10.25
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Finanzminister an meiner Seite wird vielleicht etwas überrascht sein und sich das gar nicht vorstellen können – Herr Finanzminister, Sie werden es vielleicht nicht glauben ‑, aber es soll in Europa Regierungen geben, die Fragen wie die Teuerung, die Bekämpfung der hohen Inflation durchaus auch als politischen Handlungsauftrag verstanden hätten; auch Fragen wie jene, ob sich Menschen in Österreich das Wohnen noch leisten können, ob die Pensionistin in der Lage ist, Mietpreissteigerungen von 200 Euro pro Monat auch in Zukunft finanzieren zu können, so lapidare Fragen wie: Haben die Menschen auch in Zukunft noch ein Dach über dem Kopf, das sie sich leisten können?
Angesichts all dessen zu handeln hat die österreichische Bundesregierung verabsäumt. Man hat einfach zugesehen, so wie in allen anderen Fragen der Teuerung. Das hat dazu geführt, dass wir in Österreich inzwischen die Situation haben, dass sich jeder vierte Mensch jeden Monat Sorgen machen muss, wie er oder sie die monatliche Miete zahlen kann. Es gibt in Österreich Menschen, die innerhalb von nur zwei Jahren 25 Prozent mehr an Miete zahlen! (Abg. Obernosterer: Betriebskosten!)
Heute wird hier ein Wohnpaket präsentiert, das für all diese Menschen gar nichts löst. Aus Sicht der ÖVP ist das eigentlich relativ konsequent, weil das immer ihre Sichtweise gewesen ist. Die ÖVP hat den Leuten ja immer ausgerichtet: Wenn du dir die Miete nicht leisten kannst, dann wirst du ja nicht blöd sein, dann kaufst du dir halt die Wohnung! Das war immer der Zugang der Österreichischen Volkspartei. Auch Sebastian Kurz hat uns doch immer ausgerichtet: Eigentum ist die beste Maßnahme und die beste Vorsorge gegen Altersarmut. (Ruf bei der ÖVP: Genau! Stimmt!) – In Wahrheit war das das Einzige, was die ÖVP den Menschen ausgerichtet hat.
Das Pech ist nur: Beim Eigentum ist die ÖVP auch nicht ganz konsequent. Wenn du ein paar Hunderttausend Euro eingesteckt hast und dir das selber leisten kannst, dann hast du das Eigentum jedenfalls. Wenn du einen Häuslbauerkredit aufgenommen hast, dann bist du der ÖVP schon wieder egal, wenn du also einer jener Menschen in Österreich bist, die jetzt verzweifelt sind – und da reden wir von einer halben Million Haushalte –, die sich jeden Monat wirklich schwertun, sich das Haus oder die Wohnung noch leisten zu können, weil die Kreditzinsen explodiert sind. Während die Gewinne der Banken innerhalb von zwei Jahren explodiert sind, gibt es in Österreich immer mehr Menschen, die sich für ein ganz normales Eigenheim, das sie sich gekauft haben, die Kreditzinsen nicht mehr leisten können.
Ich rede da von ganz normalen Mittelstandsfamilien wie: Sie arbeitet als Krankenpflegerin, er ist Angestellter, sie haben miteinander eine kleine Tochter, und sie sind echt verzweifelt, weil sie jeden Monat 500 Euro mehr zahlen müssen. Sie gehen am Abend schlafen und wissen nicht, ob sie in Zukunft das Haus noch haben werden. – Und die österreichische Bundesregierung schaut zu. Die feiert sich dann für ein Wohnbaupaket, bei dem all diese Menschen in Wahrheit vergessen werden. (Beifall bei der SPÖ.) Deswegen wäre es heute – wenn wir groß von einem Wohnbaupaket reden und die Regierung sich dafür feiert – schon unsere Aufgabe, ganz konkret auch Maßnahmen zu beschließen.
Das eine ist, dass wir die Mieterhöhungen jedenfalls bis Ende 2026 aussetzen. Das wäre mehr als fair, das haben andere Staaten auch gemacht. (Beifall bei der SPÖ.) Danach braucht es bei der Mietpreiserhöhung einen Deckel von maximal 2 Prozent, und wir brauchen auch für Zinsen auf die Häuslbauerkredite einen Deckel von maximal 3 Prozent – und das Ganze finanziert aus den Übergewinnen der Banken. Da kann man doch nicht einfach zuschauen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen, das ist doch unfair gegenüber all diesen Menschen!
Ich möchte heute noch ganz konkret auf Folgendes eingehen – ich habe fast lachen müssen –: Kollege Wöginger hat gestern der „Presse“ ein Interview gegeben. – Es war dir anscheinend ein bisschen peinlich, was ihr in den letzten Jahren nicht zusammengebracht habt – darüber willst du nicht reden, dass sich die Leute das Wohnen nicht mehr leisten können –, und dann hast du wortwörtlich dort gesagt, dieses supertolle Paket ist „keine Vergangenheitsbewältigung“, sondern es „ist in die Zukunft gerichtet“. – Also: Die Leute, die sich jetzt das Wohnen nicht mehr leisten können, haben Pech gehabt, du schaust jetzt groß in die Zukunft.
Das ist irgendwie doppelt bemerkenswert, weil du diese Menschen ja real wirklich vergessen hast, aber dein Blick in die Zukunft auch nicht sehr weit reicht. Er reicht maximal über vier Jahre, denn die Leute, die jetzt geförderte Kreditzinsen von 1,5 Prozent bekommen sollen, bekommen diese maximal vier Jahre lang finanziert. Ich weiß nicht, wie viele Häuslbauer du aus deiner Lebensrealität kennst, die 200 000 Euro aufnehmen und diese 200 000 Euro dann innerhalb von vier Jahren zurückzahlen – oder ob die Leute nicht eher sagen, sie möchten das über einen Zeitraum von 30 Jahren finanzieren. Und vielleicht würde sie, bevor sie ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen, schon interessieren, wie sie in den nächsten 25 Jahren den Kredit zurückzahlen und ob sie dann vielleicht Zinsen in Höhe von 5 Prozent zahlen müssen.
Diese Frage werden uns die Menschen stellen. Auf diese Frage gibt es aber keine Antwort. Die Zukunftsvision der ÖVP reicht also genau über vier Jahre, und all die Menschen in Österreich, die sich heute die Häuslbauerkredite nicht mehr leisten können, haben einfach Pech gehabt.
Ich möchte noch ein Beispiel bringen, an dem man das Gespür der ÖVP und auch der Grünen erkennt (Zwischenruf bei der FPÖ), an dem man erkennt, um wen ihr euch wirklich Sorgen macht. Aus Sicht der Grünen und der ÖVP sind die kleinen Häuslbauer die Menschen, die es sich leisten können, sich für 2 Millionen Euro eine Villa zu kaufen. Ich wünsche jedem diesen Spaß, jeder soll in dieser Form glücklich sein dürfen. Da macht ihr euch dann Sorgen, diese Menschen sollen sich 10 000 Euro an Gebühren sparen – dafür habt ihr 10 000 Euro übrig. Wenn sich jemand um 2 Millionen Euro eine Villa kaufen kann, dann ist der Zehntausender von der ÖVP schnell auf der Seite, aber die Pensionistin, die heute verzweifelt in der Wohnung sitzt, weil sie sich das Wohnen nicht mehr leisten kann, bekommt gar nichts – die bekommt gar nichts! (Abg. Hafenecker: Weil sie bei Wiener Wohnen wohnt und die Miete nicht zahlen kann!)
Deswegen möchte ich abschließend zu diesem Paket sagen: Dieses schlecht gemachte Baukonjunkturpaket ist besser als gar nichts, aber ein echtes, starkes Paket, das Wohnen in Österreich wieder leistbar macht (Abg. Hafenecker: Das gilt eh auch für Kleingärten!), schaut definitiv anders aus. (Beifall bei der SPÖ.)
10.30
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Vizekanzler auf der Regierungsbank herzlich bei uns begrüßen.
Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Wöginger. – Bitte sehr.