14.34
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte ich die 3. Klasse der NMS Admont begrüßen, die hier bei uns ist: Herzlich willkommen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)
Für die jungen Menschen ist es gut, wenn sie sehen, dass wir uns auch mit den Problemen der Weltlage beschäftigen.
Der Einwand kam schon: Der Außen- und Europapolitische Bericht 2022 ist ein bisschen spät dran. Vielleicht haben Sie es deswegen unterlassen, Herr Bundesminister, ein Vorwort zu schreiben.
Die Probleme haben sich mittlerweile noch viel stärker zugespitzt. Wir haben mit dem brutalen Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die Ukraine am 24. Februar 2022 den Beginn gehabt. Wir mussten im Herbst 2023 leider eine Art ethnische Säuberung in Karabach hinnehmen, in deren Zuge 120 000 Menschen ihre seit Jahrhunderten – wahrscheinlich seit 1 000 Jahren – angestammte Heimat verlassen mussten.
An dieser Stelle sei nur angemerkt: Das Völkerrecht beantwortet nicht alles. Wir waren auch der Auffassung, es ist Teil Aserbaidschans, Aserbaidschan habe quasi das Recht, diese Region zurückzuerobern. Da merkt man aber schon, das fühlt sich nicht ganz richtig an.
Dann hatten wir diesen furchtbaren, barbarischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres, der eine Reaktion der Selbstverteidigung Israels ausgelöst hat, was uns jetzt seit mittlerweile bald sechs Monaten beschäftigt. – Welchen Kompass nehmen wir dann, meine Damen und Herren?
Präsident Rousopoulos hat uns ja darauf hingewiesen, er hat es zweimal wiederholt: An oberster Stelle muss die Würde stehen – aber das ist die Würde des Menschen und nicht von Staaten, auch nicht nur von einzelnen Gruppen. Wir müssen als oberste Maxime die UN-Charta der Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention nehmen – dann kommt das Völkerrecht und dann kommen andere Dinge. Wenn wir diesen Grundsatz einhalten, können wir immer einen Maßstab anlegen, wie wir vorgehen.
Kollege Engelberg, ich verstehe die Betroffenheit, und wir haben die Fürchterlichkeit dieses Massakers erlebt, aber wir werden immer den gleichen Maßstab anzulegen haben – immer. Es macht wenig Sinn, die wenigen Institutionen, die wir haben, schlechtzumachen – die Vereinten Nationen, den Generalsekretär, den Internationalen Gerichtshof –, das macht keinen Sinn. Da werden noch mehr junge Menschen kommen, und da wird es auch nicht helfen, wenn Sie sie als professionelle Unruhestifter bezeichnen, damit werden wir keinen Dialog zusammenbringen. Das geht doch nur – und ich appelliere daran, weil das auch berührend ist – mit Verständigung.
Wir hatten zum Beispiel die Rede von Omri Boehm in Wien, der, vom Humanismus geprägt, uns wenigstens versucht zu sagen: Wie könnte das ausschauen, dass dort Menschen hoffentlich in einer Generation ohne Sprengstoffgürtel, Macheten und anderem miteinander leben können, getragen von einer Menschenliebe? – Und da muss ich nicht, selbst wenn es Freunde von mir sind, von denen hören: Wenn ich jünger wäre, täte ich Eier werfen! – Das ist keine Antwort darauf, sondern man muss sich mit der Idee auseinandersetzen.
Sie, Herr Kollege Engelberg, sagen, wir sollen keine Zweistaatenlösung machen. Ja warum hört man dann nicht Menschen wie Omri Boehm zu, der sagt: Warum macht man nicht einen demokratischen Rechtsstaat, der ein Zusammenleben ermöglicht? Vielleicht ist dann die Chance vorhanden, dass die Zehn-, Neun-, Achtjährigen, die jetzt in Gaza überlebt haben, nicht jene sind, die fünf Jahre später einen Bus in die Luft sprengen.
Das ist eine Aufgabe, zu der wir als Österreicher einen Beitrag leisten können: eine aktive Neutralitätspolitik, die eine Friedenspolitik ist. Das ist das, was wir wollen. (Beifall bei der SPÖ.)
Kollege Brandstätter redet von der Verteidigung. – Ja, aber nicht als Österreich! Wir werden mit unserem Bundesheer – Frau Tanner und alle Offiziere, bitte um Entschuldigung! – niemandem Angst einjagen, nicht einmal einem, der etwas Böswilliges mit uns vorhat. Unsere Chance ist der Dialog, unsere Chance ist, die Menschenrechte aktiv zu vertreten, und unsere Chance ist, ehrliche Makler zu sein.
Ehrlich heißt aber auch, unseren Freunden, wenn etwas falsch gemacht wird, zu sagen: Das habt ihr falsch gemacht. Deswegen bin ich so dankbar für den Europarat, bin ich so dankbar für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und wir werden dafür sorgen, dass in diesem Land wieder eine aktive Neutralitätspolitik betrieben wird, die ein Ziel hat: Frieden und Freiheit für die Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)
Das geht auch nicht mit Kapitulation der Ukraine, das wissen wir schon, aber am Ende muss eine lebenswerte Welt stehen. Nur zu kapitulieren ist keine Freiheit und daher ungeeignet, keine Frage, daher: Solidarität mit der Ukraine, weil sie die Überfallenen sind.
Abschließend zur Neutralitätspolitik der FPÖ: Bitte lest einmal nach, was im Neutralitätsgesetz drinnen steht, und schaut euch auch den Artikel 23j der Bundesverfassung an, in dem steht, wie wir unsere Solidarität mit der Europäischen Union zu leben haben. Der Ministerin Verfassungsbruch vorzuwerfen und selbst nicht einmal einen Blick in die Verfassung zu machen, um zu wissen, was es heißt, die Petersberger Beschlüsse der Union zu verfolgen, ist schon in sich ein bisschen kurios – das auch an Kollegin Steger gerichtet. – Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)
14.40
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi. – Bitte.