15.31
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Der Antrag selber wird von uns auch angenommen, ihm wird zugestimmt. Er ist keine weltbewegende Geschichte, aber es ist eine gute Gelegenheit, heute auch wieder einmal über Südtirol und all das, was Südtirol von diesem Hohen Haus nicht bekommen hat, zu sprechen.
Wir als Freiheitliche kämpfen seit Jahrzehnten für Südtirol. Leider Gottes geht in dieser Angelegenheit nichts weiter. Man hat heute Vormittag sehr viel Verständnis von diesen Parteien hier im Hohen Haus zu allen internationalen Angelegenheiten gehört, aber das Thema Südtirol, das uns selber als Österreich betrifft, schiebt man lieber zur Seite.
Dieses Selbstbestimmungsrecht, das Sie offensichtlich jedem garantieren wollen und für das Sie auch bereit sind, militärisch einzugreifen oder Geld zu geben, hat man Südtirol nie gewährt, bis heute nicht.
Südtirol ist von Österreich mehr oder weniger kriegerisch abgetrennt worden. Gott sei Dank hat es damals auch Freiheitskämpfer gegeben, die man heute aber auch nicht mehr erwähnen will. Auch die Begnadigung der Südtiroler Freiheitskämpfer steht nach wie vor aus. Der Minister hat das auch nicht zusammengebracht. Das schiebt man zur Seite, weil es offensichtlich ein bisschen peinlich ist. Sonst, bei anderen Ländern dieser Welt, ist man plötzlich für Selbstverteidigung offen, aber die Südtiroler Freiheitskämpfer (Ruf bei den Grünen: Terroristen!) werden unter den Tisch gekehrt, die eigene Geschichte will man nicht wahrhaben.
Auch die Schutzmachtfunktion Österreichs ist nach und nach verloren gegangen. Es ist jetzt sogar so weit, dass die Südtiroler, und zwar auch sogar die Kollegen der ÖVP, die von der SVP in Südtirol, euch von der ÖVP und den Minister auffordern, diese Schutzmachtfunktion bitte wieder aktiv einzubringen. (Heiterkeit des Abg. Schellhorn.)
Zur Sozialdemokratie: Man muss ja sagen, es hat ganz tolle Sozialdemokraten, wie einen Bruno Kreisky, gegeben. Da ist ja bei der Sozialdemokratie nichts mehr von diesem Verständnis, das ein Kreisky als Sozialdemokrat für Südtirol und die Geschichte Österreichs gehabt hat, übrig geblieben. Das heißt, da ist ganz, ganz viel verschwunden.
Auch diese berühmte Autonomie, von der Sie immer reden, die wie gesagt in erster Linie durch einen zivilen Widerstand der Bevölkerung in Südtirol erreicht wurde, hat sich sukzessive um die Hälfte reduziert. Auch da will die Südtiroler Bevölkerung unsere Hilfestellung, dass wir hier im Parlament diese Autonomierechte wieder in Kraft setzen. Das können Sie alles nachlesen. (Abg. Schellhorn: Wo?)
Was wir seit Jahren fordern, ist die Doppelstaatsbürgerschaftsmöglichkeit für Südtiroler. Wir haben sie den Nachkommen der israelischen Gemeinde in Österreich natürlich ermöglicht, aber den Südtirolern haben wir sie nicht ermöglicht (Zwischenruf der Abg. Blimlinger), weil Sie Angst davor haben, dass vielleicht doch wesentlich mehr Südtiroler diese Doppelstaatsbürgerschaft in Anspruch nehmen, als Sie selber glauben. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Blimlinger.)
Es gibt einige kleinere Dinge, die man noch weiterbringen sollte. Ein Thema betrifft zum Beispiel die Schützen. Es ist nach wie vor nicht möglich, als Nordtiroler Schütze mit der Waffe nach Südtirol zu fahren. Auch diese Kleinigkeit scheitert am Widerstand - - (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen.) – Ja, Sie lachen darüber. Dass Sie das nicht verstehen, ist mir schon klar. Bei der ÖVP sollte es aber ein paar geben, die das Traditionswesen in Tirol noch verstehen und unterstützen. Wir verstehen es, wir unterstützen es und werden das auch weiterhin machen.
Wie gesagt: In diesem Südtirolausschuss ist in den letzten Jahren überhaupt nichts Konkretes zum Schutz der Südtiroler passiert. Man will das eben nicht wirklich öffentlich groß breittreten. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)
Was mich emotional jetzt seit vielen, vielen Jahren wirklich erschüttert – und ich habe es Minister Schallenberg persönlich gesagt; ich habe es auch Kanzler Nehammer und anderen, auch dem Innenminister, gesagt –, ist die Geschichte mit Frau Orian. Sie sollte mittlerweile jedem hier im Haus bekannt sein: eine 105-jährige Altösterreicherin, die den letzten Herzenswunsch hat, als österreichische Staatsbürgerin zu sterben und begraben zu werden.
Ich glaube, seit fünf Jahren kämpfen einige Personen in Südtirol und in Nordtirol dafür. Wir haben den Bundeskanzler, den Außenminister auf Knien darum gebeten. Man wird hin- und hergeschickt. Man will einfach, dass diese Frau stirbt, bevor Sie es entscheiden müssen.
Ich finde – und das sage ich Ihnen ganz deutlich, Herr Minister, auch heute noch einmal hier im Plenum –, Sie selbst in Ihrer Geschichte sollten sich wirklich in Grund und Boden genieren, wenn Sie es nicht zusammenbringen, einer anständigen Frau von 105 Jahren ihren letzten Lebenswunsch zu erfüllen.
Ich brauche Ihnen nicht die Beispiele aufzuzählen, wer aller in Österreich eine Doppelstaatsbürgerschaft bekommen hat. Es gibt auch einige mit Russlandbezug, das scheint keinen zu stören, aber eine Altösterreicherin, die als Katakombenlehrerin auch für Südtirol extrem viel getan hat, lässt man im Regen stehen. Ich finde das schlichtweg unter jeder Kritik, um nicht zu sagen, was ich nicht sagen darf.
Also ich geniere mich in Wahrheit wirklich für diese Bundesregierung. Ich geniere mich auch, Herr Minister, für Sie. Es wäre ein Leichtes gewesen, das im Ministerrat durchzubringen, dann bräuchte man nicht fünf Jahre darüber zu diskutieren. Es ist eine Schande für Österreich!
Ich versuche es noch einmal hier im Plenum. Ich bringe einen Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Hermine Orian“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, der letzten Katakombenlehrerin Südtirols und Tiroler-Freiheitskämpferin Hermine Orian ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen und ihr die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen.“
*****
Ich hoffe, Sie, liebe Kollegen von allen Fraktionen, haben so viel Emotion und so viel Herz, da zuzustimmen.
Das, glaube ich, müssen Sie mit Ihrem eigenen Gewissen ausmachen, ob Sie dieser 105-jährigen Frau wirklich allen Ernstes diese Doppelstaatsbürgerschaftsmöglichkeit verwehren wollen. Das ist eine Gewissensfrage, die Sie selber entscheiden können.
Als Erinnerung – ich glaube, viele haben es vergessen –: Sie alle hier sind – ich auch – nämlich nur darauf angelobt, nach dem eigenen Gewissen zu entscheiden. Sie müssen nur Ihrem Gewissen folgen. (Abg. Hörl: Habt ihr überhaupt eines?) Deshalb bitte ich Sie letztmalig, bevor die Frau gestorben ist, ihr diesen Herzenswunsch bitte zu erfüllen. Ich bitte um breite Zustimmung, damit diese Frau endlich ihren Herzenswunsch erfüllt bekommt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
15.37
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Hermine Orian
eingebracht in der 262. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 15. Mai 2024 im Zuge der Debatte zu TOP 3, Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 4000/A(E) der Abgeordneten Hermann Gahr, Mag. Selma Yildirim, Peter Wurm, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend gegenseitige Anerkennung von Fachhochschulabschlüssen zwischen Österreich und Italien zur weiteren Erleichterung für Studierende (2537 d.B.)
Hermine Orian ist eine verdiente Tirolerin und Österreicherin, die dem Faschismus getrotzt und unter großem persönlichem Risiko dazu beigetragen hat, die deutsche Sprache und Kultur im südlichen Tirol zu erhalten. Ihr ganzes Leben hat Frau Orian – als Österreicherin geboren und mittlerweile 105 Jahre alt – dem Kampf für die Rechte der Südtiroler sowie dem Erhalt der kulturellen Identität Südtirols gewidmet. Als eine der letzten Überlebenden und Zeugin des Südtiroler Freiheitskampfes ist ihr Engagement und ihre Entschlossenheit für die Sache bemerkenswert. Ihr Antrag auf die österreichische Staatsbürgerschaft erfolgte aus tief verwurzelter Verbundenheit zu Österreich und hätte als Anerkennung für ihre jahrzehntelange Unterstützung der Südtiroler Autonomiebewegung gewährt werden sollen. Denn die letzte Katakombenlehrerin Südtirols hat nur noch einen frommen Wunsch:
Ich wurde als Österreicherin geboren und will als Österreicherin sterben.
Obwohl dieser Antrag schon vor langer Zeit gestellt wurde, hat die schwarz-grüne Bundesregierung es versäumt, angemessen zu reagieren. Vielmehr steht die bisherige Nicht-Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Frau Orian sinnbildlich für die langanhaltende Untätigkeit der schwarz-grünen Bundesregierung, wenn es um die Anliegen und Bedürfnisse der Südtiroler Bevölkerung geht. Die „Kronen Zeitung“ hält hierzu fest:
Die Republik Österreich versagt wieder einmal als Schutzmacht von Südtirol. Der österreichische Pass für eine 105-jährige Katakombenlehrerin rückt in weite Ferne, der Politik fehlt der Wille. Aber rechtlich sei vieles möglich. […] Die Verfassung sieht die Verleihung der Staatsbürgerschaft auch vor, wenn die Bundesregierung bestätigt, dass die Verleihung wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik Österreich liegt.1
Während andere Personen, wie beispielsweise ein 35-jähriger Fußballer, unter diesen Voraussetzungen kinderleicht die Staatsbürgerschaft erworben haben, blockiert die schwarz-grüne Bundesregierung den sehnlichsten Wunsch einer gebürtigen Österreicherin und Tiroler-Freiheitskämpferin.
Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung handelt und zeigt, dass sie die Verdienste einer außergewöhnlichen Südtirolerin zu schätzen weiß – und ihr mit gebotener Wertschätzung die österreichische Staatsbürgerschaft verleiht.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, der letzten Katakombenlehrerin Südtirols und Tiroler-Freiheitskämpferin Hermine Orian ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen und ihr die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen.“
1 https://www.krone.at/3371088
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Angelobt sind wir auf unsere Verfassung, nicht auf das Gewissen – das will ich einmal klarstellen. (Abg. Wurm: Und Gewissen! Und Gewissen, Herr Präsident! Verfassung und Gewissen! – Abg. Michael Hammer: Das ist aber bei euch überhaupt nicht vorhanden!)
Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung, wenngleich wir – auch in Abstimmung mit Kollegin Bures – das auch in der Präsidiale diskutieren, weil der Zusammenhang ja kaum noch herstellbar ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Als Nächster ist Abgeordneter Weratschnig zu Wort gemeldet. – Bitte.