11.00
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Danke für das Wort. Sehr geehrter Herr Sozialminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Nationalrat! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und auch zu Hause! In den letzten Tagen, vor allem am vergangenen Wochenende, hat sich in einigen Regionen Österreichs ein unvorstellbares Katastrophenereignis eingestellt, unvorstellbare Regenmengen sind gefallen (Ruf bei der FPÖ: Sozialbericht! – Abg. Wurm: Ordnungsruf!), sehr betroffen ist auch mein Heimatbezirk, Graz-Umgebung. (Zwischenruf des Abg. Stefan.)
Es hat sich gezeigt, dass der solidarische Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sehr gut ausgeprägt ist. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklichen allen Ehrenamtlichen in den Einsatzorganisationen danken, aber vor allem den freiwilligen Feuerwehren – in meinem Bezirk ganz besonders Bereichskommandanten Gernot Rieger und stellvertretend für alle Abschnittskommandanten Andreas Reiter (Ruf bei der FPÖ: Sozialbericht!) –, die sich in den letzten Tagen mit Hunderten Freiwilligen Tausende Stunden engagiert haben, um die Schäden zu minimieren, um den verzweifelten Menschen vor Ort zu helfen. Ich möchte das ausdrücklich hier am Beginn der Debatte zum Sozialbericht hervorheben und ein ganz großes Dankeschön aussprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)
Das Thema Ehrenamtlichkeit korreliert auch ausdrücklich mit dem Sozialbericht, der – wie es ein Vorredner gesagt hat – eigentlich eine „Leistungsschau“ des Sozialstaates Österreich ist, weil sich ein Kapitel mit dem Thema Ehrenamtlichkeit und freiwilliges Engagement befasst. Laut einer statistischen Erhebung engagieren sich in Österreich 49 Prozent aller Menschen ab dem 15. Lebensjahr freiwillig. In Summe sind es circa 3,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher oder Menschen, die hier wohnen, die sich freiwillig in den verschiedensten Vereinen, NGOs und dergleichen engagieren. Das ist absolut ein sehr, sehr hoher Wert, europaweit und weltweit ein Höchstwert, auch im Vergleich gesehen.
Wir haben als Gesetzgeber – und das ist im Sozialbericht auch dargestellt – gerade im vergangenen Jahr einiges dazu beigetragen, um dieses soziale Engagement zu stärken, indem wir das Freiwilligengesetz geändert haben, einige neue Dinge eingeführt haben, an der Freiwilligenstrategie 2023 gearbeitet haben und eben auch einige Rahmenbedingungen verbessert haben. Daher passt dieses Thema auch sehr gut zur Debatte über den Sozialbericht.
Wirklich sehr aktiv war die Bundesregierung und damit auch der Gesetzgeber in den letzten Jahren im Bereich der Pflege. Wir haben zwei große Pflegepakete hier gemeinsam erarbeitet, gemeinsam beschlossen – ein großes Danke an die Hauptprotagonisten, an unseren Klubobmann Gust Wöginger und an den Sozialminister, Herrn Rauch, weil es wirklich in vielen Bereichen Verbesserungen gegeben hat. Das soll nicht heißen, dass damit alles erledigt ist; nein, es wurde soeben auch ein weiteres Paket mit einigen weiteren Maßnahmen angekündigt.
Ich nehme nur einen Punkt heraus, zum Beispiel das Pflegestipendium: 7 000 Menschen haben dieses im Vorjahr bereits in Anspruch genommen, um sich in eine Pflegeausbildung zu begeben, um dem drohenden beziehungsweise dem aktuell bestehenden Personalmangel entgegenzuwirken. Die Bundesregierung war in dieser Hinsicht sehr aktiv, und das kann man auch im Sozialbericht sehr gut nachlesen.
Immer wieder kommt das Thema Armut und Armutsbekämpfung auf. Das ist ein sehr, sehr wichtiges Thema, das wir als Staat, der sich immer zu einem ganz großen sozialen Bekenntnis durchgerungen hat, vorweg auch diskutieren müssen. Eines sei aber Herrn Wurm und auch Herrn Kucher – der jetzt nicht im Saal ist –, die vorhin auch zum Thema Armut gesprochen haben, schon gesagt: Österreich war in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr erfolgreich in der Armutsbekämpfung, das zeigt jede Statistik.
Vor 15 Jahren, im Jahr 2009, zum Beispiel waren noch etwa 6 Prozent der Bevölkerung erheblich materiell depriviert, wie es so schön oder so kompliziert heißt, also in echter Armut. Das hat sich in den letzten Jahren stark verringert – stark verringert bis zum Vorvorjahr, bis 2022, auf etwa 2,1 Prozent, 2,4 Prozent. Es stimmt, im vergangenen Jahr ist diese Armut, diese echte Armut auch aufgrund der Entwicklungen, aufgrund der hohen Inflation wieder gestiegen. Da müssen wir hinschauen, das ist überhaupt keine Frage, aber im Rückblick hat der österreichische Sozialstaat in den letzten Jahrzehnten und in den letzten Jahren sehr viel im positiven Sinne weitergebracht.
Ganz besonders möchte ich auf die Jugend eingehen. Da zeigt die Statistik eine eigentlich sehr erfreuliche Zahl: Den geringsten Anteil an absolut armen jungen Menschen in der Europäischen Union verzeichnen laut Eurostat mit 1,1 Prozent Slowenien, Luxemburg und Österreich; EU-Schnitt: 6,1 Prozent; in Deutschland: 6,3 Prozent. Diese 1,1 Prozent sind noch immer zu viel, aber unser Sozialstaat ist extrem gut aufgestellt, wenn es darum geht, Armut zu bekämpfen.
Es hat natürlich Hintergründe, warum das so ist. Österreich – das wurde erst vor Kurzem ausgewiesen und Frau Bundesministerin Raab hat das sicher auch wohlwollend zur Kenntnis genommen – hat europaweit mit 12 Prozent des BIPs die höchsten Familienleistungen aller Länder in der Europäischen Union. Das zeigt sich eben auch: ein Armutsbekämpfungsprogramm auch mit Blick auf Familien mit Kindern und jugendliche Menschen.
Eine wichtige Aussage im Sozialbericht – eine der wichtigsten aus meiner Sicht – betreffend den Bereich der Armutsbekämpfung ist: „Für einen armutsfesten Sozialstaat spielt Erwerbsarbeit eine zentrale Rolle.“
Auch wenn der Arbeitsminister – weil es ja nicht sein Punkt ist – jetzt nicht da ist: Gerade der Arbeitsminister war in den vergangenen Jahren – Kollege Muchitsch war da oft an Bord – sehr, sehr aktiv in der Arbeitsmarktpolitik. In den letzten drei Jahren haben wir die jeweils höchsten Budgets für den Bereich Arbeitsmarktpolitik bereitgestellt, weil eben die Erwerbsarbeit der erste Punkt ist, um Armut zu bekämpfen. Deswegen haben wir auch einige Maßnahmen gesetzt, zum Beispiel Überstunden steuerlich zu begünstigen, auch die kalte Progression kann man hier erwähnen, mehr Netto vom Brutto. – All das dient dazu, dass die Menschen mehr Einkommen haben, dass sie nicht in Armut verfallen.
Wir haben auch noch einige Vorhaben im Programm. Wir sprechen etwa von einem Vollzeitbonus. Ja, die Teilzeitbeschäftigung ist ein Problem. Wir haben da eine sehr hohe Quote in Österreich und Teilzeitbeschäftigte sind tendenziell auch eher armutsgefährdet. Dazu gehört auch das Thema Ausbau der Kinderbetreuung, damit Vollzeitarbeit, höheres Einkommen möglich ist.
Schon erwähnt wurde heute, und ich möchte es noch einmal sagen, weil es heute schon in der Früh eine sehr erfreuliche Nachricht war – auch auf Ö3 habe ich es gehört –, dass eben der Global Peace Index veröffentlicht wurde und Österreich weltweit – weltweit! – bezüglich des Friedens an dritter Stelle liegt, nämlich hinter Island und Irland. Dazu sage ich, gerade mit diesem Sozialbericht in der Hand (ein Exemplar des Berichtes in die Höhe haltend): Maßgeblich für Frieden ist auch der soziale Friede. Für den sozialen Frieden in einem Land ist es unabdingbar, dass der Sozialstaat in der Breite akzeptiert wird. Wir schlagen deshalb im Österreichplan von Karl Nehammer auch einige Änderungen für die Zukunft vor, etwa dass wir uns, gerade was die Zuwanderung betrifft, das dänische Modell ganz genau anschauen und den vollen Anspruch auf Sozialleistungen in Zukunft eben erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich gewähren wollen.
Die Kunst im Sozialstaat ist einfach, ihn für alle bereitzuhalten, die ihn brauchen, den Laden aber für jene zu schließen, die ihn missbrauchen. Österreich hat einen guten Sozialstaat, er ist krisenfest, aber wir werden immer an einer Verbesserung arbeiten müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Gibt’s in der ÖVP keine Ordner mehr? – Abg. Michael Hammer: Bei uns darf jeder so lange reden, wie er will! ... wie er kann!)
11.09
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.