13.22

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Agapité Theódore! Agapití Déspina! Lieber Indrek, einer der drei Kandidaten für die Funktion des künftigen Generalsekretärs des Europarates – nicht der Parlamentarischen Versammlung, sondern des gesamten Europarates –, mit dem einige von uns heute zu einem späteren Zeitpunkt noch die Möglichkeit haben werden, zu sprechen. Ich möchte aber auch den Pensionistenverband Ligist begrüßen, von dem 49 Leute heute hier anwesend sind und uns zuhören. Herzlich willkommen hier im österreichischen Parlament! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Belakowitsch und Krisper.)

Ja, 75 Jahre ist der Europarat alt und, wie wir gehört haben, nicht leise. In diesen 75 Jahren hat es ein Auf und Ab gegeben, und ich denke, momentan sind wir mit besonders vielen Herausforderungen konfrontiert – es ist erwähnt worden –: Wir haben Krieg in Europa. Wir haben aufgrund dessen auch sehr schnell Russland ausgeschlossen. Wir haben aber auch die Situation, dass Großbritan­nien oder die Tories in Großbritannien darüber nachdenken, die Konvention zu verlassen, weil sie mit Urteilen des Gerichtshofes nicht zufrieden sind. – Churchill würde sich im Grab umdrehen. – Wir haben ein Verfahren gegen Aserbaidschan wegen der Aktivitäten Aserbaidschans in Nagorny Karabach, seinen Menschen­rechtsverletzungen dort, aber auch seinen nachweislich unfairen Wahlen. Wir haben ein Ausschlussverfahren gegen die Türkei aufgrund dessen, dass, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zweimal geurteilt hat, dass Osman Kavala freigelassen werden muss, die Türkei dem nach wie vor nicht nachgekommen ist.

Jetzt ist es bei all dem, was ich aufzähle, aber keine Lösung von Multilatera­lismus, zu sagen: Raus, raus, raus – mit all jenen, die böse sind, all jenen, die nicht so tun, wie wir es gerne hätten, wollen wir nichts mehr zu tun haben! – Ganz im Gegenteil, der Auftrag ist, weiterhin an einem Tisch zu sitzen, weiterhin zu versuchen, Probleme zu lösen und diese möglichst friedlich zu lösen.

Weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angesprochen worden ist – und ich bin der Meinung, dass dieser wahrscheinlich eine unserer allerwich­tigsten Institutionen ist, die den Schutz der Menschenrechte für 700 Millionen Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa als letztinstanzliches Gericht garantiert –: Ich glaube auch, dass es wahrscheinlich eine unserer allerwichtigsten Aufgaben als Parlamentarische Versammlung des Europarates ist, die Richterinnen und Richter zu wählen und dabei darauf zu achten, dass das wirklich Personen sind, die einerseits Wissen haben, Know-how haben, die andererseits aber auch respektiert werden und auch wirklich entsprechende Autorität haben, damit diesen letztinstanzlichen Urteilen, die ja oft letztinstanz­liche nationalstaatliche Urteile aufheben, auch wirklich Autorität zuerkannt wird und diese in den Ländern auch wirklich anerkannt werden.

Du hast es erwähnt, Theódore, wir haben am Montag ein lange geplantes Treffen in Wien gehabt, bei dem wir versucht haben, die zwei Bodys, die zwei Einheiten, die mit dieser Wahl der Richter:innen befasst sind, zu synchronisieren, versucht haben, Meinungsverschiedenheiten darüber, wie man die Konvention in diesen Fragen der Qualifikation der Kandidat:innen interpretiert, zu synchroni­sieren. Ich glaube, das ist auch wirklich gelungen, und es freut mich sehr, dass das quasi als ein Wiener Treffen dazu in die Geschichte eingehen wird.

Bezüglich der Art und Weise, wie wir Richterinnen und Richter wählen, möchte ich dazusagen, dass wir da, verglichen mit anderen internationalen Gerichts­höfen, jetzt schon sehr vorbildlich sind, was Transparenz, was demokratische Beschlusslage, was Nichtpolitisierung dieser Verfahren betrifft. In dem Sinne, dass das Gute der Feind des Besseren ist, glaube ich aber, dass wir unsere Arbeit da noch weiter verbessern können und das auch tun. Es ist sehr fein, dass das gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Disoski.)

Um meine Rede mit Anmerkungen zum Thema Multilateralismus abzuschließen: Egal, ob es der Europarat ist, ob es die Europäische Union ist, ob es die Vereinten Nationen sind, wir sind nicht perfekt, all diese Strukturen sind nicht perfekt. Sie sind manchmal teuer, sie sind manchmal langsam, und sie schaffen es nicht immer, die Konflikte zu verhindern, die wir gerne verhindern wollen. Trotzdem ist es immer noch billiger und besser, zu versuchen, Konflikte am Tisch auszutragen, als dies auf dem Schlachtfeld zu tun, denn das ist jedenfalls das Teurere.

Sie sind außerdem die einzige Chance, die ich sehe, um globalen Herausforde­rungen zu begegnen, wie zum Beispiel der Gleichstellung der Geschlechter. Es freut mich zum Beispiel sehr, dass ich als damalige Vorsitzende des Gleich­be­handlungsausschusses sehr aktiv daran beteiligt war, dass wir jetzt in der Parlamentarischen Versammlung eine Quotenregelung haben und es innerhalb von zwei Jahren geschafft haben, von einem Drittel Frauen auf fast 50 Prozent Frauen in der Parlamentarischen Versammlung zu kommen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich glaube, es ist auch wichtig, dass sich die Bevölkerung Europas in der Parlamentarischen Versammlung widerspiegelt, aber es gibt natürlich auch noch andere Herausforderungen – die Klimakrise ist erwähnt worden, die künstliche Intelligenz. Wir werden die Ersten mit einer Konvention zur Frage künstliche Intelligenz und Menschenrechte sein. Das ist ein wirklich wichtiger Schritt, den der Europarat da macht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Um zum Abschluss zu kommen: Freiheit, Frieden und Demokratie hängen untrennbar zusammen. Und wenn Sie ein Europa wollen – jetzt komme ich vom großen Europa des Europarates zum kleineren EU-Europa –, das demokratisch legitimiert ist, dann bitte ich Sie alle, die zusehen, am 9. Juni wirklich zur Wahl zu gehen und Ihre Zukunft und Ihre Hoffnungen zu wählen – und nicht irgend­welche Ängste, die geschürt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.28

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Martin Graf. – Bitte.