12.54
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Europarat wurde vor 75 Jahren als zwischenstaatliche Organisation gegründet, ausdrücklich nicht als supranationale Organisation. Dies betone ich deshalb, weil es einen ganz gravierenden Unterschied macht.
Zwischenstaatliche Organisation heißt Kooperation vieler Länder – Gott sei Dank –: Kooperation, Empfehlungen. Supranational heißt: Abgabe von Souveränität, Abgabe von nationalen Rechten an eine überstaatliche Organisation. Man hat sich 1949 und dann in den Fünfzigerjahren aktiv dagegen entschieden, und das gilt nach wie vor gemäß der Satzung, das hat sich nicht geändert.
Der Europarat ist mit seinen Organen, der Parlamentarischen Versammlung und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Richter von Ihrem Organ bestellt werden, zu dieser Kooperation im Sinne der Friedenssicherung in Europa aufgerufen, im Sinne der Bewahrung – nach der Satzung, Wortlaut – unseres gemeinsamen europäischen Erbes, der Sitten der europäischen Völker als Quelle individueller und politischer Freiheit, unter Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit und der pluralistischen Demokratie; wie Sie es, Herr Präsident, auch in Ihrem Eingangsstatement angesprochen haben.
Das sind schöne Ideen, das sind nicht nur Floskeln, und dafür sollten wir wirklich gemeinsam kämpfen, aber rechtsstaatlich kann es nur sein, wenn man sich an die Satzungen, an das Vereinbarte, auch an die Europäische Menschenrechtskonvention, die ja auch von Ihrer Versammlung beschlossen wurde, hält. Meiner Ansicht nach wird diese Satzung und werden diese Ziele aber nicht eingehalten, und da müssen Sie oder der Europarat sich den Vorwurf machen lassen, dass das Vertrauen in die Institutionen eben erodiert, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden.
Es wird, insbesondere durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der da vorgeschoben wird, nun sehr wohl in die Souveränität der Mitgliedstaaten des Europarates eingegriffen. Er machte sich sozusagen ohne rechtliche Grundlage zur supranationalen Organisation.
Weil Sie den französischen Gelehrten Tocqueville angesprochen haben, einen großer Kämpfer für die Demokratie und für die Freiheit: Er hat eben auch die Gefahren der Demokratie gesehen, weil das Vertrauen in die Institutionen dann geschmälert und zerstört wird, wenn man sich nicht an die rechtsstaatlichen Grundlagen hält. Er hat vor dem gewarnt, was jetzt eingetreten ist.
Ich sage es Ihnen mit nur ganz wenigen illustren Beispielen, einzelnen Beispielen, die aber hunderttausendfache Wirkungen in Europa haben:
Artikel 8 EMRK, wir kennen ihn alle, das Recht auf Privat- und Familienleben, gedacht in der Europäischen Menschenrechtskonvention in den Fünfzigerjahren, aber nach wie vor, als Schutz vor Zugriffen des Staates auf das Privatleben, das Familienleben, das Hausrecht, schützt vor willkürlichen Kindesabnahmen, vor Hausdurchsuchungen. Was macht eine Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in den letzten, ich sage einmal, zwei Jahrzehnten daraus?
Ein Beispiel: Ein nigerianischer Staatsbürger begeht in Großbritannien, in seinem Aufnahmeland, eine Reihe von schweren Verbrechen. Er ist viele Jahre in England im Gefängnis, anschließend möchte ihn Großbritannien abschieben, natürlich. Wer verbietet das Großbritannien? – Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, weil der nigerianische Staatsbürger in Nigeria, in seinem Herkunftsland kein Privat- und Familienleben mehr hat. Er ist eben viele Jahre in England im Gefängnis gesessen. Er ist in seinem Recht auf Privat- und Familienleben verletzt. Er bleibt in England, weil er da jetzt Anschluss gefunden hat. Das heißt, sein privates Interesse wiegt mehr als das öffentliche Interesse Englands, als das Selbstbestimmungsrecht des Mitgliedstaates des Europarates. – Es sind Judikate wie diese, die das Vertrauen in diese Institution erschüttern.
Auch ein somalischer verurteilter Terrorist konnte sich auf sein Privat- und Familienleben hier in Europa berufen, wurde nicht abgeschoben, außerdem weil er krank war und weil ihm in Somalia keine gleichwertige medizinische Behandlung gewährleistet werden konnte.
Das ist eine degenerierte Rechtsprechung. Da entwickelte der Europarat neue Rechte, welche ihm von den Mitgliedstaaten niemals gegeben wurden. Es ist vom Wortlaut der EMRK nicht gedeckt. Da wird der Europäische Gerichtshof zum Gesetzgeber, was ihm nicht zusteht. Diese Regelungen stehen den nationalen Parlamenten zu, da werden die nationalen Verfassungen untergraben. Das steht dem Europarat aber nicht zu; wie gesagt: Er ist eine zwischenstaatliche Organisation, keine supranationale Organisation.
Der letzte Streich ist das Klimaschutzurteil gegen die Schweiz, das Sie, glaube ich, auch angesprochen haben. Da wird ein paar älteren Damen eingeredet, sie würden länger leben, wenn es in der Schweiz weniger heiße Tage gäbe. Das müsse man über eine Reduktion der CO2-Emissionen erreichen. Sie bekommen tatsächlich recht, dass die Schweiz da zu wenig gemacht hat! Die Schweiz macht – nur um auch ein bisschen auf die Logik und die Rationalität Bezug zu nehmen – ungefähr 0,1 oder 0,2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus. Der EGMR hat aber die Schweiz tatsächlich verurteilt, weil sie im Klimaschutz zu wenig macht, und ein individuelles Recht abgeleitet, welches in der Europäischen Menschenrechtskonvention keine Grundlage findet und auch sonst keine rechtliche Grundlage hat. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Ich hoffe, dass Sie vielleicht darauf einwirken können, dass da wieder eine Trendumkehr stattfindet, denn das ist nicht am Boden der Rechtsstaatlichkeit, nicht am Boden der Demokratien – alles, wofür Sie als Europarat eigentlich stehen, ein so positives Organ eigentlich, das in den Fünfzigerjahren gegründet wurde und das man ja auch mit einem positiven Geist füllen könnte. So wird das Vertrauen aber zunichtegemacht.
Ich möchte Ihnen nach Straßburg mitgeben, dass der Europarat eben eine zwischenstaatliche Organisation ist, die für Frieden und Einigkeit eintritt, aber eben auch die Demokratien und die Souveränität der Mitgliedstaaten akzeptieren und respektieren muss. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
13.01
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.