Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Ministerin! Wir haben gestern hier im Plenum schon ausführlich darüber diskutiert, dass spätestens seit dem vollumfänglichen Angriff Russlands auf die Ukraine auch unsere euro­päische Sicherheitsinfrastruktur ins Wanken gekommen ist. Wir haben auch im Außenpolitischen Ausschuss über die Frage diskutiert, was vor allem auch die neutralen Staaten machen können, und es wurde jetzt dieses Papier zwischen der Schweiz, Irland, Malta, Österreich und den Nato Western European Partners unterzeichnet. Mich würde interessieren: Welchen Bindungsgrad hat dieses Papier sowohl für die Nato als auch für Österreich?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 352/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welchen Bindungsgrad hat das mit der Schweiz, Irland und Malta unterzeichnete Papier zu den NATO Western European Partners für Österreich und die NATO?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich denke, dass wir nicht oft genug betonen können, welche wichtigen Aufgaben im Rah­men der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gerade auch die mi­litärisch neutralen Staaten erfüllen. Wenn man sich sowohl quantitativ als auch qualitativ den Einsatz der österreichischen Soldatinnen und Soldaten in den einzelnen Missionen ansieht, dann brauchen wir uns nicht zu verstecken. Ich habe die Zahl – bis zu 1 200 – vorhin auch bereits genannt. Das sind ganz wichtige Beiträge.

Wir sind ein glaubwürdiger Partner, wenn man das in Relation zu ande­ren Staaten setzt. Um da als Beispiel Deutschland herzunehmen: Die sind jetzt aus großen Missionen herausgegangen. Deutschland hatte immer eine Zahl von 5 000 Personen in den einzelnen friedenserhaltenden Missionen im Einsatz, und man sieht auch jetzt – an dieser Stelle herzliche Gratulation dem Nachfolger von General Brieger –, dass auch für die Nachfolge des höchsten Generals in der Europäischen Union ein Kandidat aus einem neutralen Staat – aus Irland – gewählt worden ist.

Was man nicht vergessen darf, ist, dass es manche Bedrohungen eben notwen­dig machen, sich enger zu verschränken. Und wenn wir an die notwendi­gen Missionen denken, wenn wir auf den Balkan schauen, wenn wir in den Ko­sovo schauen, wo eines unserer größten Kontingente ist – bei KFOR, das ist eine von der Nato geführte Mission –, so sehen wir: Wir sind mit der Nato bei friedenserhaltenden Missionen in der Partnerschaft für den Frieden seit dem Jahr 1995 auf einem guten Weg und leisten da wirklich relevante und wich­tige Beiträge.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Ein Teil der Vereinbarung ist auch ein erhöhter Informationsaustausch. Können Sie darauf eingehen, ob Sie schon einschätzen können, wie dieser erhöhte Informationsaustausch dann konkret aussehen wird?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja, ich glaube, es ist wichtig, sich enger zu verschränken. Wir haben ja auf der Ebene meines Ressorts im vergangenen Jahr auch mit Malta bereits begonnen, im Vorfeld der einzelnen Besprechungen, der einzelnen Treffen, auch der Verteidigungsminister, uns intensiv im Rahmen der militärisch neutralen Staaten abzugleichen. Das haben wir wie gesagt schon begonnen. Ich denke, das ist in Zeiten wie diesen notwendiger denn je, und das werden wir auch hinkünf­tig ebenso fortsetzen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Herr. – Bitte.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Auch meine Frage zielt auf den Brief, auf das Papier ab, das Österreich unter­zeichnet hat und an die Nato geschickt hat, bezüglich Zusammenarbeit. Davon haben wir Abgeordnete ja aus den Medien erfahren, das Parlament war da nicht eingebunden.

Deshalb meine Frage zum Entstehungsprozess dieses Briefes an die Nato: Fußt dieser auf irgendeiner Beschlusslage? Wenn ja, von wann ist dieser Be­schluss oder wer hat diesen Brief eigentlich beauftragt? Inwiefern waren Sie da eingebunden, inwiefern war Bundeskanzler Nehammer eingebunden? Und warum haben Sie den Nationalrat in so einer entscheidenden Frage nicht mitgenommen? – Und ein Halbsatz sei mir erlaubt: Wir stehen natürlich kritisch zu jeglicher Annäherung an ein Militärbündnis, weil wir die Neutralität Österreichs keinesfalls untergraben wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Da hast recht!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Das steht außer Frage, was Ihr zuletzt Angesproche­nes, den Zugang zur Neutralität, anbelangt. Ich glaube, diese Meinung teilen alle hier im Hohen Haus.

Ich habe es vorhin schon angesprochen: Die Zusammenarbeit zwischen Österreich und der Nato ist seit drei Jahrzehnten durch die Partnerschaft für den Frieden eine Realität. Und: Zusammengeschlossen hat sich in dem neu gebildeten politischen Format eine Wertegemeinschaft, wo es um Themen wie menschliche Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten geht, wo es um Frauen, Frieden und Sicherheit geht, um Klimaveränderungen und deren sicherheitsrelevante Auswirkungen. Das heißt, dass diese Gruppe der Neutralen als gemeinsames politisches Sprachrohr agiert, um aktuelle sicherheitsrelevante Themen und Herausforderungen mit und gegenüber der Nato auch zu kommunizieren.

Das heißt, da ist nicht wirklich etwas Neues mit dabei. Die individuelle Zusammenarbeit der einzelnen Nationen mit der Nato ist ja in den einzelnen Programmen, in den gesamtstaatlichen individuellen Zusammen­arbeitsprogrammen mit der Nato geregelt und bleibt selbstverständlich davon unberührt.

Und bitte, noch einmal: Es entsteht für Österreich keinerlei Verpflich­tung in irgendeiner Art und Weise. Im Gegenteil, für Österreich bietet sich die Möglichkeit, gemeinsam mit der Nato aktuelle Probleme und Herausforde­rungen zu behandeln.

Ich habe vorhin auch den Kosovo angesprochen. Das ist eine unserer wichtigs­ten und eine unserer größten Missionen. Wir wissen, dass gerade diese Region am Westbalkan alles andere als eine sichere und stabile ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Leider Gottes steht es nicht, wie Sie gesagt haben, außer Frage, dass Sie die Neutralität erhalten wollen, sondern Sie arbeiten offensichtlich immer ungenierter daran, die Neutralität tatsächlich abzuschaffen.

Ich muss Ihnen noch einmal sagen: Sie sind sowohl verfassungsrechtlich als auch völkerrechtlich dazu verpflichtet, neutral zu sein. Das ist nicht einfach irgend­etwas, das ist eine Staatszielbestimmung und damit auch ein direkter Handlungs­auftrag, dass Sie diese Neutralität glaubhaft leben und vermitteln. Sie tun aber seit mehr als zwei Jahren genau das Gegenteil – mit all Ihren Aussagen, mit all Ihren Aktionen, mit dieser Unterstützung der Sanktionspolitik.

Sie haben uns mitten in einen Wirtschaftskrieg hineingeführt; Sie schauen zu, wie es massenweise Waffentransporte quer durch Österreich gibt; Sie haben diesem Nato-Projekt Sky Shield zugestimmt; dieses Papier mit dem Wunsch einer verstärkten Zusammenarbeit ist jetzt offensichtlich der nächste Höhepunkt, und das Ganze machen Sie offensichtlich still und heimlich. (Abg. Baumgartner: Ist das eine Wortmeldung oder eine Frage?)

Daher will ich Sie noch einmal fragen, wie Sie auf die Idee kommen können, dass der Wunsch nach einer Annäherung an die Nato und einer verstärkten Zu­sammenarbeit mit der Nato mit unserer Neutralität vereinbar ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie kennen selbstverständlich unsere Verfassungs­bestimmungen, die Neutralität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das ist genau der Punkt, dem wir alle in der Vergangenheit wahrscheinlich nicht die richtige Aufmerksamkeit geschenkt haben. (Abg. Brandstätter: Genau!)

Wie hat es mit den Mitteln für das österreichische Bundesheer in der Vergangenheit ausgeschaut? (Abg. Wöginger: Ja, unter einem blauen Minister! Wie hat der geheißen: Kunasek?) Das war ja nicht nur bei uns so, das war ja auch in vielen anderen Staaten so. Wir waren es, die erstmals nicht nur für die notwendigen Mittel gesorgt haben, sondern auch mit einem konkreten Aufbauplan über die Legislaturperiode hinaus für unser Bundesheer gesorgt haben. (Beifall bei der ÖVP.) Damit kommen wir den Notwendigkeiten, wie sie die Verfassung vorgibt, nach, und denen müssen wir auch hin­künftig nachkommen, gerade wenn es um die Bedrohungen geht, die wir leider Gottes aus der Luft erleben müssen.

Ich sage Ihnen ganz offen, Frau Abgeordnete: Ich verstehe, dass sich auf der einen oder anderen Ebene der Wahlkampf nähert. Ich sage Ihnen aber auch ganz offen: Ein Thema eignet sich nicht für den Wahlkampf, das ist das Thema der Sicherheit, schon gar nicht das der militärischen Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wöginger: So ist es!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordne­ter Brandstätter. – Bitte.