9.06

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Einen wunderschönen Frühlingsbeginn darf ich Ihnen wünschen! Darüber hinaus stehe ich heute hier, um, wie schon unzählige Male, das Thema Teuerung zu diskutieren.

Die Teuerung betrifft wirklich jeden Menschen in Österreich. Jeder Mensch spürt, wie das hart erarbeitete Geld wie Sand zwischen den Fingern zu zerrinnen scheint. Monat für Monat klettern die Preise in die Höhe, und mittlerweile ist die Teuerung auch ein massives Problem für die österreichische Wirtschaft, speziell im internationalen Wettbewerb, und damit auch für die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs geworden.

Herr Finanzminister, Sie haben gestern oder vorgestern in einem Interview, das ich gelesen habe, gesagt, dass die Inflation noch zu hoch ist. Das ist natürlich eine frühe Erkenntnis nach zwei Jahren – nach zwei Jahren, in denen in Österreich die Teuerung kontinuierlich, dauerhaft, hartnäckig wesentlich höher war als in allen anderen Ländern, zumindest in den Ländern Mittel- und Westeuropas. Wir haben mittlerweile die dritthöchste Teuerungsrate in der Europäischen Union: 4,3 Prozent. Das ist kein Grund zum Jubeln, liebe Volkspartei, sondern das ist immer noch ein deutlich stärkerer Preisanstieg als in allen anderen EU-Ländern, im Euroraum liegt er bei 2,4 Prozent.

Was sind die großen Unterschiede zu den anderen Ländern? Warum ist bei uns die Teuerung so hartnäckig? Da können Sie sich nicht nur auf externe Preisschocks bei den Energiepreisen oder die Weltwirtschaftslage insgesamt ausreden, da ist sehr viel hausgemacht. Zuallererst einmal: Es wurden keine Hausaufgaben gemacht. Sie sind in den vergangenen Monaten keine strukturellen Reformen angegangen, die tatsächlich die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs stärken, den Standort stärken und das wichtige Versprechen von Wohlstand für alle auch Wirklichkeit werden lassen.

Stattdessen haben Sie eine Reihe von Ankündigungen gemacht, jetzt wieder, vor dem Wahltag. Ankündigungen, Ankündigungen, Ankündigungen: Wir hören von der ÖVP seit 37 Jahren, was nicht alles irgendwann einmal getan werden muss – Bürokratieabbau habe ich jetzt wieder gelesen, Lohnnebenkostensenkung, steuerliche Entlastung. Wissen Sie, was das Thema ist? – Das glauben Ihnen die Menschen doch nicht mehr. Das glaubt Ihnen doch nach 37 Jahren ÖVP in der Bundesregierung niemand mehr. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Ottenschläger: Abschaffung der kalten Progression! Steuerentlastung!)

Viel schlimmer als keine strukturellen Reformen ist aber, dass Ihr – unter Anführungszeichen – „Kampf“ gegen die Teuerung nicht zielgerichtet war. Wir müssen natürlich die schwächsten Haushalte stützen und das hat auch funktioniert. Wir haben ja auch eine gute Analyse des Budgetdienstes, die ich mir genau angeschaut habe. Sie aber haben die ganz, ganz große Gießkanne ausgepackt, und mit dieser ganz, ganz großen Gießkanne sind Sie nach dem Motto, das vor bald vier Jahren ausgerufen wurde – koste es, was es wolle –, durchs Land gezogen und haben die Menschen mit Geld überhäuft, mit Förderungen, mit Boni, mit Gutscheinen, und so natürlich die Inflation immer weiter angetrieben. Das ist ein Trick, Herr Finanzminister, Sie ziehen den Menschen das Geld aus der linken Tasche heraus, dann wird es in einen Umverteilungsapparat gesteckt, der teilweise ziemlich undurchsichtig ist – ich denke an die Cofag –, und dann wird den Menschen gnadenhalber ein bisschen etwas, wie vom gütigen Gutsherrn, zurückgegeben. Gleichzeitig haben Sie damit aber natürlich die Inflation massiv angefacht. Sie haben aber auch beim Thema Energiepreise nichts gemacht. Jetzt muss ich nicht wieder darauf zu sprechen kommen, dass es eine Mär ist, dass das russische Gas so billig ist, aber es geht doch vor allem auch darum, dass wir in Österreich ein Problem mit landeseigenen Energieversorgern – also im staatlichen Eigentum grosso modo – haben, die zwar sehr schnell dabei waren, die Preise in die Höhe zu treiben, als am internationalen Markt die Energiepreise gestiegen sind, aber nur sehr, sehr zögerlich dabei waren, auch gesunkene Preise wieder weiterzugeben. Das ist nicht, wie manche sagen, ein Marktversagen, sondern das ist in Wahrheit ein Versagen von Wettbewerb. Es gibt zu wenig Wettbewerb für Kundinnen und Kunden. (Beifall bei den NEOS.)

Und was machen Sie? – Sie machen einen Taschenspielertrick: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler subventionieren einander gegenseitig die Stromrechnung, die landeseigenen Energieversorger können ihre Preise hoch halten und üppigste, milliardenschwere Dividenden an die Eigentümer ausschütten, nämlich an die Bundesländer, und dort versickert das Geld in den Landesbudgets, und die Fürsten der Finsternis, die Landeshauptleute, freuen sich über ein bisschen mehr Körberlgeld – auf Kosten der Kundinnen und Kunden, auf Kosten der Betriebe, auf Kosten der Menschen in Österreich. (Beifall bei den NEOS sowie Bravoruf der Abg. Doppelbauer.)

Das größte Versäumnis, Herr Minister, ist es aber, dass Sie die Menschen und auch die Arbeitgeber nicht entlastet haben. Ja, ich weiß, Sie haben die kalte Progression teilweise abgeschafft – wir haben da wirklich jahrelang Druck gemacht – und wir begrüßen das auch (Zwischenruf der Abg. Baumgartner), es ist aber ein Verzicht auf eine weitere Steuererhöhung. Die Steuer- und Abgabenquote liegt mit 43,2 Prozent wieder einmal im Spitzenfeld in der Europäischen Union. Ihr eigenes Versprechen aus Ihrem Regierungsprogramm – da haben Sie nämlich versprochen, die Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent zu senken – haben Sie damit gebrochen. Das ist immerhin ein Volumen von 16 Milliarden Euro. 16 Milliarden Euro müssen die Menschen in Österreich, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dank Ihrer schlechten Politik mehr zahlen. Umgelegt auf jeden Erwachsenen sind das 2 130 Euro.

Deswegen sagen wir NEOS: Mission 40 Prozent! Die Abgabenquote muss auf 40 Prozent und darunter kommen, und das geht nur, wenn man endlich die Ärmel hochkrempelt, aufhört, zu reden und anzukündigen, und wirklich Reformen auch nach Österreich bringt. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Letztes noch – ich glaube, mein Kollege Gerald Loacker wird darauf eingehen –, die Lohnnebenkosten: Sie haben im Sommer Interviews dazu gegeben und die Arbeitnehmerseite auch zur Lohnzurückhaltung aufgerufen, also dazu, nicht zu maßlos bei den Lohnforderungen zu sein. Jetzt frage ich Sie ernsthaft: Haben Sie da eigentlich die Koppelung an die Menschen völlig verloren? Da stehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die jeden Tag ihre Leistung bringen, die es sich verdient haben, dass sie von dem, was sie erarbeiten, auch leben können, und das angesichts einer Teuerung, die im Sommer noch über 7 Prozent, glaube ich, war – jetzt sind es ja auch noch 4,3 Prozent –, und Sie richten den Arbeitnehmern aus: Jetzt fordert aber bitte nicht mehr Lohn, damit ihr euch die gestiegenen Preise leisten könnt! – Das ist doch absurd!

Sie hätten es selber in der Hand gehabt! Wären Sie ein tatkräftiger Finanzminister gewesen, hätten Sie es selber in der Hand gehabt, durch eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten den Spielraum zu schaffen, dass jeder Arbeitnehmerin, jedem Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto in der Geldbörse bleibt und gleichzeitig der Kostendruck auf die Betriebe – gerade auf jene Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen – nicht so enorm steigt. Jetzt stehen wir nämlich da: weiterhin hohe Inflation, Rezession, bei den Lohnstückkosten kaum mehr wettbewerbsfähig im internationalen Vergleich – und Sie machen nichts anderes als zu reden, anzukündigen, aber es folgen keine Taten. Das ist zu wenig, Herr Finanzminister. (Beifall bei den NEOS.)

9.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesfinanzminister. – Bitte sehr.