17.43
Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, die Inflation ist tatsächlich ein Phänomen, das tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen hat. Das haben wir in den letzten Jahren in ganz Europa gesehen.
Wir wissen, woher die Inflation kommt: von den gestiegenen Energiepreisen. Es haben auch die Nachwirkungen von Lieferengpässen infolge der ersten Phase der Pandemie und andere Effekte, zum Beispiel das hohe Wachstum, das 2022 noch in Österreich und in einigen anderen europäischen Ländern aufgrund der Nachholeffekte zu verzeichnen war, dazu beigetragen.
Ich glaube aber, wir müssen ehrlich sein: Wenn einige den Eindruck vermitteln, dass man Preisanstiege einfach durch staatliche Preisobergrenzen wegdefinieren, beseitigen kann, dann ist das ein fahrlässiges Argument. (Abg. Kucher: Aha!) Das ist deshalb ein fahrlässiges Argument, weil jede Preisobergrenze natürlich Nebeneffekte hat. Wir haben es ja gesehen, unterschiedliche Staaten haben unterschiedliche Lösungen gefunden. Ungarn hat Preisobergrenzen bei Sprit eingeführt. Was ist passiert? (Abg. Belakowitsch: Alle Österreicher sind ...!) – Man hat keinen Sprit bekommen, man hat eine Inflationsrate von über 20 Prozent gehabt und die Leute sind mit ihren Autos in Schlangen vor den Tankstellen gestanden. – Das bringt nichts, deswegen ist es abgeschafft worden.
Spanien wird immer wieder als Paradebespiel gebracht. Dort wurden Preisobergrenzen bei einigen Energieträgern eingeführt, die Differenz zum Marktpreis wurde subventioniert. Was ist passiert? – Das Budgetdefizit ist massiv angestiegen, massiv angestiegen (Abg. Belakowitsch: Bei uns auch, Herr Minister, bei uns auch! – Zwischenruf bei der SPÖ), bei Weitem mehr als in Österreich in der letzten Zeit.
Schauen wir uns die Inflationszahlen an, die letzten Inflationsraten aus dem April 2024: Österreich, harmonisierter Verbraucherpreisindex: 3,4 Prozent; Spanien, harmonisierter Verbraucherpreisindex: 3,4 Prozent. Also langfristig wurde kein Effekt erzielt, aber viel Geld verbrannt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Die Inflationsbekämpfung erfolgt vor allem durch die Geldpolitik auf europäischer Ebene. Die Bundesregierung kann in ganz spezifischen Bereichen zusätzliche Maßnahmen setzen – dazu komme ich gleich – und natürlich auch – und das war der Hauptfokus – alles dafür tun, dass die Kaufkraft gesichert ist – und das ist gelungen. Alle Studien zeigen uns, dass die Maßnahmen, die es gegeben hat – ich wiederhole sie nicht alle –, dazu geführt haben, dass die Kaufkraft der Haushalte in Österreich gesichert wurde, im unteren Einkommensbereich sogar im Durchschnitt überkompensiert wurde. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Das heißt nicht, dass es nicht auch in diesen Bereichen viele Menschen gibt, die Schwierigkeiten gehabt haben, aber auch da hat die Bundesregierung durch ganz spezifische Maßnahmen – ich sage Wohnschirm oder zum Beispiel durch die Indexierung der Sozialleistungen – dagegen gearbeitet, um möglichst vielen Menschen die Ergebnisse dieser Kaufkraftsicherungen auch zukommen zu lassen. Darüber hinaus kann die Bundesregierung natürlich ganz spezifische Maßnahmen wie ein Einfrieren der Gebühren oder zum Beispiel Maßnahmen im Bereich des gemeinnützigen Wohnbaus setzen – alles das ist passiert.
Wo stehen wir? – Wir stehen derzeit bei einer Inflationsrate von 3,5 Prozent nach nationaler Berechnung, der harmonisierte Verbraucherpreisindex bei 3,4 Prozent – das ist die Schnellschätzung für April. Das ist immer noch zu hoch, aber es ist der geringste Wert seit September 2021 (Abg. Belakowitsch: Ja und?) und schon bei Weitem niedriger als im Jänner 2022, vor dem Eintreten des Ereignisses – nämlich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine –, das dazu geführt hat, dass die Energiepreise auf der ganzen Welt gestiegen sind (Abg. Belakowitsch: Die sind schon vorher gestiegen, Herr Minister!) und damit die Inflation ausgelöst worden ist. (Abg. Wöginger: Und dann noch einmal!)
In vielen Bereichen ist es so, dass wir mittlerweile bei den Preisentwicklungen unter dem europäischen Durchschnitt sind. Der Inflationsdruck, der noch existiert, kommt derzeit vor allem aus dem Dienstleistungssektor – das ist so, der ist personalintensiver –, da ist noch ein Inflationsdruck da. Es braucht also weiterhin Maßnahmen.
Bei den Erzeugerpreisen gibt es Rückgänge, und das sieht man auch klarerweise bei den Verbraucherpreisen, das zeigt sich jetzt schon. Man darf nicht ganz vergessen, auch einen historischen Vergleich zu ziehen, das möchte ich auch noch kurz machen (Abg. Belakowitsch: Das ist ganz wichtig!): 1973 hat ein ähnlicher Schock, nämlich ein Angriffskrieg der arabischen Staaten auf Israel, zu einem Preisanstieg bei Erdöl und damit auch zur Inflation geführt. Damals hat es fünf oder sogar sechs Jahre lang Inflationsraten über 5 Prozent gegeben. (Abg. Belakowitsch: Wir haben aber über 10 Prozent gehabt! – Zwischenruf des Abg. Wöginger.) 1972 – schon davor –: 6,4 Prozent; 1973: 7,6 Prozent; 1974: 9,5 Prozent, und so weiter und so weiter.
Damals gab es zwei Jahre mit einer Rezession, damals gab es eine sozialdemokratische, sozialistische Alleinregierung, die noch dazu die Geldpolitik mitbestimmen konnte. Trotzdem ist es ihr nicht gelungen, die Inflationsrate unter 5 Prozent zu bringen. Das zeigt, dass es für eine Bundesregierung nicht so einfach ist, das zeigt, dass es ein Zusammenspiel aus Geldpolitik – in dem Fall europäisch – und weiteren Maßnahmen geben muss, die man setzt, um die Inflation auch national nach unten zu bringen und möglichst viel Transparenz bei der Preisentwicklung zu schaffen.
Damit kommen wir zu den Lebensmittelpreisen: Auch da ist es wichtig, redlich zu sein. Die Lebensmittelpreisentwicklung war in Österreich tatsächlich höher als die durchschnittliche Preisentwicklung, allerdings war sie in Österreich – im Vergleich mit der Europäischen Union – im unteren Drittel. Das heißt, in anderen europäischen Ländern sind die Preisanstiege bei Lebensmitteln noch viel höher als in Österreich gewesen.
Man muss sich also immer mit den anderen vergleichen. So zu tun, als ob es so wäre, dass Österreich bei den Lebensmittelpreisen in den letzten Jahren besonders starke Anstiege hätte, ist falsch; es ist aber richtig, dass Österreichs Preisniveau höher ist als das anderer Länder. Das ist seit Jahrzehnten so, dafür kann die jetzige Bundesregierung nichts, dafür gibt es belegbare Gründe. Da können wir jetzt lange diskutieren, da gibt es Forschung dazu. Das wäre jetzt etwas, wo wir sehr - - (Abg. Kucher: Es geht ja ums Tun!) – Ja, natürlich kann man da auch etwas tun (Ruf bei der SPÖ: Ja! – Abg. Greiner: Das wäre schön!), und wir kommen auch gleich dazu, was man da tun kann. – So.
Jetzt kommen wir zum Thema Preistransparenz: Ja, Preistransparenz ist ein wichtiges Mittel, um Wettbewerb zu befördern und zu erreichen, dass Preise nicht so stark steigen. Allerdings ist es auch so, dass es nicht so klar ist, wie die Effekte sind – ich komme gleich dazu. Wir haben eine sehr lange – das stimmt tatsächlich – Diskussion mit den führenden Wettbewerbsökonominnen und -ökonomen geführt. Warum? – Weil Preistransparenz im schlimmsten Fall, wenn sie nämlich vollständig ist, auch dazu führen kann, dass sich die Anbieter besser abstimmen können und damit die Konsumentinnen und Konsumenten noch schlechter dastehen. (Abg. Stöger: Preistransparenz führt zu - -? Das ist spannend!) – So.
Wir haben nach dieser Diskussion Folgendes vorgeschlagen, und es ist mir sehr wichtig, dass wir das ganz klar machen. Wir haben nie vorgeschlagen – das habe ich sicher nie gesagt, das kann man auch nachweisen –, dass wir eine eigene Handyapp entwickeln würden. Warum sollten wir das tun? Das haben andere besser gemacht, die können das auch tun. (Abg. Matznetter: Kaufhaus Österreich!) Was aber andere derzeit nicht machen können – und das ist der entscheidende Faktor –: Sie können nicht darauf vertrauen, dass die Daten, die sie teilweise aus dem Internet abgreifen, immer zuverlässig sind und aktuell sind. Jede Maßnahme, die wir setzen wollen, um die Preistransparenz zu verbessern, muss natürlich sicherstellen, dass die Datengrundlage gut ist. – So.
Also kam der Vorschlag aus diesen Diskussionen – auch auf Basis einer Branchenuntersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde –, dass wir eine rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass die Anbieter – in dem Fall große Supermärkte – aktuelle Preise bereitstellen müssen und dass Appbetreiberinnen und -betreiber diese Daten in Echtzeit verwenden können.
So, jetzt kommen wir noch zu einem essenziellen Punkt, der mir sehr wichtig ist, weil ich glaube, dass das nicht ganz verstanden wird: Wir haben solch eine Preistransparenz beim Spritpreisrechner. Den betreut das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Das funktioniert sehr gut, viele benutzen diesen Spritpreisrechner. Das ist relativ einfach, weil Sprit, Treibstoff ein homogenes Gut ist: Ob ich den bei der Tankstelle A oder bei der Tankstelle B kaufe – die Qualität ist sehr ähnlich. (Abg. Matznetter: Das ist bei Manner-Schnitten ...!) Bei Lebensmitteln, bei Grundnahrungsmitteln habe ich keine homogenen Güter, es spielt eine große Rolle, welche Qualität das Gut hat, wo es herkommt, welche Siegel damit verbunden sind. Das heißt, es ist nicht ganz so einfach.
Natürlich kann ich sagen: Ich stelle Preistransparenz her!, aber was passiert, wenn ich einfach Preistransparenz herstelle? – Dann werden die Produzentinnen und Produzenten der hochqualitativen österreichischen Lebensmittel, die österreichischen Bäuerinnen und Bauern benachteiligt und billige ausländische Anbieter bevorzugt. Ich glaube, das wäre nicht im Interesse von irgendjemandem in diesem Saal. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz. – Ruf bei der ÖVP: Philip! Philip!)
Es braucht also eine Grundlage, wo die Daten bereitgestellt werden, wo registrierte Appanbieterinnen, Appentwicklerinnen und -entwickler diese Daten verwenden können – übrigens auch wissenschaftliche Einrichtungen; das haben wir vorgeschlagen – und wo die Daten möglichst aktuell verfügbar sind. Davon profitieren die Konsumentinnen und Konsumenten.
All diese Punkte stehen derzeit zur Diskussion. (Abg. Kucher: Seit zwei Jahren! Seit zwei Jahren! – Ruf bei der ÖVP: Philip, das ist ein Profi!) Das ist ein Vorschlag, der die schwierige Kombination auf der einen Seite von Wettbewerb mit Preistransparenz und auf der anderen Seite von fairen Bedingungen für die österreichischen Lebensmittelproduzentinnen und -produzenten, für viele kleine Bäuerinnen und Bauern gut kombiniert, und ich denke, dass dieser geplante rechtliche Rahmen auch gelingen kann.
Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass alle notwendigen und vor allem auch sinnvollen Maßnahmen ergriffen werden, um die Inflation weiter zurückzudrängen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Prammer und Schwarz. – Abg. Kucher: Gerade wo die Praxis gekommen wäre, hat er aufgehört!)
17.54
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli zu Wort. – Bitte.