9.56
Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Titel dieser Aktuellen Stunde „Wieso zahlen in Österreich Milliardäre weniger Steuern als Menschen, die arbeiten gehen [...]“? gelesen und mir das einmal so überlegt habe, habe ich gedacht, das ist eigentlich schon sehr polemisch. Schauen wir uns aber an: Um wen geht es da eigentlich? Wer sind diese Milliardäre, von denen wir da sprechen? – Ich habe mir dann die Liste von Forbes angeschaut, weil ich mir gedacht habe: Forbes ist gut, das ist nicht irgendeine Excel-Tabelle oder irgendeine selbstgeschnitzte Studie, sondern das ist etwas, was international Beachtung findet – daher schauen wir einmal auf Forbes!
Was glauben Sie: Wie viele Österreicher sind unter den 1 000 reichsten Menschen der Welt? – Es sind drei. Der Großteil ist aus den USA, sehr, sehr viele Newcomer sind aus Asien und aus Südamerika. Aus Österreich sind genau drei Personen unter den reichsten Menschen der Welt.
Schauen wir uns das jetzt innerhalb Österreichs an, schauen wir uns verschiedene Statistiken an, weil ich mir gedacht habe: Wie viele Leute sind das eigentlich, über die Sie da herziehen und die sozusagen einmal ablegen sollten? Da habe ich gesehen, das sind, je nach Berechnung, zwischen zehn und 15 Menschen inklusive deren Familien. Da geht es um Menschen – und für mich steht der Mensch einmal im Vordergrund –, um zehn bis 15 Menschen, die hier von Ihnen permanent vorgeführt werden und denen jegliche Art von Leistung abgesprochen wird.
Wie definiert sich jetzt dieses Milliardärsdasein? Wonach wird das berechnet? – Es geht um eine Schätzung von Firmenbeteiligungen, es geht um Immobilienbesitz, um Aktien. Das ist eine grobe Schätzung. Man sieht auch, warum Signa plötzlich ganz schnell wieder rausfallen kann: weil das zum Teil virtuelle Werte sind. Ein Unternehmen ist ja nicht das, was jetzt pseudomäßig der Buchwert ist, denn ich kann nicht am nächsten Tag sagen, ich verkaufe es, und dann ist das Geld auf meinem Konto. So funktioniert das nicht.
Wenn Sie dann ständig auf Einzelne hinhauen – ich will das gar nicht kommentieren, Gfraster gibt es überall, in der Politik gibt es auch nicht so wenige –, dann sollte man sich einmal ansehen – weil Sie diese Frage stellen –: Zahlen die denn keine Steuern? – Das ist natürlich völliger Blödsinn, und meine Kollegen haben Ihnen dazu vorhin auch ausgiebig Zahlen, Daten und Fakten vorgelegt. Natürlich zahlen die Steuern, die zahlen unfassbar viel an Steuern! Und unsere Abgabenquote in Österreich ist generell zu hoch, das ist nämlich unser eigentliches Problem.
Das oberste 1 Prozent der Einkommensbezieher finanziert 25 Prozent des gesamten Steueraufkommens der Republik Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Das ist so falsch! Das ist so falsch!) Insgesamt gibt es, international gesehen, kaum ein Land, in dem mehr umverteilt wird als bei uns. Und das, was Sie hier einfordern, diese Vermögensbesteuerung, haben fast alle aufgegeben, aber – wissen Sie, was? – aus guten Gründen: nicht nur, weil es kompliziert war, technisch komplett ineffizient war, sondern auch, weil es – wozu führt das denn? – zu Kapitalflucht ins Ausland führt. (Abg. Herr: Aber in den USA gibt’s Millionärssteuern!)
Weil Sie vorhin die Leerstandsabgabe erwähnt haben, nur zur Berichtigung: Es war eine Verfassungsänderung, die wir beschlossen haben, keine Leerstandsabgabe. Schauen wir uns aber einmal an: Was leisten denn Millionäre, Milliardäre – es geht bei Ihnen um Milliardäre – für Österreich? – Sie leisten einen wertvollen Beitrag zum Sozialsystem, sie schaffen Zehntausende Arbeitsplätze.
Ich habe mir angeschaut, wer die sind. Wenn man es genau anschaut: Wer sind denn die eigentlich? – Das sind großteils Selfmademilliardäre in erster oder zweiter Generation. Das ist nicht so, wie Sie das darstellen, als wären das irgendwelche – weiß ich nicht – Erdölerben, die sich jetzt gemütlich auf die faule Haut legen. Sie haben dieses Geld selbst verdient, weil sie hochgradig innovativ waren, weil sie fleißig waren, weil sie angepackt haben, weil sie Chancen genutzt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: ... Milliarde Euro verdienen! – Zwischenruf des Abg. Koza.)
Was leisten diese Milliardäre für das Land? – Natürlich zahlen sie Abgaben, sie schaffen Arbeitsplätze, sie schaffen aber auch ganz, ganz viel im sozialen Bereich. Überlegen Sie einmal, was die alles sponsern: im Sport, im Kulturbereich, im karitativen Bereich. Schauen Sie sich einfach die Liste an und schauen Sie, was die alle tun, zusätzlich zu dem, dass sie ohnehin Steuern zahlen! (Zwischenruf der Abg. Erasim.)
Schauen wir uns das an: Dieses Bashing hat ja eine lange Geschichte. Schauen Sie sich die Milliardäre der Vergangenheit in Österreich an! Gehen Sie die Ringstraße entlang: Keines dieser Palais, keiner dieser Prachtbauten würde ohne den Exzellenzanspruch dieser Gruppe existieren. Wir hätten kein Naturhistorisches Museum, Kunsthistorisches Museum, und selbst wenn die Häuser stehen würden, wären keine Exponate drinnen – weil diese Menschen, großteils übrigens mit jüdischen Wurzeln, etwas hinterlassen haben.
Die Eskeles, die Wertheims dieser Welt, und wie sie alle heißen, leicht haben es die in Österreich nie gehabt, das wissen Sie ganz genau! Sie haben trotzdem die Extrameile genommen, sie sind trotzdem den Weg gegangen, und sie haben den Kulturschatz, den wir heute hier haben, hinterlassen. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Das ist das, worauf Sie mitunter hinhauen, weil die Milliardäre von heute wiederum viele, viele Schätze für uns, für die Zukunft hinterlassen. (Beifall bei der ÖVP.)
So, kommen wir jetzt noch zum zweiten Satzteil, Sie sagen: „als Menschen, die arbeiten“. – Diese Menschen haben gearbeitet, und ich will wirklich, dass Sie das wahrnehmen. (Ruf bei der FPÖ: Das interessiert die Wenigverdiener sicher, was Sie da sagen!) Schauen Sie sich bitte diese Familien an, was die gearbeitet haben! Das sind Riesenunternehmen, auf die wir stolz sein können! Und es ist nicht leicht, sie zu halten. Sie haben es vielleicht gesehen: Der thailändische Mehrheitseigentümer von Red Bull überlegt, den Standort Fuschl in Österreich zu schließen. Ja, wollen wir Unternehmen wie Red Bull verlieren? – Ich will es nicht. Der Wings-for-Life-Run letzte Woche: Sehen Sie, was diese Menschen für uns leisten? (Abg. Herr: Redezeit!) Wir brauchen mehr von diesen Menschen und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich möchte mich heute bei diesen zehn bis 15 Menschen und ihren Familien – vielleicht sieht es der eine oder andere – offiziell im Namen der Volkspartei entschuldigen, dass sie in diesem Land so behandelt werden. – Sie haben das nicht verdient, ich danke Ihnen für Ihr Engagement und ich bitte Sie, zu bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!
Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (fortsetzend): Wir brauchen eine Signalkultur an Menschen, die es wagen, groß zu träumen, die sagen: Hey, ich brauche einen Standort für das! (Rufe bei der SPÖ: Redezeit! Redezeit!) Und ich will, dass wir eine Kultur schaffen, in der die Leute daran glauben können, dass das bei uns in Österreich möglich ist – damit es mehr werden als drei von 1 000.
Abschließend: Meine Mama hat meinem Bruder und mir, als wir klein waren, immer einen Satz mitgegeben (Abg. Herr: Redezeit, entschuldigen Sie!); Sie hat immer gesagt: Wenn es - -
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete, Sie sind über 1 Minute drüber – ich bitte, zum Schlusssatz zu kommen. (Abg. Belakowitsch: ... spannend, Familiengeschichte!)
Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (fortsetzend): Meine Mama hat immer gesagt: Carmen, wenn es einigen wenigen sehr, sehr gut geht, nur dann kann es uns allen gut gehen! (Ruf bei der SPÖ: Um Himmels willen!)
Ich danke meiner Mama, dass sie uns nicht Neid und Missgunst mitgegeben hat, sondern Respekt und Wertschätzung vor der Leistung von anderen. – Danke, Mama. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker. – Ruf bei der SPÖ: Zurück zum Feudalismus, oder?!)
10.02
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.