15.37

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir freuen uns sehr über das vorhin geäußerte Lob für die Arbeit der Volksanwaltschaft; wir werden das selbstverständlich unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitergeben.

Wir freuen uns auch über eine grundsätzlich sehr gute Zusammenarbeit mit der Verwaltung und mit der Politik. Es ist durchaus so, dass viele Anregungen beziehungsweise Empfehlungen der Volksanwaltschaft sowohl auf Verwaltungs­ebene als auch auf politischer Ebene aufgegriffen werden und dass man ernsthaft versucht, die Probleme, die wir aufgezeigt haben, im Interesse der Leute, die sich bei uns beschwert haben, zu lösen.

Ich sage das deshalb vorab, weil ich mich in meinem weiteren Redebeitrag auf jene Bereiche konzentrieren werde, in denen noch Handlungsbedarf besteht und eine Lösung offensichtlich nicht so schnell und einfach zu finden war. Ich appelliere an Sie als gesetzgebendes Organ, dort, wo es möglich ist, mithilfe von Gesetzesänderungen die Situation für die Betroffenen zu verbessern.

Zuerst möchte ich mich dem Thema postvirale Erkrankungen widmen – es wurde heute schon angesprochen. Die Zahl von Menschen, die unter Long Covid, Post Covid, ME/CFS oder ähnlichen Erkrankungen leiden, steigt leider, und die Versorgungslage in Österreich ist gelinde gesagt verbesserungs­bedürftig. Vor allem seit entsprechende Post-Covid-Ambulanzen geschlossen wurden, haben die Menschen eigentlich kaum Anlaufstationen. Sie suchen sich Privatärzte, sie finden im öffentlichen System niemanden, der ihre Krankheit richtig diagnostiziert, geschweige denn behandeln kann.

Da braucht es viel Aufklärung für Medizinerinnen und Mediziner und ein Schaffen von neuen Anlaufstellen für die Betroffenen. Das ist eine langwierige Erkrankung. Sehr oft verlieren Betroffene ihren Arbeitsplatz, dann braucht es eine soziale Absicherung.

Die naheliegende Form der Absicherung, da man nicht arbeitsfähig ist, ist, dass man bei der Pensionsversicherung einen Antrag auf Rehageld stellt. Auch dort berichtet man uns über viele Probleme, die bei dieser Antragstellung auftreten. Es werden bettlägerige Leute, bei denen jegliche Aufregung, jegliche Bewegung, das Außer-Haus-Gehen schon zu einer Verschlimmerung der Situation führt, aufgefordert, mehrere Gutachter aufzusuchen und dabei teils lange Wegstrecken in Kauf zu nehmen. Das ist einfach unzumutbar. Das führt zu keiner Verbes­serung, sondern zu einer Verschlechterung der Krankheit.

Wenn Rehageld gewährt werden sollte, dann ist es in der Regel so, dass damit kein Betreuungsplan verbunden ist, sondern dass man nur die Zeit abwartet, für die das Rehageld genehmigt wurde, und dann neuerlich eine Begutachtung durchführt. Es wäre hoch an der Zeit, dass man mit einem vernünftigen Case­management die Leute durchs medizinische System leitet und versucht, wenigstens ihre gesundheitliche Situation zu verbessern.

Das dritte Problem, das bei derartigen Erkrankungen auftritt, ist die Zuerken­nung von Pflegegeld. Auch da gibt es große Probleme mit den Gutachtern, und wenn, dann wird bestenfalls Pflegestufe 1 zuerkannt. Da bräuchte es eine Änderung der Einstufungsverordnung. – So weit zum Themenbereich ME/CFS.

Zum AMS kann man sagen, es wurden einige Dinge, die die Volksanwaltschaft aufgezeigt hat, aufgegriffen, beispielsweise wurde die dauernde Arbeitsunfähig­keit für junge Menschen etwas hintangehalten. Vor dem 25. Lebensjahr wird jetzt niemand mehr für dauernd arbeitsunfähig erklärt. Das ist durchaus ein Fortschritt, das hat die Volksanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Sonder­bericht „Lohn statt Taschengeld!“ auch verlangt.

Es ist aber ein anderes Problem aufgetaucht, das noch keiner Lösung zugeführt wurde, und zwar haben sich Frauen an uns gewandt, die leider im Notstands­hilfebezug sind, weil sie schon längere Zeit keine Arbeit finden. Wenn diese Frauen Witwen sind, dann wird die Witwenpension auf die Notstandshilfe angerechnet, obwohl Sie hier beschlossen haben, dass Partnereinkommen nicht mehr auf die Notstandshilfe anzurechnen sind.

Das heißt: Lebt eine Frau noch mit ihrem Partner zusammen, ist es ganz egal, wie viel der verdient, sie bekommt Notstandshilfe. Ist ihr Partner leider verstorben, war unterhaltspflichtig und sie bekommt als Unterhaltsleistung eine Witwenpen­sion, dann wird diese vollständig auf die Notstandshilfe angerechnet. Es gibt noch einen Fall dazwischen: Wenn die Frau geschieden ist und vom Ex-Partner Unterhalt bezieht, wird dieser Unterhalt so weit angerechnet, als er die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt.

Das heißt, wir haben dreimal wirtschaftlich dieselbe Situation: Eine Frau bezieht Notstandshilfe und ist von der Unterhaltsleistung eines Partners, Ex-Partners oder verstorbenen Partners abhängig. Leben sie noch zusammen, werden die Unterhaltsleistungen nicht auf die Notstandshilfe angerechnet; sind sie geschieden und bezieht sie Unterhalt, werden die Unterhaltsleistungen zum Teil auf die Notstandshilfe angerechnet; ist sie verwitwet und bezieht eine Witwenpension, wird die Witwenpension vollständig auf die Notstandshilfe angerechnet. Ich weiß nicht, ob das so gewollt war, als man den Grundsatzbeschluss gefasst hat, dass Partnereinkommen nicht mehr auf die Notstandshilfe anzurechnen sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Schwarz.)

Im Bereich der Familienpolitik wurden ebenfalls etliche Kritikpunkte der Volks­anwaltschaft aufgegriffen. So hat man jetzt erst in den letzten Tagen die sogenannte Wochengeldfalle geschlossen und für den Fall, dass Geburten rasch hintereinander erfolgen, ein finanzielles Problem für die Mütter behoben. Man hat auch eine Härtefallregelung für das einkommensabhängige Karenzgeld gefunden und insofern die Situation verbessert.

Nach wie vor aus unserer Sicht untragbar ist die Situation in jenen Fällen, in denen die Familien Kinderbetreuungsgeld beantragen und der erwerbstätige Partner im Ausland arbeitet. Da dauert es oft jahrelang, bis die betroffenen Familien zum Kinderbetreuungsgeld kommen, weil ihnen vom Familienminis­terium Hürden in den Weg gelegt werden, die praktisch nicht zu überspringen sind. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Man muss mehrfach beweisen, dass in dem Land, in dem der Partner arbeitet, kein Anspruch besteht, und erst dann kann man in Österreich das Kinderbetreuungsgeld bekommen.

Das widerspricht sowohl der OGH-Judikatur als auch internationalem Recht. Eigentlich müsste Österreich mit der Kinderbetreuungsgeldleistung in Vorlage treten, was auch logisch ist, denn die Jungfamilien brauchen ja dann das Geld, wenn die Kinder klein sind und ein Partner gerade nicht arbeiten kann. In den Beschwerdefällen, die bei uns landen – es ist inzwischen eine dreistellige Zahl –, ist es sehr oft so, dass das Kinderbetreuungsgeld erst dann bezahlt wird, wenn die Kinder in die Schule kommen.

Ein weiterer Bereich, der uns massiv beschäftigt, ist das Thema Impfungen. Es gibt einen österreichischen Impfplan. Aus dem ist ersichtlich, wann aus medizi­nischer Sicht welche Impfungen empfohlen werden – so weit, so gut. Im Kindesalter werden diese Impfungen auch gratis zur Verfügung gestellt, darüber hinaus in vielen Fällen nicht. Auffrischungsimpfungen, die viele von uns machen sollten, sind kostenpflichtig.

Entzündet hat sich die ganze Diskussion an der Impfung gegen Herpes Zoster, der sogenannten Gürtelrose. Die ist empfohlen für Menschen ab dem 50. Lebensjahr. Wenn man sich impfen lassen will, kostet das insgesamt 500 Euro, das sind zwei Teilimpfungen zu einem enorm hohen Preis. Das schreckt natürlich viele ab und führt jegliches Lippenbekenntnis, wie: Prävention ist besser als Krankheitsbehandlung, ad absurdum.

Zu unserer präventiven Menschenrechtskontrolle wurde schon sehr viel gesagt. Wir haben Schwerpunkte im Bereich Schmerzprävention in den Alters- und Pflegeheimen gesetzt und dort Verbesserungsbedarf aufgezeigt, wir haben in den Behinderteneinrichtungen einen Schwerpunkt auf sexuelle Selbstbestimmt­heit gesetzt. Auch da gibt es großen Verbesserungsbedarf. Ich hoffe, dass diese Berichte auf fruchtbaren Boden fallen.

Ein Problem im Bereich der Heimopferrenten möchte ich noch gesondert heraus­arbeiten. Es wurde auch schon gesagt, dass sich inzwischen sehr viele gehörlose Menschen an uns wenden, die in sogenannten Taubstummenanstalten im Internat waren und dort schwer misshandelt wurden. Diese Menschen beantragen bei uns die Heimopferrente. Dazu müssen sie zu einem Clearing, das mit Gebärdendolmetscher und einer Psychologin durchgeführt wird. Das funktioniert bei uns alles schon recht gut. In der Regel wird diese Heimopferrente zuge­sprochen.

Darüber hinaus leisten die Träger der Einrichtungen, in denen sie misshandelt wurden, auf freiwilliger Basis eine Entschädigungszahlung, so wie das in vielen Kinderheimen auch der Fall war. Das heißt, Menschen, die gehörlos sind und in der Taubstummenanstalt in Salzburg waren, werden zusätzlich zur Heimopfer­rente noch vom Land Salzburg entschädigt. Das funktioniert auch in Graz, das funktioniert auch in Klagenfurt, das funktioniert aber nicht, wenn man in Speising oder in Kaltenleutgeben war. Warum? – Weil der Träger dieser beiden Einrichtungen der Bund war und der Bund beschlossen hat, keine Entschädi­gungszahlungen mehr zu leisten.

Wir sind im Moment in Gesprächen mit dem Bildungsministerium, das zu ändern. Sollte es da legistische Unterstützung brauchen, ersuche ich Sie dringend, diese rasch zu gewähren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

15.49

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Volksanwältin Schwarz. – Bitte sehr.