16.35
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Die Dringliche Anfrage der NEOS hat ja im Schwergewicht, was nicht weiter verwunderlich ist, eine wirtschaftspolitische Perspektive, einen wirtschaftspolitischen Ansatz. Ich versuche jetzt, auch Kollegen Brandstätter zu entsprechen, auch was meine Diktion betrifft, wohlgesetzt zu formulieren, das Ganze sofern möglich auch in einer unaufgeregten Art vorzutragen, auf Inhalte einzugehen und bestimmte Dinge klarzustellen.
Der erste Punkt – auch meine Kollegin Petra Steger hat es schon gesagt –: Sie müssen auch in der Terminologie exakt sein. Europa ist nicht die Europäische Union. (Beifall bei der FPÖ.) Das würde einen Schweizer und einen Norweger zu den Nichteuropäern zählen. Das ist etwas anderes. Europa ist ein Kontinent mit einer jahrhundertelangen Geschichte, gewachsen durch Nationalstaaten, die im Wesentlichen in weiterer Folge – und das ist unseres Erachtens, zumindest meines Erachtens, immer die Stärke Europas gewesen – im Wettbewerb gestanden sind.
Der Wettbewerb hat dazu geführt, dass jeder einzelne Staat stärker geworden ist, und hat dazu geführt, dass der europäische Kontinent über Jahrhunderte eine führende Rolle auf der Welt spielen konnte. Das alles ist mittlerweile nicht nur in Gefahr, sondern im Rutschen. Wirtschaftspolitisch, aber auch sicherheitspolitisch wird das verloren gehen, wenn wir so weitermachen.
Der zweite Punkt: Kollegin Greiner, das ist sehr mutig – ich würde das nicht so formulieren, wie Sie es formuliert haben (Abg. Greiner: Das hoffe ich doch!) –, sich hierherzustellen und zu sagen: Wir werden niemals aus der Europäischen Union austreten – niemals!
Die Europäische Union ist nicht Europa, die Europäische Union ist ein Vertragswerk (Abg. Greiner: Wie der Vertrag mit Putin auch!), das sich im Übrigen seit dem Zeitpunkt 1994, als wir beigetreten sind, also in den letzten 30 Jahren, bewegt hat (Abg. Voglauer: Wir fühlen uns der Europäischen Union zugehörig, nicht Putin!), dynamisch bewegt hat – allerdings in eine Richtung, die wir Freiheitliche offensichtlich hier als einzige Partei im Parlament sehr kritisch sehen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Voglauer: Den Vertrag sehts ihr kritisch und den mit Putin nicht? Sehr interessant!)
Wenn man jetzt als jemand, der Dinge kritisch sieht – und ich werde im Detail auf einige Bereiche, die wir kritisch sehen, die wir für eine Fehlentwicklung halten, eingehen –, schon als Demokratiefeind, als Nichteuropäer oder Ähnliches tituliert – ist gleich beschimpft – wird (Abg. Voglauer: Schauen Sie sich die eigenen Verträge an!), dann muss ich Ihr demokratiepolitisches Selbstverständnis auch hinterfragen dürfen. Das geht meines Erachtens so nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Geh seids nicht immer so wehleidig! Ich weiß nicht! Selber austeilen und so wehleidig sein!)
Jetzt zu dieser Öxit-Diskussion eine Klarstellung: Die Freiheitliche Partei will selbstverständlich keinen Öxit, davon war nie die Rede. (Rufe bei der ÖVP: Aber geh, nein! Na!) Wir stellen uns aber auch nicht hin und sagen, wir werden niemals in allen ewigen Zeiten, und das garantieren wir unter sonstigem Verlust unserer Glaubwürdigkeit, aus diesem Vertragswerk austreten. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist so, wie wenn ich sag: Schatzi, ich will eh keine Scheidung, aber ich kann dir nicht garantieren, dass ich nächstes Jahr noch da bin! Was soll das? Wie würde das mein Mann aufnehmen, frage ich mich! – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Das ist ja unseriös, weil wir ja nicht wissen, wie sich diese ganze Sache entwickelt, und weil wir sehen, wie sich diese ganze Sache in den letzten 30 Jahren entwickelt hat – von einer durchaus vernünftigen Wirtschaftsunion (Abg. Höfinger: Dann leistet einen sinnvollen Beitrag!), von einem Binnenmarkt, von einer Abschaffung von Zöllen und Handelshemmnissen – das ist vernünftig, das unterstreichen wir auch, das unterstützen wir auch – hin zu einem Gebilde einer politischen Union, die sich immer mehr Kompetenzen krallt, sich immer mehr in das Leben eines jeden einzelnen dieser 450 Millionen Europäer, darunter neun Millionen Österreicher, einmischt, und das geschieht in vielen Bereichen, bei denen wir sagen: Das wollen wir nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Matznetter: ... fangts jetzt gleich mit der WHO an!)
Wenn man das demokratiepolitisch sieht, dann werden Sie doch wohl kaum leugnen, dass dieser Zentralismus in Brüssel auch von einer erheblichen Bürokratie, von einer riesigen Ansammlung von Lobbyisten geprägt ist – 30 000 Lobbyisten (Abg. Brandstätter: Viele Russen dabei!), denen dann politische Entscheidungsträger gegenüberstehen. Das ist ein Missverhältnis, das letztlich wozu führt? – Dass Entscheidungen getroffen werden, die den Interessen der Lobbyisten entsprechen und nicht jenen derer, die diese Politiker, die dort sitzen, vertreten sollen, nämlich der Menschen und Bürger in den Ländern Europas. Das ist doch der Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)
Jetzt komme ich im Detail zu einigen Punkten, bei denen unseres Erachtens eine Fehlentwicklung stattfindet, eine Entwicklung in die falsche Richtung. Herr Bundesminister Kocher hat ja in seinem Redebeitrag sozusagen auch schon kritisiert, was alles nicht funktioniert, was wir besser machen müssen, und Ziele definiert.
Mir ist das so vorgekommen, als hätten Sie jetzt eine Regierungsantrittsrede gehalten. Da frage ich mich: Sie sind seit fünf Jahren in der Regierung und kommen jetzt, zwei, drei Monate vor Ende der GP, drauf, Ziele zu definieren und uns zu sagen, was Sie alles machen werden, nachdem Sie durchaus richtig analysiert haben, was in der Europäischen Union alles nicht gut oder falsch läuft? – Also das ist ja auch ein bisschen knapp an der Glaubwürdigkeitsgrenze angesiedelt. (Beifall bei der FPÖ.)
Kollege Lopatka kommt jetzt, 3 Minuten vor Torschluss, auf einmal drauf, dass man auch beim Green Deal vielleicht die Wirtschaft berücksichtigen müsste? Das ist sehr nett, dass Sie drei Tage vor Torschluss, ist gleich drei Tage vor der Wahl oder drei Monate vor der Wahl, draufkommen. (Abg. Leichtfried: Ja, aber das ist schon ein Unterschied: Tage und Monate!) Ja, aber wozu erzählen Sie uns das? Erzählen Sie das Ihrer Parteifreundin von der Europäischen Volkspartei Ursula von der Leyen, die diesen Green Deal zu ihrer Herzensangelegenheit gemacht hat, in dem Irrglauben, dass das der Weg ist, der Europa im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb nach vorne bringt! Wir glauben, das ist eine völlige Fehleinschätzung. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich sage Ihnen auch, warum: Das verteuert nicht nur die Energie. Sie wundern sich über die Inflation, die wir haben, können aber nicht die Korrelation zum Green Deal herstellen, der natürlich inflationstreibend ist und viele tägliche Dinge teurer macht. Der ganze Emissionszertifikatehandel ist ein Inflationstreiber der Sonderklasse, die CO2-Steuern sind Inflationstreiber der Sonderklasse, der Bürokratiewahnsinn – Sie wissen, ESG-Regulatorik, EU-Taxonomie und so weiter und so fort –, der unsere Unternehmen – und Sie wissen das, Herr Professor Kocher, Sie sind Ökonom, Sie haben es sogar gesagt! – davon abhält, das zu machen, was sie eigentlich machen sollten, nämlich ihre wesentliche Leistung zu erbringen, und die dadurch Produktivitätseinbußen im globalen Wettbewerb in einem Ausmaß, das nicht mehr kompensierbar ist, erleiden. Das alles haben Sie ja richtig festgestellt. Das ist aber alles auf dem Mist Ihrer Parteifreundin Frau Ursula von der Leyen gewachsen. Oder schlecht formuliert: Das ist alles die Idee und die Herzenssache von - -
So, und jetzt kommen Sie drei Wochen vor der Wahl drauf: Da sollte man etwas ändern! (Abg. Leichtfried: Zuerst waren es Tage, dann Monate, dann Wochen?) Ich glaube nicht, dass Sie nach der Wahl am 9. Juni da irgendetwas ändern werden, sondern Sie werden die Wahl jetzt als lästig durchtauchen und dann diesen Irrweg genau gleich weitergehen.
Der besteht auch darin: Beim Renaturierungsgesetz sind wir bei massiven Eingriffen in das Eigentum. Ist Ihnen Eigentum nichts mehr wert? Sie schreiben unseren Landwirten vor, welches Holz sie verbrennen dürfen, auf welchen Flächen ihres eigenen Eigentums sie anbauen dürfen oder nicht. Das ist totale Planwirtschaft und ein Eingriff in das Eigentum. Das findet ja statt. Was Sie sich wünschen und welche Ziele Sie sich setzen, das steht auf einem anderen Papier beziehungsweise wird ja nicht stattfinden, weil das nach der Wahl weiter stattfinden wird.
Wir als Freiheitliche sagen: Wir wollen das alles im Interesse der österreichischen Bevölkerung nicht. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir wollen auch die Politik der Europäischen Zentralbank nicht weiter betreiben, die natürlich auch eine Inflationstreiberin der Sonderklasse ist. Wir wollen auch die Schuldenunion nicht, zu der Sie uns jahrelang erklärt haben: Nein, nein, die EU wird niemals eine Schuldenunion werden! Das haben Sie aber genauso wenig aufrechterhalten können, wie Sie jetzt das Narrativ glaubwürdig aufrechterhalten können, dass die EU das größte Friedensprojekt aller Zeiten wäre, angesichts der Politik, die Sie hinsichtlich des Krieges, der in Europa stattfindet, an den Tag legen.
Da haben Sie uns erklärt: Keine Schuldenunion! – Das können Sie ja nicht mehr aufrechterhalten, weil die 750 Milliarden Euro Next Generation EU die klassische Schuldenunion ist. 750 000 Millionen Euro! Wir wollen das nicht. Wir Freiheitlichen haben immer gesagt, wir wollen das nicht, wir halten das für einen Irrweg. Wir wollen nicht, dass sich die Europäische Union in Richtung Schuldenunion entwickelt. Wir wollen auch keinen EU-Zentralismus und wir wollen vor allem auch diese EU-Migrationspolitik nicht, die überhaupt keine Probleme löst, sondern Probleme ohne Ende schafft. Das alles wollen wir nicht.
Das ist auch das Angebot von uns, der Freiheitlichen Partei und unserer Partnerparteien in Europa, für die Wahl am 9. Juni. Wer das alles auch nicht will, der kann eigentlich nur – streiche „eigentlich“! – die Freiheitliche Partei wählen. Wer will, dass das alles, diese Fehlentwicklungen, auch nach der Wahl weiter betrieben werden, der kann sich eine der vier übrigen Parteien hier im österreichischen Parlament aussuchen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Die Ausführungen zur WHO haben gefehlt! – Abg. Belakowitsch: Ideale Rede, gell? Hat dir auch gefallen! – Abg. Leichtfried: Zur WHO hat er nichts gesagt!)
16.45
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.