20.10
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Werter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und noch wenige Zuseherinnen und Zuseher beziehungsweise Zuhörer und Zuhörerinnen, die wir haben! Ich möchte einmal mit dem Positiven anfangen: Man ist uns so weit entgegengekommen, dass wir heute hier zustimmen können. Ob es ausreichend ist? – Darüber haben wir schon diskutiert.
Das zweite Positive war die Frau Bundesministerin, die uns in ihrer Wortspende soeben ein paar Dinge offenbart hat: zuallererst die Offenlegung, dass wir in Europa in Wirklichkeit eine Art Selbsttäuschung betreiben, dass russisches Gas, das über freie Handelsbörsen geht, plötzlich zu neutralem Gas wird – was überhaupt nichts ändert, weil natürlich am Ende des Tages jeder Kubikmeter, jede Kilowattstunde gezahlt wird und in die Maschinerie hineinfließt.
Der nächste positive Punkt: die Ehrlichkeit von Kollegin Graf, dass natürlich die LNG-Lieferungen längst auch russisches Gas umfassen. Das stimmt, aber wir reden ja auch hier von Diversifizierung (Abg. Tanja Graf: Ja, da müssen wir aber ehrlich sein zu Österreich!), daher muss man ehrlich wissen, wo es herkommt, und es muss gemischt sein. Eines muss uns aber klar sein: Wenn man LNG-Terminals hat, hat man viel mehr Möglichkeiten zum Einkaufen. (Abg. Tanja Graf: Ja, wir haben aber leider keine!) Wir, die wir am Pipelinenetz hängen, sind dringend darauf angewiesen, dass diese Kapazitäten dafür ausreichen.
Nun komme ich zu den Dingen, die weniger positiv sind: Frau Bundesministerin, ich habe ja ein tiefes Verständnis dafür, dass man im Ressort nicht alle Bereiche heiß lieben muss. Ich verstehe auch bei Ihrem Curriculum Vitae als engagierte NGOlerin, die Sie waren, dass Erdgas fossil ist und etwas ist, mit dem man sich nicht beschäftigen will. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gewessler.) Das verstehe ich. Das Problem ist nur: In der Situation, die seit dem Februar 2022 hier besteht, müssen Sie sich überwinden und müssen auch in diesem Bereich dafür sorgen, dass die industrielle Prozesswärme immer gesichert ist – das heißt: Erdgas in der Industrie –, dass die Wohnungen und Häuser warm sind, und daher müssen Sie sich damit beschäftigen.
Ehrlich gesagt denke ich mir, wenn ich heute dann von der Regierungsfraktion höre: Ah, jetzt werden wir den WAG-Loop bauen! (Abg. Kassegger: Wann ist der denn fertig?), dass wir Mai 2024 schreiben, Frau Bundesministerin. (Ruf bei den Grünen: Na, wir werden den nicht bauen!) Die Frage der Finanzierung hätte man im März 2024 klären müssen, weil wir das Leitungsnetz gesehen haben. Was für Argumente haben wir denn gehört? – Kollege Hammer sagte, über Tschechien könnte etwas nach Baumgarten kommen – mit einer Kapazität, die geringer ist als das, was die tschechische Industrie nimmt! –, und man hat auch gehört, man könnte das Gas über Arnoldstein hereinbringen. (Abg. Lukas Hammer: Nein!) – Freunde, so macht man nicht Versorgungssicherheit.
Ja, ich bin froh, dass Sie heute so weit sind, Frau Bundesministerin, wir müssen etwas für die Versorgungssicherheit tun – und richtig: Wir müssen diversifizieren (Bundesministerin Gewessler: ... seit zwei Jahren!), und zwar nicht mit dem hehren Ziel: Putin darf allein kein Geld bekommen!, sondern weil jede Abhängigkeit hoch riskant ist, daher muss es gemischt sein.
Unsere Alternativen sind ja auch nicht die menschenrechts- und demokratiefreundlichsten. Also wir können ein bisschen nach Zentralasien schauen oder nach Katar. Ehrlich gesagt, blühende demokratische Rechtsstaaten, in denen das Erdgas nur so aus dem Boden strömt, gibt es nicht allzu viele. (Ruf bei den Grünen: Eben!) In die Abhängigkeit der USA zu geraten, deren Präsident Biden schon verkündet (Zwischenruf des Abg. Scherak), dass der Ausbau der LNGs aus Nationalinteresse gesperrt ist, wird auch nicht das Gelbe vom Ei sein. (Abg. Loacker: Dann lieber Putin ..., lieber Putin als die USA!) Daher: Richtig, wir müssen versuchen, den Bedarf herunterzusetzen, richtig, wir müssen diversifizieren (Ruf: Aber nicht zu viel, gell!), aber es muss eine Mischung sein. (Zwischenrufe der Abgeordneten Scherak und Schwarz.)
Nun zum letzten Punkt, zur Frage der Versorgungssicherheit (Abg. Loacker: So moskautreu, wie ihr seids ...!): Frau Bundesministerin, Sie haben darauf verwiesen, dass es eine Ad-hoc-Mitteilung der OMV gibt (Heiterkeit des Abg. Scherak) – und ja, die OMV sorgt für 40 Prozent des Erdgasbedarfs im Lande –, in der sie sich auf den Fall bezieht, dass es zu einem Lieferausfall kommt. Vielleicht für die, die es nicht wissen: Ein Schiedsgerichtsverfahren eines anderen Unternehmens kann zu einem Rechtsanspruch gegenüber der Gazprom führen. Der Gläubiger, der das gewonnen hat, kann auf Vermögenswerte der Gazprom zugreifen und Exekution führen, auch im europäischen Rechtssystem. Das heißt, er kann aber eventuell auch auf die Kaufpreisforderungen der Gazprom gegenüber der OMV zugreifen – Drittschuldner. Dann könnte es dazu kommen, dass für das Gas, das wir über die OMV aus Russland beziehen, kein Rubel mehr rollt, und dann kann es passieren, dass nicht mehr geliefert wird.
Die OMV sagt, sie kann alle bestehenden Kunden mit bestehenden Aufträgen bedienen, das ist super. Nur eines muss uns klar sein: Das sind die, die schon jetzt fix bestellt haben, alle anderen sind nicht garantiert – und dann sind Sie wieder gefordert, Frau Bundesministerin.
Daher lautet mein Appell an Sie: Ich weiß, dass es unangenehm ist, ich weiß, dass Erdgas schlimme fossile Energie ist. Bitte, widmen Sie sich dem so, wie es all der Wichtigkeit, die das hat, entspricht. Sie bemühen sich manchmal – das habe ich heute auch erkannt und will es konzedieren (Zwischenrufe bei den Grünen) –, aber ehrlich gesagt: 27 Monate nach der Invasion darüber zu reden: Jetzt bauen wir dann eine Pipeline von Westen!, das ist ein bissi spät. (Abg. Loacker: Diese Rede wurde gesponsert von Radio Moskau! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) Ein bisschen früher aufzuwachen und ein bisschen schneller zu handeln würde Ihnen und vor allem dem Land guttun. (Beifall bei der SPÖ.)
20.17
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Kurt Egger. – Bitte, Herr Abgeordneter.