10.09

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen guten Morgen! Wir steigen in die Tagesordnung ein: Tagesordnungspunkt 1, bei dem wir das Ausländer­beschäftigungsgesetz, das Ausbildungspflichtgesetz, das Asylgesetz und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz behandeln. Konkret, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es um ukrainische Kriegsvertriebene, um Menschen, die jetzt die Möglichkeit haben sollen, eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus zu erhalten. Es wird über allgemeine Voraussetzungen, natürlich auch, was die Erfüllbarkeit betrifft, gesprochen und diskutiert.

Was sind die allgemeinen Voraussetzungen? – Innerhalb der letzten 24 Monate müssen diese vertriebenen Personen aus der Ukraine mindestens zwölf Monate vollversichert beschäftigt gewesen sein. Wenn das erreicht ist, können Ehe­gattinnen, Ehegatten und minderjährige Kinder ebenfalls eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus erhalten. Mit einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus ist ein freier Arbeitsmarkt­zugang möglich.

Das sind die allgemeinen Voraussetzungen – so weit, so gut –, aber jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, kommt etwas, das auch in Ihrer Gesetzes­vorlage enthalten ist, nämlich zusätzliche Voraussetzungen. Diese zusätzlichen Voraussetzungen sind für uns nicht zu akzeptieren, wir werden diesem Gesetzesvorschlag daher keine Zustimmung erteilen können.

Was sind Ihre zusätzlichen Voraussetzungen, die völlig an der Realität vorbei­gehen? Was müssen die ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger erfüllen?

Erstens müssen sie einen Rechtsanspruch auf eine Wohnung nachweisen, das heißt entweder einen Mietvertrag oder eine unentgeltliche Wohnrechts­vereinbarung. Das heißt, aus der Grundversorgung heraus ist diese Vorausset­zung nicht erfüllbar, die Personen, die ab März 2025 die Rot-Weiß-Rot-Karte plus haben wollen, müssen also wohnversorgt werden.

Zweitens müssen sie beim Erstantrag Deutschkenntnisse auf Niveau A1 erreichen, das heißt, Sie müssen auf Deutsch kommunizieren können.

Drittens – das ist das Wesentliche, das unserer Meinung nach an Ihrer Gesetzes­vorlage so unrealistisch ist – müssen sie nötige Unterhaltsmittel nachweisen. Abhängig von den Wohnkosten muss eine Familie, zum Beispiel eine Mutter mit zwei Kindern, ein Nettoeinkommen von mindestens 1 800 Euro nachweisen, und das ist weit weg von der Realität. Unabhängig davon bleibt in Ihrer Gesetzes­vorlage auch das Aufenthaltsrecht ungeklärt. Auch da gibt es also noch einige offene Fragen.

Werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, bitte erklären Sie uns heute in Ihren Reden Ihren Entwurf! Wir haben den Menschen aus der Ukraine einen sehr großzügigen Vertriebenenstatus ermöglicht. Da waren wir uns einig: Das ist uns wichtig, wir wollten schnell helfen. Angesichts dessen, was hier aber jetzt vorliegt, nämlich eine Nachfolgeregelung, die voraussetzt, dass diese betroffenen Menschen – das sind überwiegend Frauen; 70 Prozent der Vertriebenen sind Frauen mit Kindern – nachweislich wohnversorgt sein müssen, dass sie Deutschkenntnisse haben müssen und dass sie eine Beschäf­tigung mit einem Monatseinkommen von mindestens 1 800 Euro netto nachweisen müssen, frage ich Sie: Wer von diesen vertriebenen Menschen aus der Ukraine soll diese Voraussetzungen erfüllen?

Was sind das für Voraussetzungen für Menschen, die jetzt einen Job gefunden haben – wie gesagt: überwiegend Frauen, überwiegend in der Gastronomie, im Tourismus, in der Reinigung, in Wäschereien? Gerade in diesen Branchen – das wissen wir – betragen die Nettoeinstiegslöhne für Hilfskräfte um die 2 000 Euro brutto, das heißt, diese Menschen haben nie eine Chance, diese 1 800 Euro netto zu erreichen.

Wissen Sie, einerseits beklagt die Wirtschaft jeden Tag einen Arbeitskräfte­mangel in Österreich – gerade in diesen Branchen –, und andererseits wollen Sie hier heute ein Gesetz beschließen, das bewirkt, dass Arbeitskräfte nicht bleiben dürfen. Da schaltet es bei uns aus, und wir fragen Sie, was diese Vorlage wirklich soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend frage ich Sie wirklich: Was machen Sie dann, im März 2025, mit diesen Menschen, die jetzt eine Beschäftigung haben und die 1 800 Euro nicht erreichen? Was machen Sie mit diesen Frauen? Was machen Sie mit diesen Kindern? Schicken Sie sie zurück in die zerstörten Häuser? Schicken Sie sie zurück in Gebiete, wo keine Infrastruktur mehr da ist, wo alles zerstört worden ist?

Deshalb unser Appell: Schaffen Sie für die Menschen Voraussetzungen, die erreichbar sind, sodass diese Menschen, die jetzt schon hier beschäftigt sind, auch in Österreich bleiben können! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: In Wien gibt es noch freie Schrebergärten! – Abg. Belakowitsch: Nein, die hat die Bayr gekauft, günstig!)

10.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Grünberg. – Bitte.