19.25

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! (Abg. Hörl: Vergiss nicht, dass ihr dafür seid!) Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Wir erleben seit Jahren eine Digitalisierungsoffensive. Wir hatten ja bis vor Kurzem sogar einen eigenen Digitalisierungsstaatssekretär, den, glaube ich, die meisten eh schon vergessen haben.

Auf der anderen Seite erleben wir aber einen Bürokratiewahnsinn, der eigentlich jedes Jahr zunimmt. Eine Erleichterung wie angekündigt für die Betriebe, aber auch für die Bürger findet in Wahrheit nicht statt, sondern ganz im Gegenteil, man kommt als Bürger und Unternehmer eigentlich in immer mehr Aufgaben­stellungen hinein.

Da wir jetzt Minister Kocher hier haben, der sich ja bei der Nationalbank als Gouverneur beworben hat, sollte man vielleicht in diesem Zusammenhang das Thema digital-analog noch einmal ausführlich diskutieren. Sie wissen es: Wir als Freiheitliche stehen auf dem Standpunkt, dass wir sowohl als Bürger als auch als Unternehmer durchaus das Recht auf ein analoges Leben haben sollten. Dieses Recht wird im Prinzip von Jahr zu Jahr kleiner und kleiner und kleiner, und am Ende des Tages werden wir dort landen – wie man in China schon sieht –, dass man eigentlich nur mehr ein QR-Code, eine Nummer ist und der jeweilige Staatschef dann dementsprechend die Bürger durch Knopfdruck ein- und abschalten kann.

Weil wir Minister Kocher hier haben, der eben wie gesagt Gouverneur der Natio­nalbank werden will, sollte man vielleicht auch über den digitalen Euro sprechen, der im Allgemeingebrauch noch nicht bei jedem angekommen ist – bei den Bürgern nicht, aber vielleicht auch im Nationalrat nicht bei allen Kollegen. (Ruf bei der ÖVP: Weil es den nicht gibt!)

Vielleicht zur Erinnerung: Ende 2027 – und das ist relativ bald, Kolleginnen und Kollegen, in drei Jahren – werden wir den digitalen Euro haben, in den sowohl die Betriebe als selbstverständlich auch alle Bürger hineingezwungen werden. Wir warnen jetzt schon seit Jahren vor der Entwicklung, dass wir uns hier in Österreich immer weiter davon entfernen, freie Bürger zu sein. Wir werden immer mehr zu gläsernen Konsumenten. Damit gehen die Freiheit und auch das liberale, demokratische Leben zugrunde. Offensichtlich sind es nur wir Frei­heit­liche, die das wie gesagt seit Jahren entsprechend thematisieren. (Abg. Michael Hammer: Vorsicht, der Lampenschirm fällt herunter!)

Es poppt dann immer wieder vonseiten der ÖVP auf. Ich meine, auch Bundes­kanzler Nehammer, wer sich erinnert, hat letztes Jahr im Herbst gesagt, dass es eine Bargeld-Taskforce gibt. – Die ist bis heute niemals zusammengetreten, man hört auch nichts mehr darüber. (Abg. Michael Hammer: Das Bargeld in der Sport­tasche im Auto, da seids Experten! Bis nach Wien werden die Bargelder geführt! – Abg. Lindinger: Der Gagenkaiser!)

Dann ist interessant: Auch die Sozialdemokratie mit Babler hat plötzlich dieses Thema entdeckt, dass da eben sehr, sehr viele durch den Rost fallen. Ältere Menschen fallen da aus dem Leben heraus, aber auch sonstige soziale Schichten, die vielleicht mit der digitalen Welt nicht mitkönnen.

Wir haben jetzt schon unzählige Anträge zu diesem Thema eingebracht, ähnlich wie heute am Vormittag. Es gibt halt die vier Systemparteien – ÖVP, SPÖ, Grüne, NEOS, das ist halt so –, die sich bei diesem Thema einhängen, und dann gibt es die Freiheitlichen, die als Einzige noch für die Bürger, für Freiheit und Demokratie stehen. (Abg. Hörl: Ah geh!) Wir werden diesen Kampf auch nicht aufgeben. (Abg. Loacker: ... Geschirr noch mit der Hand ab!) Wir werden weiter­kämpfen, um eben – ich sage das ganz deutlich – den Bürgern in Österreich auch ein analoges Leben auf allen Ebenen zu ermöglichen – ein analoges Leben. Dazu gehört selbstverständlich das Recht auf Bargeldverwendung, Herr zukünftiger Gouverneur der Nationalbank. (Abg. Michael Hammer: Ihr habts eh ein analoges Leben, null und eins, mehr habts nicht! – Abg. Litschauer: ... habts in Niederösterreich die Heizkesselförderung abgeschafft!)

Dazu gehört aber auch, Kolleginnen und Kollegen, dass ich den Handwerker­bonus analog erledigen darf. Dazu gehört auch, dass ich auch als Pensionist vielleicht noch einen Ansprechpartner in der Bank habe und mich nicht selber zum Terminal stellen und die Arbeit der Bank erledigen muss.

Da gibt es also ganz, ganz viele Dinge, die sich im täglichen Leben (Abg. Schallmeiner: ... Fünfziger!) – wer nachdenkt, wird draufkommen – in eine Richtung entwickeln: Ich sage bewusst: Richtung China. (Abg. Michael Hammer: Das sind eh eure Freunde, von der AfD und von euch, die Chinesen!) In letzter Konsequenz geht es darum – das hört keiner gerne, ich setze mir gerne den Aluhut auf –, die Bürger digital zu überwachen (Abg. Michael Hammer: Zu dem habts eh eure Spione!), zu kontrollieren und dementsprechend auch in ihr persönliches Leben einzugreifen.

Deshalb bringe ich abschließend einen sehr, sehr wichtigen Entschließungs­antrag ein (Abg. Michael Hammer: Hat den der Ott geschrieben, der Egisto?), wieder einmal die Nagelprobe für die vier Parteien – für diese Einheitspartei –, die Systemparteien, ob sie erkannt haben, dass es für die Bürger in Österreich in eine negative Richtung geht. Das ist ein Antrag, mit dem wir in eine positive Richtung gehen könnten, also bin ich gespannt, wer da mitgehen kann.

Ich darf den Entschließungsantrag vorlesen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Inhalte umfasst:

- Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe für die Bürger an allen Dienstleistungen der Verwaltung, Justiz und der Daseinsvorsorge ohne technische und kommunikative Barrieren

- Analoge und digitale Manuduktionspflicht bei der Inanspruchnahme und Teilhabe an allen Dienstleistungen der Verwaltung, Justiz und der Daseins­vorsorge ohne technische und kommunikative Barrieren mit Gültigkeit für Gebietskörperschaften bzw. ausgegliederte Organisationseinheiten und einschlägige Unternehmen

- Analoges und digitales Interventionsrecht für Eingaben, Anträge sowie Rechtsmittel für die Bürger

- Bankgebührenbefreiung für den gesamten Zahlungsverkehr mit Verwaltung und Justiz für die Bürger“

*****

Wir fordern seit vielen, vielen Jahren – und es wird von Jahr zu Jahr dringender – ein Recht für uns Österreicherinnen und Österreicher auf ein analoges Leben – wer es will. Wer sich digital selbst in diese Geschichte hineinmanövrieren will, kann das gerne machen. Ich als Bürger sage Ihnen, ich möchte ein Recht auf ein analoges Leben haben, ohne auf eine Nummer oder einen QR-Code reduziert zu werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

19.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 9.) Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (2510 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden (Grace-Period – Gesetz) (2543 d.B.) in der 262. Sitzung des Nationalrats am 15. Mai 2024.

Immer wieder kommt es zu Verwaltungsvereinfachungen bzw. zur Adaptierung bestehender Bundesnormen. Dies sollte aber keine Einbahnstraße in Richtung Digitalisierung sein, die auf Rechtsstaatlichkeit, Bürgernähe und Unmittelbarkeit des Verwaltungshandelns keine Rücksicht mehr nimmt.

Aktuell wird die Digitalisierung in der österreichischen Verwaltung und im Zugang zu öffentlichen Leistungen und Förderungen als die allein selig machende Innovation und als das einzig adäquate Mittel eines effizienten Staatswesens der Gegenwart und Zukunft dargestellt.

Die Schlagwortkombinationen sind:

• Digitalisierung der Gesellschaft

• Digitalisierung der Verwaltung

• Digitalisierung der Wirtschaft

Damit scheint für den Verwaltungsstaat alles gesagt und erledigt. Dass hier Unmittelbarkeit und Bürgernahe und damit auch der Zugang zum Rechtsstaat für die Bürger als Normadressaten vielfach auf der Strecke bleiben, blenden die Propagandisten von „E-Governement“ auf ihrer technologiegetriebenen gesellschaftspolitischen Einbahnstraße aus.

Der Zugang zum Rechtstaat und die Möglichkeit, Sozialleistungen und Wirtschafts­förderungen oder Genehmigungen der Verwaltung auch analog und persönlich in Anspruch zu nehmen, werden immer weiter zurückgedrängt. Die Rechts- und Hilfesuchenden werden auf anonyme Internetangebote und nur mehr telefonisch oder per E-Mail erreichbare Service-Auskunftsstellen verwiesen.

Darunter leidet die Qualität der Beziehung der Bürger zu ihrem Staat und dessen Dienstleistungen. Ähnliches gilt für die Angebote der Daseinsvorsorge und weiterer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Grundbedürfnisse.

Die Konsequenz ist eine fortgesetzte Entfremdung der Bürger und eine Ausgrenzung all jener, die durch ihr Alter oder ihren gesundheitlichen Zustand sich mit den digitalen Zugängen bei der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse immer schwerer tun.

Was es jetzt braucht, ist die Formulierung und die Durchsetzung des Rechts auf die Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und an der Daseinsvorsorge. Dazu bedarf es einer Garantie des Staates, dass der einzelne auch unabhängig von Besitz und Gebrauch elektronischer Gerätschaften sein Recht auf den Zugang zu allen Verwaltungsdienstleistungen wie Sozialleistungen und Wirtschaftsförderungen sowie Genehmigungen der Verwaltung hat, der unmittelbare Zugang zur Justiz und damit dem Rechtsstaat garantiert wird und die Angebote der Daseinsvorsorge ebenfalls für alle direkt verfügbar sind.

Daseinsvorsorge als dritte Säule neben Verwaltung und Justiz

Um zu erläutern, wie wichtig auch der Zugang zur Daseinsvorsorge für die Bürger ist, sollen hier einige Punkte erläutert werden. Die Daseinsvorsorge umfasst die Bereitstellung und die Sicherung des allgemeinen und diskriminierungsfreien Zugangs zu existentiellen Gütern und Leistungen für alle Bürger auf der Grundlage definierter qualitativer und quantitativer Standards. Welche Güter und Leistungen als existentiell notwendig anzusehen sind, ist durch demokratische Entscheidungen in einem modernen Sozial-, Verwaltungs- und Wirtschaftsstaat festzulegen und weiterzuentwickeln.

In einen allgemeinen Kanon dieser existentiellen Leistungen gehören für uns aktuell:

• Abwasserentsorgung/Wasserversorgung,

• Bildung,

• Brand- und Katastrophenschutz incl. Rettungswesen,

• Elektrizitätsversorgung,

• Friedhöfe/Krematorien,

• Gasversorgung,

• Geld- und Kreditversorgung,

• Gewerbliche und hoheitliche Entsorgung/Kreislaufwirtschaft,

• Gesundheit (Krankenhäuser, ambulante Versorgung, Vor- und Nachsorge, Pflege, permanente Verfügbarkeit von lebenswichtigen Produkten wie Arzneimittel und Medizinprodukte für den Seuchen- und Katastrophenschutz, intensivmedizinische Ausrüstungen usw. auch unter extremen Umständen wie denen einer Pandemie),

• Kultur,

• Öffentliche Sicherheit

• Justiz,

• Post,

• Straßenreinigung,

• Telekommunikation/Internet,

• Verkehrs- und Beförderungswesen (Schienen, Straßen, Wasserstraßen, Luftverkehr),

• Wohnungswirtschaft.

Diese Aufzählung ist nicht abschließend und kann nach Maßgabe der jeweiligen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen und des Lagebilds ergänzt werden.

Manuduktionspflicht als zentrale Grundlage

Um das Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge zu garantieren, müssen für die Umsetzung gegenüber den Bürgern zentrale Grundlagen geschaffen werden. Eine dieser Grund­lagen ist die Manuduktionspflicht.

Als Manuduktionspflicht definiert man die gesetzlich angeordnete Informations-, Anleitungs-, Belehrungs- und Aufklärungspflicht eines Betroffenen über seine Rechte. Diese Manuduktionspflicht kann sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrecht­liche Einrichtungen und dort tätige Organwalter treffen. Sie hängt unmittelbar mit dem Recht des Betroffenen auf Information und Transparenz zusammen.

Mit der rechtlichen Verpflichtung von staatlichen Behörden und Unternehmen der Daseinsvorsorge zur Manuduktion soll jedem von einer Maßnahme betroffenen und in der Hierarchie der Über- und Unterordnung als schützenswert qualifizierten Rechtssubjekt die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Rechte und Pflichten zu wahren. Auf dieser Grundlage soll die eigenen Rechtsposition eingeschätzt werden, um dann auch entsprechend zu reagieren.

Im Gegensatz zur Informationspflicht ist die Manuduktionspflicht weitaus umfang­reicher und bedeutet für öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Einrichtungen und dort tätige Organwalter eine entsprechend qualifizierte Reaktion auf die vorgebrachten Anliegen.

Diese Manuduktionspflicht muss in einem modernen Sozial-, Verwaltungs- und Wirtschaftsstaat von allen Gebietskörperschaften und Einrichtungen der Daseinsversorgung angeboten werden – und zwar sowohl analog wie digital.

Interventionsrecht als weitere zentrale Grundlage

Mit der Manuduktionspflicht korrespondiert untrennbar das Interventionsrecht für die Bürger. Jeder Bürger muss die Möglichkeit erhalten, sich nicht nur unmittelbar und persönlich analog über seine Rechte und Pflichten bei allen Gebietskörper­schaften und Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu informieren, sondern auf dieser Grundlage auch unmittelbar und persönlich zu intervenieren, d.h. seine Eingaben, Anträge, Rechtsmittel usw. physisch vorzulegen.

Bankgebührenbefreiung für alle Zahlungen an den Verwaltungsstaat

Der Rechtsverkehr mit den Behörden darf nicht an sozialen und finanziellen Hürden scheitern. Deshalb muss für den Zahlungsverkehr mit Justiz und Verwaltung eine gesetzliche Bankgebührenbefreiung eingeführt und umgesetzt werden. Das bedeutet eine Bankgebührenbefreiung für den gesamten Zahlungsverkehr mit Verwaltung und Justiz für die Bürger.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Inhalte umfasst:

• Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe für die Bürger an allen Dienstleistungen der Verwaltung, Justiz und der Daseinsvorsorge ohne technische und kommunikative Barrieren

• Analoge und digitale Manuduktionspflicht bei der Inanspruchnahme und Teilhabe an allen Dienstleistungen der Verwaltung, Justiz und der Daseinsvorsorge ohne technische und kommunikative Barrieren mit Gültigkeit für Gebietskörperschaften bzw. ausgegliederte Organisationseinheiten und einschlägige Unternehmen

• Analoges und digitales Interventionsrecht für Eingaben, Anträge sowie Rechtsmittel für die Bürger

• Bankgebührenbefreiung für den gesamten Zahlungsverkehr mit Verwaltung und Justiz für die Bürger“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Michael Bernhard, zum Behufe des Einbringens eines Antrages, nehme ich an. – Bitte.