11.41

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­schauerinnen und Zuschauer, Besucherinnen und Besucher! Ja, Sie merken selber, es gibt sehr unterschiedliche Lesarten dieses Sozialberichtes. Die einen sagen, es war noch nie so gut wie jetzt. Es gibt aber auch andere, die sagen, dass unser Sozialstaat Wunden bekommen hat.

Diese Wunden, die er bekommen hat, die – das sagen wir als Sozialdemokratie – kann man seit dem Jahr 2017 messen. Seit der Regierung Kurz, seit Schwarz-Blau wurde vieles an Verschlechterungen für Menschen, die es wirklich brauchen (Abg. Wurm: Frau Kollegin!), beschlossen. Ihr Blauen wart bei diesen Verschlechterungen live, live, live dabei (Ruf bei der ÖVP: Was zum Bei­spiel?), die wir da – zum Teil wirklich schriftlich – schwarz auf weiß ablesen können.

Dann gibt es die anderen, die sagen, es war noch nie so gut wie jetzt, wir brauchen eigentlich gar nichts für die Leute – die an der Armutsgrenze oder drunter leben – zu tun, denn die Welt, so wie wir sie sehen, ist in Ordnung. Das bezieht sich wahrscheinlich auf eure Welt, liebe ÖVP, aber nicht auf die Welt der Leute draußen.

Ich möchte zu Beginn auf zwei Termine aufmerksam machen. Am 17. Juni, Herr Bundesminister, werden zwei Kapitel der WU-Studie vorgestellt. Gerüchte besagen – ich habe es in den Medien gelesen –, dass die Autoren, die sozusagen auch Vermögen- und Erbschaftssteuern vorschlagen, von der Oesterreichi­schen Nationalbank ausgeladen wurden beziehungsweise nicht eingela­den werden, zu präsentieren. Vermögen- und Erbschaftssteuern, die wir als Sozialdemokratie schon lange vorschlagen, wären ein adäquates Mittel, um die Wunden des Sozialstaates wieder zu schließen und ihn wieder sicher zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Termin findet schon übermorgen statt. Herr Bundesminister, Sie haben sich dazu bekannt, dass Sie in einer großen Runde Vorschläge dazu machen wollen, wie eine Kindergrundsicherung ausschauen soll. Wir haben heute schon darüber geredet, dass Kinder gute Bildung genießen können, nicht in Armut aufwachsen müssen, dass Kinder ein adäquates, warmes Mittag­essen am Tag bekommen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Kinder jetzt in unseren Schulen sitzen, die keine Jause mithaben. Ich möchte nicht wissen, wie viele Jugendliche daheim depressiv im Bett liegen, weil sie keine Therapie bekommen können. Ich möchte nicht wissen, wie viele alleinerziehende Mütter ihre Kinder halb krank in die Schule schicken ich kenne solche Beispiele , weil sie Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. All das sind Tatsachen, über die man schon auch reden muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Übermorgen findet der Gipfel statt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Als Ideengeberin hat die Volkshilfe fungiert, alle neun Bundesländer sind aufgesprungen, sie haben gesagt, wir brauchen in Österreich so etwas wie eine Kindergrundsicherung. Es gibt einen einstimmigen Beschluss der Bundes­länder dazu und der Bundesminister greift das jetzt auf. Wir haben einen Antrag vorliegen, mit dem wir uns heute dazu entschließen könnten, den Herrn Bundesminister dabei zu unterstützen, wenn er die Kindergrundsicherung be­sprechen und hoffentlich mit Ihnen positiv diskutieren wird. Daher ist es meine Aufgabe und auch meine Freude, Ihnen diesen Entschließungsantrag jetzt näherzubringen.

Er basiert auf einem Dreisäulenmodell, nämlich einem Mix aus Sach- und Geldleistungen, damit gleichermaßen für alle Kinder eine wirkliche Untergrenze gegeben ist und Kinder in einkommensschwächeren Familien – jene, die es mehr brauchen – einkommensabhängig noch mehr dazubekommen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Kindergrundsicherung – Jedes Kind hat das Recht auf ein Aufwach­sen ohne finanzielle Sorgen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, um Kinderarmut künftig zu beseitigen, das vorab dargestellte Modell der Kindergrundsicherung, welches auf den folgenden drei Säulen basiert, auszuarbeiten und dem Nationalrat ehestmöglich zur Beschlussfassung zu übermitteln:

- Rasche Investitionen in den Ausbau kostenfreier kindbezogener Infrastruktur,

- Einführung eines Universalbetrages für alle Kinder unter Zusammenfüh­rung von Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag und Familienbonus Plus für alle Familien in voller Höhe,

- Einführung einer einkommensabhängigen Leistung, um armutsbetroffe­nen Kindern die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

*****

Mit diesem Antrag erleichtern wir Ihnen die Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Petra Wimmer, Christian Oxonitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend „Kindergrundsicherung – Jedes Kind hat das Recht auf ein Aufwachsen ohne finanzielle Sorgen!“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1.) zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbericht 2024 des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (III­1146/2586 d.B.)

Kinderarmut ist nicht hinnehmbar. Kinder brauchen Geborgenheit und Zuversicht, um sich frei entwickeln und entfalten zu können. Auch der aktuelle Sozialbe­richt 2024 bestätigt, dass Kinderarmut enorme Folgen für die Betroffenen im Erwachsenenalter haben, darüber hinaus aber auch enorme volkswirtschaftliche Kos­ten verursacht.

Mit der Einführung einer Kindergrundsicherung soll jedem Kind in Österreich ein Aufwachsen ohne finanzielle Sorgen ermöglicht werden. In Österreich sind mehr als 350.000 Kinder und Jugendliche armutsgefährdet. 239.000 leben in einem Haushalt, der die Wohnung aus finanziellen Gründen nicht angemessen warmhalten kann. Besonders dramatisch ist die Situation von Alleinerziehenden und ihren Kindern. Von 2020 auf 2021 stieg die Armutsgefährdung in dieser Gruppe um fünf Prozent auf 36 Prozent. Rund 40 Prozent können sich die Nachmittagsbetreu­ung für ihre Kinder nicht mehr leisten. Die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von Kinderarmut kosten die Republik jedes Jahr 17 Milliarden Euro.

Ziel muss sein: Keine Angst mehr vor dem Monatsende, wenn sich nur noch Nudeln und Toast ausgehen, um satt zu werden. Chronische Erkrankungen, Fehlzeiten in der Schule, Scham – all das würde wegfallen und Raum für mehr schöne Erlebnisse mit der Familie, Freunden und Hobbys schaffen. Mit der Kindergrundsicherung sollen alle Kinder unterstützt werden und insbesondere jene Familien finanziell ge­stärkt werden, die mit weniger Haushaltseinkommen auskommen müssen.

Eine armutsbeseitigende und armutsvermeidende Kindergrundsicherung muss aus drei Säulen bestehen:

1. Säule: Bereitstellung kostenfreier kindbezogene Infrastruktur - insbesondere der Anspruch auf qualitativ hochwertige Kinderbildung mit gratis Mittagessen, der kostenlose Zugang zu Ferien- und Freizeitangeboten sowie eine flächen- sowie bedarfsdeckender Versorgung mit ärztlichem und therapeutischem Angebot

2. Säule: Ein Universalbetrag für alle Kinder - abhängig von Anzahl und Alter der Kinder von zumindest 367 Euro pro Monat unabhängig vom Einkommen der Eltern

3. Säule: Eine einkommensabhängige Leistung - in der Höhe von maximal 27 Prozent des jeweils geltenden Ausgleichzulagenrichtsatzes pro Monat

Diese Kindergrundsicherung soll bisher bestehende Leistungen, wie die Familien­beihilfe und den Kinderabsetzbetrag zusammenführen und den alten Familienbonus Plus in Zukunft für alle Kinder inkludieren. So erhalten alle Familien den Familienbonus Plus in voller Höhe. Das bedeutet einen Universalbetrag, abhängig von Alter und Anzahl der Kinder von mindestens 367 Euro pro Monat für jedes Kind – unabhängig vom Einkommen der Eltern.

Um armutsbetroffene Kinder zusätzlich abzusichern und ihnen Teilhabe in den Be­reichen Bildung, Gesundheit, Sport und Kultur zu ermöglichen, erhalten sie eine einkommensabhängige Zahlung in der Höhe von maximal 27 Prozent des jeweils geltenden Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit 312 Euro) pro Monat.

Darüber hinaus braucht es den massiven Ausbau kindbezogener Infrastruktur. Insbesondere muss rasch in den kostenfreien Anspruch auf qualitativ hochwertige Kinderbildung mit gratis Mittagessen, kostenlosen Zugang zu Ferien- und Freizeitangeboten und flächen- sowie bedarfsdeckender Versorgung mit ärztlichem und therapeutischem Angebot investiert werden. Auf diese Weise wird gewähr­leistet, dass alle Kinder gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können und verhindert, dass Armut vererbt wird. Kein Kind soll zurückgelassen werden.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung, insbesondere für Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, um Kinderarmut künftig zu beseitigen das vorab dargestellte Modell der Kindergrundsicherung, welches auf den folgenden drei Säulen basiert, auszuarbeiten und dem Nationalrat ehest­möglich zur Beschlussfassung zu übermitteln:

1)    Rasche Investitionen in den Ausbau kostenfreier kindbezogener Infrastruktur,

2)    Einführung eines Universalbetrages für alle Kinder unter Zusammenführung von Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag und Familienbonus Plus für alle Fami­lien in voller Höhe,

3)    Einführung einer einkommensabhängigen Leistung, um armutsbetroffenen Kin­dern die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.