15.55

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die parlamentari­sche Realität korrigiert Kollegen Lopatka: Ich bin der nächste Redner. In dieser Eigenschaft darf ich zunächst sehr gerne die Gruppe von Pensionisten aus Neustift an der Lafnitz, die zu fünfzigst hierhergekommen sind, im Namen von Kollegen Drobits herzlich begrüßen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Union ist wahrscheinlich, oder ziemlich sicher, eine der größten Errungenschaften dieses Konti­nents, die weltweit ausstrahlt. Mit der Europäischen Union konnten wir und können wir eine Sphäre von Frieden, von Wohlstand, von Demokratie, von Freiheit, von Rechtsstaatlichkeit schaffen, wie sie dieser Kontinent in seiner jahrtausendalten Geschichte noch nie gesehen hat.

Dazu – und da gebe ich den Kolleginnen und Kollegen von den NEOS als Einbringer dieser Anfrage recht – gehört natürlich auch der Binnenmarkt, und der Binnenmarkt hatte selbstverständlich seine Erfolge. Der Binnenmarkt ist aber auch kein Fetisch, sondern man muss ständig – und das ist unser Zugang dazu – hinterfragen: Wie gestaltet sich dieser Binnenmarkt? Für wen wirkt er sich zum Vorteil, für wen zum Nachteil aus? Wie ist er weiterzuentwickeln?

Ich glaube, diese Frage nach dem Weiterentwickeln ist eine generelle Frage, die nicht nur den Binnenmarkt, sondern die gesamte Europäische Union betrifft: Die Europäische Union muss eine Union werden, in der die Menschen spüren, dass die Mitgliedschaft auch etwas nützt, in der man per­sönlich das Gefühl hat: Es ist gut, dass ich Europäer bin, es ist gut, dass ich Europäerin bin! – Das ist die Europäische Union, die wir für die Zukunft brauchen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Ich bin ein Österreicher!)

Es ist nämlich aus dem Wohlstandsversprechen schon ein harter Kampf geworden, teilweise ein harter Kampf um die niedrigsten Standards und nicht um die besten und höchsten Standards. Warum diskutiert man nicht mehr über Mindestlöhne in der Europäischen Union, über Mindeststandards im arbeitsrechtlichen Bereich, im sozialen Bereich, im Gesundheitsbereich und sonst wo? Warum gibt es diese Diskussion so nicht, Herr Bundesminis­ter? Warum versucht man vielmehr – und daran waren Sie mit Ihrem Zugang zum Lieferkettengesetz auch beteiligt –, die Standards hinunterzu­drücken? Das ist nicht unser Europa, das wir haben wollen. Das ist es nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Oder: Es war die damalige schwarz-blaue Regierung, die es in der Hand gehabt hätte, einen Missstand, der insbesondere uns in der Steiermark und das Burgenland betrifft, im Ansatz abzudrehen. Wo ist da das Problem? – Das Pro­blem sind die Scheinfirmen, die jede Woche aus benachbarten Ländern, gerade in der Baubranche beispielsweise, hereinkommen und Löhne dumpen, Sozialbedingungen dumpen.

Es hätte die Agentur für Arbeit nach Österreich kommen können. Das haben Sie verhindert. Warum haben Sie das verhindert?, frage ich mich. Das wä­re eine Chance für Europa, eine Chance für Österreich (Abg. Weidinger: Das ist doch Unfug!), eine Chance für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich gewesen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Weidinger: Das ist doch Unfug, junger Mann!)

Oder: Warum wird so lange eine zentrale Konzernbesteuerung verhindert? Wa­rum wird nicht dafür gesorgt, dass nicht nur der berühmte Würstelstand, das Kaffeehaus fair Steuern zahlen muss, sondern auch die großen Multis in Europa? Das wäre ein Schritt in eine richtige Richtung für die Euro­päische Union: dafür zu sorgen, dass in Europa Gerechtigkeit herrscht, und auch Steuergerechtigkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ein Europa, das wir bauen müssen, das wir hoffentlich gemeinsam bauen können. Es wird immer unterschiedliche Vorstellungen geben, aber ich glaube, es muss ein Europa werden, das den Menschen das Gefühl gibt: Ich bin stolz, ich bin froh, es hilft mir, dass ich Bürger, Bürgerin der Europäischen Union bin.

Europa ist noch etwas Besonderes, worauf ich zum Schluss kommen möchte – das ist nicht von mir, das habe ich nur gehört, aber ich finde, es ist eine ausgezeichnete Beschreibung.

Ich habe einmal eine Diskussion moderiert, in der es um Europa von außen gegangen ist: Wie sieht man Europa von außerhalb der Europäischen Union? Auf die Frage: Wird es ein Staatenbund, Bundesstaat, was soll das werden?, hat einer der Diskutanten gesagt: Diese Frage stellt sich nicht. Europa ist etwas, das es in der gesamten Menschheitsgeschichte so noch nicht gegeben hat. (Abg. Weidinger: Das ist richtig!)

Die Europäische Union wird auch etwas werden, was es in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie gegeben hat. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das etwas wird, was gut ist, was uns Österreicherinnen und Österreichern nützt, was Europa nützt und das insgesamt etwas wird, auf das wir stolz sein können! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Steger. – Bitte sehr.