch offen ansprechen, und zwar auch dann, wenn sie politisch heikel sind.

Ich möchte jetzt auf den Bericht zum Pensionssystem eingehen. Dieser Bericht ist sehr umfassend und er ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil eben das Pensionssystem Kern unseres Sozialsystems ist. Gerade deshalb ist es auch wichtig, dass es funktionsfähig bleibt. Im Pensionsrecht spielt Vertrauen eine wichtige Rolle. Es ist wichtig, dass Ältere und auch Jüngere dem System gleichermaßen vertrauen können.

Die Dimension ist eine sehr, sehr große. 2021 erhielten 2,77 Millionen Menschen eine Pension und die Gesamtaufwendungen für die Pensionen betrugen 2021 rund 61,7 Milliarden Euro beziehungsweise 15,3 Prozent des BIP, davon 48,5 Milliarden Euro im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung und 13,2 Milliarden Euro für die Beamtenpensionen.

Allein aus dem Bundesbudget wurden im Jahr 2021 rund 10,8 Milliarden Euro für die gesetzliche Pensionsversicherung als Bundesbeitrag ausbezahlt. Dazu kommen die Ausgaben für die Beamtenpensionen.

Im heurigen Budget, im Budget für das Jahr 2024, sind für den Bundesbeitrag bereits 15,3 Milliarden Euro vorgesehen und das Saldo der Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Beamten liegt bei 10,4 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil für Pensionsauszahlungen aus dem Bundesbudget – ohne Pflegegeld – von 24,5 Prozent.

Die Herausforderungen, mit denen das Pensionssystem konfrontiert ist, sind die sinkende Geburtenrate, die steigende Lebenserwartung, das geringere Wirtschaftswachstum und die Veränderungen am Arbeitsmarkt. All diese Punkte sind wichtig und belegen auch, dass der Mechanismus für die Erhaltung der Nachhaltigkeit ausreichend funktionieren muss, damit wir das System langfristig in Balance halten können.

Für diese Aufgabe gibt es die Alterssicherungskommission, die aber, was die Rahmenbedingungen betroffen hat, nur unzureichend handlungsfähig war. Auch die Befassung des Nationalrates war wegen der mangelnden Berichterstattung nicht gesichert.

Der Rechnungshof hat sich zwei wichtige Faktoren angeschaut: Pensionsantrittsalter und Pensionshöhen. Das Pensionsantrittsalter ist von 2004 bis 2021 deutlich gestiegen – im Schnitt um 2,8 Jahre –, aber dennoch liegen wir noch nicht auf dem Niveau von 1970, was sich bis heute noch auswirkt. Die Lebenserwartung ist aber deutlich angestiegen. Wir haben eine Lebenserwartung von 81,3 Jahren im Jahr 2021. Die Phase, in der Menschen von der Pension leben, ist auch bei steigendem Pensionsantrittsalter heute deutlich länger als früher.

Die Prognosen zeigen, dass es in den nächsten Jahren bis 2033 zunächst noch den Effekt des steigenden Pensionsantrittsalters für Frauen gibt. Danach ist aber kein weiterer Anstieg des Pensionsantrittsalters zu erwarten. Der Rechnungshof kritisiert, dass es keine aktuelle Strategie zum künftigen Umgang mit dem Pensionsantrittsalter gibt, denn der Zielpfad, der bis 2018 gegolten hat, wurde nicht aktualisiert. Da geht es um das effektive Pensionsantrittsalter und gegebenenfalls auch um das gesetzliche Pensionsantrittsalter als Handlungsoption.

Notwendig ist aus Sicht des Rechnungshofes natürlich auch eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Gruppen, da die Wirksamkeit von Maßnahmen erheblich von den unterschiedlichen Pensionsarten abhängt. Eine unterschiedliche Vorgehensweise nach Berufsgruppen und Gesundheitszustand erscheint jedenfalls zweckmäßig.

Tatsächlich ist es aber so, dass die Pensionshöhen zwischen 2004 und 2021 bei der Höhe der Neupensionen angestiegen sind. Das liegt an den längeren Erwerbskarrieren und am gestiegenen Pensionsantrittsalter. Das heißt, in Relation zu den Aktiveinkommen sind die Pensionshöhen relativ stabil, relativ gleich geblieben und sollen nach Prognosen auch in Zukunft gleich bleiben. Das ist eigentlich eine sehr positive Prognose.

Zentrale Kerngröße zum Pensionsaufwand ist die Entwicklung des Gesamtaufwands als Anteil am BIP. Wenn man beides – die gesetzliche Pensionsversicherung und die Beamtenpensionen – betrachtet, dann sieht man, dass der Anteil der Pensionsausgaben am BIP bis 2070 eigentlich nur um rund 0,3 Prozentpunkte steigt. Das ist angesichts der demografischen Entwicklung keine so große Veränderung. Eine große Rolle spielt aber auch die BIP-Entwicklung selbst für die Finanzierbarkeit des Pensionssystems, und es geht immer auch um den Staatshaushalt.

Beim Staatshaushalt gibt es Prognosen, dass der Bundesbeitrag zu den Pensionen bis 2070 um 0,9 Prozentpunkte des BIP steigen soll; ganz besonders stark bis 2030, da steigt er um 1,1 Prozentpunkte. In Zahlen ausgedrückt geht es um eine Steigerung der Finanzierungslücke um 8,2 Milliarden Euro. Das sehen wir als Risiko für den Staatshaushalt. Dafür brauchen wir Maßnahmen zur Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung und eine verantwortungsvolle Pensionspolitik.

Grundsätzlich ist es aber auch so, dass es nie Ziel des Gesetzgebers war, dass es ein von öffentlichen Mitteln unabhängiges Pensionssystem gibt. Natürlich ist bei einem steigenden Anteil an älteren Personen auch ein steigender Ressourcenverbrauch zu erwarten, aber wir müssen eine übermäßige Belastung des Bundeshaushalts vermeiden. Deshalb brauchen wir einen funktionierenden Prozess, um die Entwicklungen zu identifizieren.

Wir brauchen eine handlungsfähige Alterssicherungskommission. Da geht es um schlüssige Analysen entlang von klaren Nachhaltigkeitskriterien und um transparente Informationen. Die Alterssicherungskommission selbst hat gesagt, dass der Referenzpfad 2004 für die Arbeit der Alterssicherungskommission nicht mehr aktuell ist.

Wir brauchen eine vorausschauende Reaktion von der Bundesregierung und vom Gesetzgeber, das heißt also klare Strategien für die gesetzlichen Änderungen zum Pensionssystem, und Disziplin bei den Pensionsanpassungen, das heißt vorausschauend Handeln. Nachhaltigkeit heißt für den Rechnungshof Handeln, bevor Probleme akut werden.

Ein großes Thema in den verschiedenen Debatten war heute offenbar auch schon die Fusion der Sozialversicherungsträger. Wir haben Ende 2022 einen Bericht vorgelegt und haben uns da die finanziellen Folgen der Fusion und die finanzielle Lage angeschaut. Ich möchte auch ausdrücklich festhalten, dass wir die Ziele der Reform, eine Verbreiterung der Risikogemeinschaft, die ja schon lange vorher diskutiert wurde, nicht infrage gestellt haben, auch nicht, dass man die Handlungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger erhöhen sollte oder Synergien nutzen sollte. Inwiefern diese Ziele aber tatsächlich erreicht werden, wird erst die Zukunft zeigen, und die weitere Entwicklung wird sich der Rechnungshof auch weiterhin anschauen,.

Wir haben aber im Bericht natürlich detailliert aufgezeigt, wie es mit der finanziellen oder wirkungsorientierten Folgenabschätzung ausgeschaut hat. Wir haben aufgezeigt, dass die bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht realistisch war und dass die Umsetzung einer derartig großen Reform mit großen Herausforderungen verbunden ist. Wie Sie alle wissen, sind die 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert worden. Es gab neben der Strukturreform zwei Reformziele: die Leistungsharmonisierung und die Senkung des Verwaltungsaufwands.

Bei der Senkung des Verwaltungsaufwands ging es um eine Annahme in der Regierungsvorlage, wonach sich der Personal- und Sachaufwand bis 2023 in der Verwaltung der Sozialversicherung um 30 Prozent reduzieren würde und damit Einsparungen von 1 Milliarde Euro verbunden seien.

Der Gesetzgeber hat den Sozialversicherungen selbst keine Einsparungsziele vorgegeben, sie auch nicht gesetzlich auferlegt, und die Träger selbst setzten sich da auch keine Einsparungsziele. Die Annahmen wurden nicht begründet und konnten auch nicht begründet werden, weil in den Annahmen zum Beispiel auch ein Verwaltungsaufwand von nicht von der Fusion umfassten Trägern enthalten war, wie der Pensionsversicherungsanstalt oder der Unfallversicherungsanstalt. Daher war diese Annahme eben für die Steuerung auch ungeeignet. Wir haben dann ausgehend von diesen Annahmen und Prognosen einen Mehraufwand von 215 Millionen Euro errechnet. Würde man auch nur die unmittelbar betroffenen Sozialversicherungsträger heranziehen, ergibt sich ein von unser ermittelter Mehraufwand von zwischen 35 Millionen Euro und 134 Millionen Euro.

Deshalb glauben wir, dass es wichtig ist, dass man sich realistischere Ziele zur Entwicklung des Verwaltungsaufwands setzt und auch Kosten und Nutzen nachvollziehbar erfasst. Ich darf daher für die Zukunft dahin gehend appellieren, dass bei Folgenabschätzungen von Reformprojekten von fundierten und nachvollziehbaren Grundlagen ausgegangen wird und dass die Expertise der Verwaltungsebene entsprechend genutzt wird.

Bei der Leistungsharmonisierung – das wurde schon festgestellt – ist bei der ÖGK im ärztlichen Bereich der Gesamtvertrag noch nicht umgesetzt. Bei den Behandlungsbeiträgen bestanden bei der SVS und BVAEB noch Unterschiede im Pensionsrecht.

Zum Integrationsstand: Eine derartige Reform bringt natürlich Herausforderungen. Da geht es um die Umstellung von IT-Strukturen, Personal muss ausgewählt werden, Gremien werden umstrukturiert. Wir haben es positiv gesehen, dass es keine IT-Ausfälle gegeben hat, aber die IT-Kosten stiegen von 2018 bis 2020 um 21 Prozent. Der Personalstand wurde nicht verringert. Positiv war eine Flächenreduktion.

Betreffend Auswahlverfahren zur Organisationsberatung der ÖGK: Da gab es nur einen im Verfahren zugelassenen Bewerber, keine dokumentierten Akten oder unvollständige Akten. Die Beratungsleistungen für das Unternehmen lagen bei 10,6 Millionen Euro.

Was ich noch sagen will, betrifft das Thema der reduzierten Kontrolle. Weil ja die Kontrollversammlung abgeschafft wurde und die Wirtschaftsprüfung auch nach anderen Maßstäben prüft – das ist natürlich gut –, ist es dem Rechnungshof sehr wichtig, dass da ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage abgeben wird. Positiv ist jetzt, dass es einen Prüfungsausschuss in der ÖGK gibt. Mehr kann man da nicht machen, das andere müsste der Gesetzgeber vorsehen.

Die Prüfung zum Thema Covid-Impfstoff-Beschaffung war eine Verlangensprüfung der SPÖ. Es wurde hier schon gesagt: Zuerst wurde zu wenig Impfstoff bestellt, die Zahlen lagen unter dem uns zustehenden Bevölkerungsanteil – und danach über diesem Bevölkerungsanteil. Uns ist es wichtig, dass es insbesondere für Impfstoffbestellungen über der Rate der Population klare Bedarfsberechnungen und dokumentierte Grundlagen gibt. Das wäre eben auch notwendig.

Betreffend Kosten der Covid-19-Tests, die 5,2 Milliarden Euro ausgemacht haben: Die ursprüngliche Strategie war ein zielgerichtetes risikobasiertes Testen. Dann kamen ja bevölkerungsweite Tests, die später eingeführt wurden. Da entstanden Kosten von 5,2 Milliarden Euro, und der Rechnungshof hat 306 Millionen Tests zusammengerechnet. Es gab da keine Übersicht, auch bei der Abrechnung mit den Ländern – der Bund hat ja die Kosten ersetzt – hat der Bund den Ländern keine Vorgaben für diese Testungen gemacht. Wir stellen uns vor, dass da ein Pandemiemanagement, eine verstärkte Steuerung durch das Gesundheitsministerium erfolgt. Das könnte man als Lessons learned aus der Pandemie sehen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

20.14

Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Frau Präsidentin.

Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Mag. Markus Koza. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.