12.48

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident Theodoros Rousopoulos! Ja, mit 75 Jahren mag der Europarat in Menschenjahren vielleicht alt erscheinen, doch um Ihre Landsfrau, die Griechin Nana Mouskouri, zu zitieren: „Man muss nicht leise sein, nur weil man alt ist“. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich denke, ganz das Gegenteil ist der Fall. Gerade der Europarat darf aktuell nicht leiser werden. Die Bedeutung des Europarates misst sich nämlich nicht in Menschenjahren, sondern in Menschenleben. 700 Millionen Menschen leben unter dem Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention. Hinzu kommen über 200 rechtlich bindende internationale Verträge, die vor Gewalt, Folter und Missbrauch schützen sollen.

Europa hat zwei verheerende Weltkriege mit Abermillionen Toten auf den Schlachtfeldern und in den Lagern, Faschismus und Nationalismus erlitten.

Europas Lehren daraus sind Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und die Solidarität zwischen Menschen und Nationen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Herr Präsident, in diesem Geschichtsbewusstsein hat sich Österreich in der Zweiten Republik ganz bewusst für eine aktive, friedensorientierte Rolle in der Staatengemeinschaft entschieden. Das neutrale Österreich beheimatet in der Bundeshauptstadt Wien viele internationale Organisationen wie die OSZE oder die UNO. Auf diese Tradition der konstruktiven Konfliktlösung waren wir auch stets stolz, und ich denke, dass wir uns gerade angesichts der internationalen Krisenherde auf diese Stärke der Tradition wieder besinnen und daran anknüpfen sollten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Herr Präsident, vor fünf Jahren, im Juni 2019 sprach Ihre Vorgängerin Liliane Maury Pasquier anlässlich 70 Jahre Europarat auch im österreichischen Nationalrat. Rückblickend auf diesen Juni 2019 müssen wir heute feststellen: Niemand konnte erahnen oder vorhersehen, was alles in diesen fünf Jahren passieren sollte: eine Pandemie mit ihren menschlichen Tragödien und ihren sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen, Krieg in Europa, verschuldet durch den Angriff Russlands auf die Ukraine, Krieg im Nahen Osten, ausgelöst vom Terror der Hamas, rasant steigender Antisemitismus, Rassismus, aber auch Homophobie und immer mehr Angriffe auch auf Frauenrechte.

Demokratische Institutionen werden von innen und von außen infrage gestellt, um unsere Demokratien und unsere Rechtsstaatlichkeit zu destabilisieren. Wir könnten das erweitern: um unzählige Krisenherde, um die Teuerung, um Inflation, um den Klimawandel und viele weitere Aspekte. Und ja, all das stimmt zu Recht ganz viele Menschen pessimistisch und lässt sie auch an der Zukunft zweifeln.

Aber wissen Sie, wir haben in der Vergangenheit schon bewiesen, dass wir der Gegenwart nie ohnmächtig gegenübergestanden sind.

Wir wissen zu genau, dass die Zukunft eben in unseren Händen liegt. Wir können die Logik des Krieges durchbrechen und wir können sie durch die Logik des Friedens ersetzen.

Wir können dem Hass, der Feindseligkeit, der Spaltung der Gesellschaft mit Solidarität, mit Gerechtigkeit, mit Menschlichkeit entgegentreten (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Krisper) und wir können Frieden und Zusammenarbeit durch ganz konkrete, an den Lebensbedingungen der Menschen orientierte politische Maßnahmen verändern.

Wir brauchen wieder mehr Vertrauen – mehr Vertrauen in unsere demokra­tischen Institutionen, um eben Angriffe auf unsere liberalen Demokratien abzuwehren.

Da liegt viel in unseren Händen, viel, das wir wahrscheinlich alleine nicht leisten können. Deshalb gibt es eben auch den Europarat, der dazu einen Beitrag leisten kann.

Stärken wir die soziale Dimension! Nehmen wir auch in Europa und in unserem Land diese soziale Dimension wieder stärker in den Fokus – auf Basis wirt­schaftlicher Innovationen, auf Basis des Wachstums.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um nicht mehr oder weniger als um mehr Gerechtigkeit in Österreich, in Europa. Und Gerechtigkeit ist keine Wohltat, Gerechtigkeit ist ein Recht – in Österreich und in Europa. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie der Abg. Krisper.)

12.54

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.