17.34
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Litschauer, wenn die Grünen im Kampf gegen die Teuerung nur ansatzweise so kämpferisch gewesen wären wie du jetzt im Kampf für die großen Agrarkonzerne, dann hätten sich die Österreicherinnen und Österreicher in den letzten Jahren schon einiges erspart. (Beifall bei der SPÖ.) Diesen Kampfgeist hätte ich mir schon in den letzten Monaten gewünscht.
Der Grund dafür, dass wir in Österreich so schlecht durch die Teuerungskrise gekommen sind, ist aber nicht nur, dass die Regierung nichts getan hat. Mir ist heute, als ich ein bisschen die Äußerungen seitens der Regierung nachgelesen habe, klar geworden, dass ihr die Probleme oft gar nicht gesehen habt.
Der Erste war Werner Kogler. Wir erinnern uns alle, wie die SPÖ gewarnt und gesagt hat: Freunde, wir werden bei der Teuerung gegensteuern müssen! Wir werden etwas tun müssen! – Damals ist Werner Kogler ausgeritten – wir wissen ja seit der letzten Woche, dass der manchmal durchaus auch eine ordentliche Wortwahl an den Tag legt; die geht eher in Richtung jener von Herbert Kickl, aber okay – und hat gesagt: Was die SPÖ rund um die Teuerung fordert, das entspricht einer Teuerungshysterie!
Dann gab es in Österreich einen Sozialminister, Johannes Rauch, der der Bevölkerung ausgerichtet hat, wir beklagen uns alle auf einem sehr hohen Niveau, man solle nicht so tun, als würde die Bevölkerung Armut leiden müssen.
Die andere Seite waren die ÖVP-Kolleginnen und -Kollegen, bei denen man das Gefühl hat, dass die oft vielleicht gar nicht aus dem Parlament hinauskommen und gar nicht mehr im Supermarkt mit Menschen reden. Die haben uns allen dann monatelang erklärt, was Österreich für eine supertolle Kaufkraft hat und wie toll wir durch die Krise gekommen sind.
Über den Batzen Schulden, den ihr angerichtet habt, über das Budgetdefizit, das ihr ja auch mitverantworten müsstet, wollt ihr natürlich nicht mehr reden. Wir reden auch nicht mehr darüber, dass wir 18 Monate in Folge die höchste Inflation in ganz Westeuropa gehabt haben, weil in allen Bereichen nichts passiert ist. Also habt ihr euch plötzlich herausgeredet und gesagt: Es gibt eine supertolle Kaufkraft! Dass die Menschen jetzt im Supermarkt ein bisschen mehr zahlen müssen, ist ja kein Problem! Wir haben diese supertolle Kaufkraft!
Ihr habt aber vergessen, zu sagen, dass zwar das verfügbare Haushaltseinkommen gestiegen ist, dass aber natürlich auch die Kosten deutlich höher sind, nämlich die Kosten für die Haushalte. Die Versicherung, das Heizen, das Wohnen: All das ist in Österreich deutlich teurer geworden. Natürlich ist die breite Masse der Bevölkerung durch das Nichthandeln der Regierung doppelt und dreifach zur Kasse gebeten worden.
Der größte Fehler ist aus meiner Sicht in dem Bereich passiert, der die Lebensmittel in Österreich betrifft. Da haben wir uns immer wieder hingestellt, auch auf Basis vieler, vieler Gespräche nicht nur mit den betroffenen Menschen in Österreich, die gespürt haben, dass die Lebensmittel deutlich teurer geworden sind, sondern auch auf Basis zahlreicher Konsumerhebungen. Da haben wir immer wieder gesagt, man kann doch nicht zuschauen, dass sich die Menschen die Lebensmittel des täglichen Bedarfs einfach nicht mehr leisten können.
Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, haben gesagt: Nehmen wir uns doch ein Vorbild an anderen Staaten! Versuchen wir zum Beispiel, die Mehrwertsteuer auszusetzen und bei den Gütern des täglichen Bedarfs zu senken! – Das ist in Österreich nicht passiert. Andere Staaten haben gehandelt, wir in Österreich haben nichts getan. Die Regierung wollte nichts tun. Dann haben wir vorgeschlagen: Sorgen wir mit einer schlagkräftigen Antiteuerungskommission dafür, dass niedrige Preise an die Menschen weitergegeben werden! – Auch in diesem Bereich ist nichts passiert. Man hat einfach zugesehen, dass sich immer mehr Menschen den täglichen Einkauf nicht mehr leisten können.
Dann ist irgendwann der Sozialminister munter geworden, nachdem die SPÖ Druck gemacht hat, und hat gesagt: Na ja, wir werden uns das schon anschauen müssen! Man kann das Ganze nicht mehr mit der Inflation erklären, sondern da läuft etwas falsch! – Dann haben die Grünen sich monatelang mit der ÖVP über die Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde gestritten. Plötzlich haben wir dann – schwarz auf weiß – die Zahlen in Österreich gehabt: Ja, die Menschen in Österreich zahlen jedes Jahr 1 000 Euro mehr für Supermarkteinkäufe als die Deutschen.
Jetzt könnte man meinen, dass der Wirtschaftsminister daraufhin gesagt hat, jetzt wird er munter, da muss man durchgreifen. Das Erste, was er gesagt hat, war: Na, wir greifen nicht in den Markt ein! Das wird sich schon selber irgendwie reparieren!
Er hat aber eine super Idee gehabt – das ist ein Jahr her –: Wir machen jetzt eine Handyapp! – Die Handyapp vom Herrn Minister hat bedeutet, dass es dann eine Preisvergleichsapp gibt, bei der man nachschauen kann. Die Preise bleiben weiter hoch, es bleibt weiter teuer, aber die Leute wissen dann zumindest, wo es teuer ist. Das war die Idee vom Herrn Minister. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)
Der Herr Minister hat gesagt, nachdem er monatelang geprüft und beobachtet hat, so eine Handyapp braucht natürlich Zeit, das dauert monatelang. Spannend war, dass ein junger Programmierer in Österreich das Ganze innerhalb von ein paar Stunden zustande gebracht hat; er hat wortwörtlich gesagt: „Es ist eine Frotzelei, so zu tun, als wäre das eine Mondlandung“, so eine Handyapp zu programmieren.
Der war in einer Woche in der Lage, eine Handyapp zu erstellen. Der Herr Wirtschaftsminister hat monatelang mit dem gesamten Ministerium geprüft, und im Herbst hat er dann gesagt: Na ja, wir haben noch immer keine Lösung! Das ist sehr kompliziert, was der junge Programmierer in einer Woche geschafft hat! – Er braucht noch ein bisschen Zeit.
Vor Weihnachten, nachdem die Preise im Supermarkt ja weiter hoch geblieben sind, hat er gesagt, na ja, er hat noch immer keine App, aber einen Plan, und der Plan ist jetzt auf dem Weg zu den Grünen in die Koordination. Da haben wir uns gedacht, das muss ja dort irgendwo aufgetaucht sein. Dann meldet sich Sigi Maurer zu Wort und sagt, dieser Plan ist nie eingetroffen.
Jetzt weiß ich nicht, ob das per E-Mail oder mit der Schneckenpost an diese Koordination zugestellt worden ist. Wenn man aber sozusagen eine Schnecke aus dem Wirtschaftsministerium mit dem Brief, mit diesem tollen Plan des Wirtschaftsministers, losschickt, sollte die ja innerhalb von einem halben Jahr auch im Grünen Klub eingetroffen sein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)
Also ich frage wirklich, wie es sein kann, dass der tolle Plan in Summe ein Jahr lang auf der Reise war und nichts weitergegangen ist.
Dann haben wir den Minister damit konfrontiert, warum noch immer keine Handyapp fertig ist und warum wir in Österreich keine Lösung haben. Er ist dann draufgekommen und hat gesagt: Na diese Handyapp wird nicht viel bringen, das gibt es eh schon privat, jetzt brauchen wir keine Handyapp mehr! Das heißt, wir wissen, dass die Preise in Österreich über Jahre hinweg hoch sind, der Minister attestiert selbst, dass internationale Großhändler in Wahrheit viel zu hohe Preise verlangen und die Menschen an der Supermarktkasse draufzahlen.
Glaubt aber irgendjemand hier im Saal dass da von der Bundesregierung eine Lösung präsentiert wird? – Bis heute wissen wir, dass sich die Pensionistinnen und Pensionisten, die Leute, die einkaufen gehen, die Lebensmittel oft nicht mehr leisten können. Die Leute sind verzweifelt, sie kleben dann die 50-Prozent-Pickerl drauf, damit sie sich die Lebensmittel überhaupt noch leisten können. Pensionistinnen und Pensionisten sagen es mir im persönlichen Gespräch. Das sind dann diese Schilderungen, die es einfach perfekt beschreiben: Die Witwe, die alleine zu Hause lebt, sagt, für sie ist es noch schwerer, denn sie kauft nicht die Familienpackung Toastbrot, denn das schimmelt ihr weg, sie kauft nicht 3 Kilo Zwiebel, denn die schimmeln ihr weg, sondern sie geht zum Regal und klaubt dort halt drei Stück Zwiebel zum Kochen raus und kauft so Lebensmittel ein. Natürlich ist das teurer, die kleine Packung ist deutlich teurer als die Großpackung. (Zwischenruf der Abg. Reiter.)
Das sind Beispiele aus dem täglichen Leben von Leuten, die verzweifelt sind. Wir alle hier im Saal verdienen ordentlich, niemand kann sich da beschweren, aber viele Menschen sind tagtäglich verzweifelt. Wir haben eine Regierung, die Koordination spielt, die Schneckenpost spielt und in diesem Bereich aber nichts macht.
Deswegen möchte ich hier in dieser Runde noch einmal vorschlagen: Herr Bundesminister, erstens darf ich Sie bitten, dass Sie aufklären, was mit dieser Koordination passiert ist. Hat Frau Maurer diesen Zettel verschlampt? Sie werden das ja wohl hoffentlich per E-Mail geschickt haben! Wo ist denn diese Koordination hingewandert? Warum dauert es bei Ihnen monatelang, irgendetwas zu prüfen, zu planen, zu untersuchen, wenn ein junger Programmierer das innerhalb einer Woche schafft? Das sind doch Dinge, an denen man sieht, wie Sie die Menschen ganz real im Stich lassen.
Wenn Sie es selbst bestätigen, wenn auch der Sozialminister es bestätigt, dass die Menschen an der Supermarktkasse draufzahlen, die Lebensmittel in Österreich deutlich teurer sind, was ist denn dann die ganz konkrete Ableitung daraus? Die Bundesregierung wird ja nicht für das Ankündigen gezahlt, sondern dafür, dass sie die Lebensumstände der Bevölkerung konkret verbessert. Alle anderen europäischen Länder haben es geschafft. Die haben es geschafft, Wohnen leistbar zu halten, die haben es im Energiebereich geschafft, dagegenzuhalten und zu schauen, dass Energie leistbar bleibt, die haben überhaupt dafür gesorgt, dass gewisse Kosten gar nicht erst entstehen. In Österreich hat man in allen Bereichen zugesehen. Wir haben massive Übergewinne im Bereich der Energiekonzerne verzeichnet. Da hat man nicht einmal abgeschöpft.
Andere waren intelligent genug und haben versucht, die Inflation zu bekämpfen. Wir haben milliardenschwere Übergewinne im Bereich der Bankwirtschaft verzeichnet – ich habe es gestern schon gesagt –: 14 Milliarden Euro. Kollege Hörl ist seitdem nicht mehr da, wahrscheinlich ist er auf der Suche, wie man 290 Prozent Gewinn in einem Jahr in einem kleinen Betrieb vor Ort in Tirol erklären kann. Ich weiß nicht, welche Seilbahn 290 Prozent Gewinn macht, um das auch in der Sprache von Herrn Hörl zu erklären. (Abg. Reiter: Das ist unverschämt!) Sie aber schauen in dieser Frage zu.
Man kann ja niemandem erklären, dass jemand 290 Prozent Gewinn macht, die Pensionistin aber keine Zinsen für ihr Geld am Sparbuch kriegt – das haben die Franzosen besser geregelt –, und dass wir Hunderttausende Häuslbauer, Mittelstandsfamilien in Österreich haben, die sich ihre Kredite nicht mehr leisten können. Dieses Zuschauen, dieses Nichtstun, diese Schneckenpost, dieses Sich-irgendwie-gegenseitig-Konsultieren-und-Blockieren, das hat uns in diese Situation gebracht und dazu geführt, dass viel zu wenig passiert ist.
Deswegen darf ich noch einmal sagen: Kollege Litschauer, wenn Sie schon kämpferische Reden halten und sich lautstark zu Wort melden, darf ich bitten, dass Sie das zuallererst im Grünen Klub machen – vielleicht sind Sie dann in der Lage, diese Preisvergleichsapp irgendwie aufzuspüren – und dann vielleicht in Richtung Koalitionspartner: dass die einmal munter werden und dafür sorgen, dass das Leben in Österreich leistbar bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)
17.43
Präsidentin Doris Bures: Nun erteile ich Herrn Bundesminister Martin Kocher das Wort. – Bitte, Herr Minister.