11.09
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Dieser Sozialbericht hat zwei Teile. Der erste Teil berichtet über das, was das Ministerium gearbeitet hat; das wird natürlich zu Recht ausgeführt, weil wir einen sehr starken, sehr umfassenden Sozialstaat haben. So etwas, was wir in Österreich haben, gibt es meines Erachtens in ganz Europa in dieser Ausbaustufe nirgends. Also das ist herzuzeigen und das Gegenteil von einem Grund, zu jammern.
Der zweite Teil dieses Sozialberichts, mit den sogenannten sozialpolitischen – unter Anführungszeigen – „Analysen“, der ist allerdings ein Skandal. Wenn Sie lesen, was da drinsteht, dann glauben Sie, Sie leben irgendwo in Burkina Faso.
Zuerst beginnen wir mit einer Armutsstudie, die auf einer Umfrage basiert. Da werden zum Beispiel die Bürger der Gemeinde Wien befragt, ob sie ein Auto haben. In Wien brauchen sie kein Auto, da haben sie einen super öffentlichen Verkehr; und wenn sie sagen, sie haben kein Auto, ist das ein Armutsindikator. (Abg. Michael Hammer: Na die Freiheitlichen haben Tesla!)
So wird hier gearbeitet! Sogar die Statistik Austria, die diese Studie gemacht hat, sagt, wir brauchen besseres Datenmaterial. Also man macht eine Umfrage, erklärt die Leute für arm, und ausgehend von dem wird dann eine sozialpolitische – unter Anführungszeigen – „Analyse“ gemacht.
Zu welchen Schlüssen die Autoren da kommen, also da kann man sich nur an den Kopf greifen. Zum Beispiel wird festgehalten, dass Teilzeitarbeit ein Armutsrisiko mit sich bringt. – Stimmt. Und welchen Schluss ziehen die Autoren? – Ja, dann müssen wir die Arbeitszeit verkürzen, damit werden Teilzeitkräfte automatisch zu Vollzeitkräften, dann reichen 30 Stunden, um Vollzeit zu arbeiten, und somit ist das Armutsrisiko bereinigt. – Also so einfach ist die Welt! Warum denken Sie nach? (Abg. Hörl: Falsche Rechnung!) Warum möchten Sie mehr arbeiten, wenn wir einfach die Vollzeitarbeitszeit heruntersetzen können? – So ein toller Bericht ist das.
Überhaupt, nach diesem Bericht trägt der Staat die Verantwortung für öffentlich finanzierte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose mit einer staatlichen Arbeitsplatzgarantie. Auch ganz einfach, nicht? Zahlen wir halt noch mehr Steuern und finanzieren damit Arbeitsplätze!
Der Sozialpartnerschaft – nach mir kommt noch Kollege Muchitsch als führender Sozialpartnervertreter (Abg. Leichtfried: Nein, nachher kommt Kollegin Neßler!) – wird ein ganz schlechtes Zeugnis ausgestellt, weil laut diesem Bericht die kollektivvertraglichen Mindestlöhne vielfach nicht hinreichen, um armutsfest zu sein, und daher werden gesetzliche Mindestlöhne gefordert. – Das aus dem Sozialministerium mit dem Siegel der Bundesregierung oben drauf. Man fragt sich wirklich!
Offensichtlich hat der Herr Minister eine ganz eigenartige Politik, wer bei ihm einen Termin bekommt, denn in diesem Bericht steht wörtlich: „Vermögende Menschen profitieren von [...] vorrangigem Zugang zu politischen Entscheidungsträgern“. – Das hätte ich dem Herrn Minister gar nicht zugetraut, dass bei ihm die vermögenden Menschen einen besseren Zugang haben als die Nichtvermögenden! Aber es steht in diesem Bericht, dann muss es ja wohl stimmen.
Also bei mir bekommen alle einen Termin, ich frage nicht nach dem Vermögen. Aber offensichtlich ist das bei grünen Ministern so. Bei Frau Gewessler ist es nicht so, es bekommen nicht einmal die Austrian Airlines einen Termin bei der Verkehrsministerin, aber das ist ein anderes Thema. (Beifall der Abgeordneten Scherak und Hörl. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Das Ding soll ja wissenschaftlich sein. Es sind vielleicht auch ein paar Studierende anwesend. Wenn Sie wissenschaftlich arbeiten und Sie zitieren etwas, dann arbeiten Sie mit Fußnoten. Dann zitieren Sie aus einem Schriftwerk, dann ist es Fußnote 1, und hinten tun Sie es dran. Das gibt es hier nicht, da wird einfach die Literatur hinten en bloc alphabetisch sortiert aufgelistet. Wo da wer zitiert wird, das können Sie sich aus den Fingern saugen; von Wissenschaftlichkeit keine Rede.
Im Sozialministerium arbeitet ja ein Haufen sozialdemokratisch sozialisierter Leute, und das spiegelt sich dann auch in dem Bericht wider. So werden SPÖ-Forderungen übernommen, zum Beispiel das Arbeitslosengeld müsse auf 70 Prozent Ersatzrate erhöht werden, von jetzt 55 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Wenn das eine wissenschaftliche Arbeit wäre, dann müsste drinstehen, dass 82 Prozent der Bezieher von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gar nicht diese 55 Prozent bekommen, sondern viel mehr, weil 82 Prozent irgendwelche Familienzuschläge, Ergänzungszuschläge, Schulungszuschläge bekommen (Abg. Leichtfried: Redezeit ...!) und nur 18 Prozent der Betroffenen mit diesen 55 Prozent das Auslangen finden müssen. Wissenschaft, meine Oma, das hier (ein Exemplar des Berichtes in die Höhe haltend) können Sie einrexen, 400 Seiten für die Fische!
Noch ein paar schöne Zitate aus diesem Werk: „Die Eigentümergesellschaft, eine Vision des vorigen Jahrhunderts, ist gescheitert“. – (Abg. Leichtfried: Wer ist bei den NEOS Ordner?) Oh, sie wollen Eigentum. Die jungen Menschen, die hier sind, wünschen sich vielleicht später einmal eine Eigentumswohnung oder ein Haus. Die Eigentumsgesellschaft ist gescheitert, richtet ihnen der Sozialminister aus.
Dann werden Steuern gefordert: eine Bodenrente, eine Erbschaftssteuer und eine Steuer auf das Nettovermögen, und es wird ausdrücklich festgehalten: Natürlich braucht es alle drei, nicht eine von den dreien! Das sind „unerlässliche Instrumente“ für den Sozialstaat, unerlässliche! Da gibt es keine Diskussion. So wissenschaftlich sind wir hier!
Besonders die Steuer auf das Nettovermögen ist „entscheidend für den Schutz der Demokratie“. Verstehen Sie: Wir brauchen eine Vermögensteuer für den Schutz der Demokratie, denn sonst ist die Demokratie gefährdet!
So ein Mist steht da (ein Exemplar des Berichtes in die Höhe haltend) drinnen. (Hallo-Rufe bei Grünen und SPÖ.) Ich sage Ihnen, einrexen können Sie das Ding! Steuergeld vernichtet, Hunderte Seiten für nichts und wieder nichts! (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Ruf: Bravo, Gerald! – Abg. Greiner: Respekt ist, glaub ich, was anderes, oder? – Abg. Leichtfried: Die Rede war gleich lang wie schlecht!)
11.15
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Barbara Neßler zu Wort. – Bitte.