9.20

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher der heutigen Nationalratssitzung! Im Rahmen der Aktuellen Stunde der SPÖ darf ich in Vertretung des Bundeskanzlers die Gelegenheit nutzen, um bei dieser Diskussion Fakten auf den Tisch zu legen.

Zunächst einmal kann man, glaube ich, festhalten, dass wir in Österreich definitiv kein Problem mit einer zu geringen Steuerlast haben – ganz im Gegenteil. Wir als Bundesregierung konzentrieren uns darauf, dass die Menschen, die arbeiten gehen, wenn sie eben Leistung erbringen, entsprechend entlastet werden, dass wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Eigentumsschaffung kein Wunschdenken ist, und dass Österreich weiterhin ein Staat mit entsprechenden Sozialleistungen bleibt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

All das machen und garantieren wir, ohne von neuen Steuern zu fantasieren, die entweder leistungsfeindlich, eigentumsfeindlich oder ineffizient sind; und meistens alle drei Dinge zugleich – deswegen gibt es von uns als Volkspartei ein klares Nein zu Eigentums- und Vermögensteuern. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Voglauer. – Abg. Stefan: ... Haushaltsabgabe!)

Aufgrund der Ausführungen des Herrn Abgeordneten und auch der vielen weiteren Debatten, die zu diesem Thema geführt werden, möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um einige Dinge richtigzustellen – denn vieles, was da behauptet wurde, ist schlichtweg unwahr. Mit unwahren Zahlen zu agieren scheint für manche dann in Ordnung zu sein, wenn es in die eigene ideo­logische Erzählung passt. Der Zweck heiligt sozusagen die Mittel. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Sozialdemokratische Partei argumentiert oftmals mit einer Studie, mit der die einzige seriöse Quelle, die ETH Zürich, im Nachhinein nichts mehr zu tun haben will, weil die Studie nicht den guten wissenschaftlichen Standards entspricht, oder sie argumentiert auch mit Zahlen von Attac, die von sämtlichen Wirtschaftswissenschaftern in Österreich bereits beim ersten Hinschauen als absolute Fantasiezahlen abgetan wurden. (Abg. Jeitler-Cincelli: Genau!) Zahlreiche Tageszeitungen haben Ihnen, liebe Kollegen von der SPÖ, vorgerechnet, dass diese Zahlen falsch sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Herr: Das hat nichts mit der Wortmeldung zu tun! – Abg. Steinacker: Ja lest es einmal nach! Das stimmt nämlich! Nachlesen! – Abg. Herr: Bitte? Das sind Zahlen des Finanzministeriums!)

Meine eindringliche Bitte deswegen: Bleiben wir bei den Fakten! Lassen wir diese Neiddebatte! Wir brauchen in meinen Augen nämlich genau das Gegenteil: eine sachliche Debatte darüber, wie wir die Steuerlast für die Menschen, die tagtäglich aufstehen, arbeiten gehen und Steuern zahlen, senken können – nicht darüber, wie wir die Steuern weiter heben sollen. Wir brauchen eine Debatte darüber, wie wir die Menschen, die hart arbeiten und sich etwas aufbauen, die etwas leisten wollen, unterstützen können, statt sie noch mehr zu besteuern. (Abg. Belakowitsch: Was erzählen Sie uns für Märchen?!)

Wir haben in Österreich im weltweiten Vergleich betreffend Steuern und Abgaben eine der größten Umverteilungen von Einkommen. Insbesondere Familien profitieren von unseren steuerpolitischen Maßnahmen. Der Familienbonus Plus in Höhe von 2 000 Euro pro Jahr pro Kind sorgt genau dafür, dass die Steuerbelastung von Familien aufgrund dieser Maßnahmen im internationalen Vergleich deutlich unter dem OECD-Schnitt liegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit einem Steuersatz von 55 Prozent auf hohe Einkommen haben wir inter­national einen der höchsten Steuersätze. Im Vergleich: Man zahlt in Deutschland 47,5 Prozent und in der Schweiz bis zu 41,5 Prozent. (Abg. Belakowitsch: Ist das jetzt eine Selbstanklage?)

Bei den unteren und mittleren Einkommen hat diese Bundesregierung den Steuersatz noch einmal deutlich gesenkt. Es ist uns ein ganz großer Meilenstein gelungen. Wir haben einer der größten Ungerechtigkeiten im Steuersystem in dieser Legislaturperiode ein Ende gesetzt: der kalten Progression.

Durch die progressive Gestaltung unseres Steuersystems war es früher so, dass der Staat bei jeder Lohnerhöhung zusätzlich profitiert hat. Die Abschaffung der kalten Progression ist jahrzehntelang in fast allen Wahlprogrammen gestanden – auch in Ihrem, liebe SPÖ. Wir als Bundesregierung haben sie abgeschafft, und ich denke, dass vielen noch nicht bewusst ist, welche Auswirkungen dieser Meilenstein hat.

Es bedeutet, vereinfacht gesagt, dass eine Lohnerhöhung auch tatsächlich eine solche bleibt, ohne dass der Staat noch einmal zusätzlich Steuern kassiert. Das ist auch gut so. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an unseren Bundes­kanzler, ebenso an den Finanzminister, die beide seit ihrem Amtsantritt sehr stark für die Abschaffung der kalten Progression gekämpft haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Götze und Schwarz. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Am stärksten profitieren davon gerade junge Menschen, junge Familien, weil sie am Beginn des Erwerbslebens stehen und in dieser Zeit hoffentlich noch einige Lohnerhöhungen vor sich haben.

Geschätzte Damen und Herren! In einem Sozialstaat helfen wir natürlich den­jenigen, die in Notlagen sind, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind. Das ist unser Selbstverständnis. (Ruf bei der SPÖ: Ihr schickt sie zum McDonald’s!) Im Rahmen dieses Selbstverständnisses braucht es für ein Gelingen aber auch das, dass diejenigen, die sich mehr anstrengen, die mehr leisten, auch mehr von ihrem Einsatz haben sollen. Wir brauchen Anreize, dass es sich auszahlt, arbeiten zu gehen. Ein Sozialstaat funktioniert nur, wenn es auch Menschen gibt, die arbeiten gehen und Steuern zahlen. (Abg. Silvan: Alle!) Deswegen müssen wir diesen Teil des Versprechens genauso einhalten, sonst wird bald überhaupt niemand mehr Lust haben, arbeiten zu gehen oder mehr zu tun.

Wir sind es in Österreich gewohnt, dass unsere Kinder und Jugendlichen eine kostenlose Ausbildung an Schulen und Universitäten erhalten. Wir sind es gewohnt, dass wir bei Unfällen oder Krankheiten ins Krankenhaus oder zum Arzt gehen können, ohne uns Gedanken über die Rechnung machen zu müssen. Wir sind es gewohnt, dass man, wenn man seinen Job verliert, eine gewisse Zeit von der Gemeinschaft aufgefangen wird. (Abg. Silvan: Entschuldigung?! Man zahlt ja jeden Monat in die Arbeitslosenversicherung ein!) Wir sind es auch gewohnt, dass man sich im Alter selbstverständlich auf eine Pension verlassen kann. Bleiben wir also bitte bei den Fakten!

Wir brauchen definitiv wieder mehr Glauben an ein Leistungsversprechen, mehr Maßnahmen für die Österreicherinnen und Österreicher, damit sie auch sehen – tatsächlich sehen –, dass es sich lohnt, arbeiten zu gehen, weil man sich damit vielleicht eigene vier Wände, einen Urlaub oder andere Dinge leisten kann. Wir brauchen weniger Neiddebatten und mehr Menschen, die sich etwas schaffen können.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird nur gehen, wenn wir Menschen motivieren können: zum Beispiel mit 18 steuerfreien Überstunden, wie wir es umgesetzt haben, oder auch – was meiner Meinung nach in ein nächstes Regierungsprogramm gehört – mit einer Steuerentlastung, mit einer Abschaffung der Grunderwerbsteuer (Beifall bei der ÖVP – Abg. Herr: Na genau!) oder mit einem Bonus für all jene, die 40 Stunden oder sogar mehr arbeiten. Auch das muss Teil eines nächsten Regierungsprogramms sein. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir brauchen mehr, da gebe ich Ihnen recht, aber definitiv nicht mehr Steuern, sondern mehr Anerkennung von Leistung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scherak: Es ist gut, dass die ÖVP nach 36 Jahren auch draufkommt!)

9.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Herr Klubobmann, bitte sehr.