9.08
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Als Erstrednerin des heutigen Tages komme ich natürlich nicht umhin, die gestrigen Ereignisse anzusprechen. (Abg. Belakowitsch: Die Ausschreitungen?)
Es ist leider gestern dazu gekommen, dass unser Nationalteam ganz knapp ausgeschieden ist. Es hat am Schluss leider knapp nicht gereicht, aber nichtsdestotrotz gilt es, das anzuerkennen, und ich möchte im Namen meiner Fraktion und, ich glaube, im Namen aller Abgeordneten hier betonen, welch große Anerkennung unser Nationalteam von uns für den Einsatz, die Energie, den Teamgeist und den Mut, den es gezeigt hat, erhält. Eines können wir alle mitnehmen: Wo gemeinsam für eine Sache gekämpft wird, da geht was. Vielen Dank an unser Nationalteam! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)
Jetzt komme ich zum tatsächlichen Thema meiner heutigen Rede, nämlich Hitze, Unwetter und Klimakrise. Das ist ein sehr ernstes Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen, denn die Klimakrise ist längst da. Ihre Auswirkungen, vor denen die Wissenschaft seit Jahrzehnten warnt, werden für uns alle immer stärker spürbar, weltweit und direkt vor unserer Haustür. Das wird zunehmend zu einer Gefahr für die Gesundheit von Natur und Mensch und auch – und ja, man muss es so deutlich sagen – zu einer Gefahr für Leib und Leben.
Schauen wir uns kurz an, wo wir stehen: Der Sommer hat gerade erst angefangen und das Thermometer ist heuer bereits an mehreren Tagen über 35 Grad geklettert. (Abg. Belakowitsch: Wo? Wo genau war denn das? Wo war das? – Zwischenrufe der Abgeordneten Schnedlitz und Wurm.) Das ist längst keine Ausnahmeerscheinung mehr. In wenigen Jahrzehnten hat sich die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen - - (Abg. Belakowitsch: Sagen Sie doch: Wo war denn das? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Geh, das gibt’s doch nicht, Sie können doch - - Also! Gelingt es Ihnen vielleicht, 2 Sekunden zuzuhören, Frau Belakowitsch? (Beifall bei den Grünen.)
Das ist längst keine Ausnahmeerscheinung mehr, in wenigen Jahrzehnten hat sich die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad in Österreich verdoppelt bis verdreifacht. Das heißt ganz klar: Ohne konsequenten globalen Klimaschutz wird sich die Zahl der Hitzetage bis zum Ende dieses Jahrhunderts noch einmal verdoppeln bis verdreifachen. Das ist die Wissenschaft. (Abg. Belakowitsch – erheitert –: Die Wissenschaft!)
Die Klimakrise wird zunehmend auch zu einer Gesundheitskrise, denn die extreme Hitze ist eine starke Belastung für das Herz-Kreislauf-System. Die körperlichen Folgen reichen von Kopfschmerzen über Dehydration, Schwindel und Schwächegefühl bis hin zu Krämpfen, Fieber und Kreislaufkollaps. (Abg. Belakowitsch: Krämpfe?) Zuletzt mussten wir in Österreich jährlich bis zu 500 Hitzetote beklagen. Auch unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen stehen da vor einer immer größeren Aufgabe. (Abg. Belakowitsch: Ach so?)
Das ist ein weiterer Grund, warum es so wichtig ist, dass wir unser Gesundheitssystem und unser Pflegesystem jetzt, nach Jahren der Reformdurststrecken, auf sichere Beine stellen. (Beifall bei den Grünen.)
2023 war aber nicht nur im Sommer weltweit ein Rekordhitzejahr, es waren die zwölf heißesten jeweils gemessenen Monate. Jeden Monat wird aktuell ein neuer trauriger Rekord verzeichnet.
Diese nie und schon gar nicht in diesem Tempo dagewesene Erderhitzung schlägt sich auch in immer häufigeren, immer heftigeren Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen nieder. (Abg. Belakowitsch: Ehrlich?)
Erst am vergangenen Wochenende haben im Waldviertel tennisballgroße Hagelkörner Dächer durchschlagen und enorme Schäden angerichtet. (Ruf bei der ÖVP: Das hat’s vor 40 Jahren auch schon gegeben! – Abg. Belakowitsch: Noch nie gehört!) Zur selben Zeit hat der Niederschlag gewaltige Fluten in der Schweiz und in Italien ausgelöst, die eine Spur der Verwüstung hinterlassen und ganze Ortschaften zerstört haben. (Abg. Belakowitsch: ... erinnern an die Grünen in der Regierung!) Vor wenigen Wochen war die Steiermark betroffen, die von Hochwasser und Murenabgängen kalt erwischt wurde. (Abg. Schnedlitz: In Kärnten haben sie bis heute kein Geld gekriegt!) Menschen haben dort Haus und Hof verloren, einige tragischerweise sogar ihr Leben.
Meine und unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern (Abg. Belakowitsch: Wie wär’s mit Hochwasserschutz? Schauen S’ einmal in die Wachau, da passiert gar nichts mehr!), die diese Extremwetterereignisse alleine in diesem Jahr bereits gefordert haben, und unser Dank gilt all den Helferinnen und Helfern vor Ort, die tatkräftig angepackt haben, um das Leid zu lindern und noch Schlimmeres zu verhindern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich möchte allen Betroffenen versichern, dass sie sich auf die volle Unterstützung der Bundesregierung verlassen können. (Abg. Belakowitsch: Dann sind sie verlassen!) – Frau Belakowitsch, ich finde das so zynisch! Da geht es um Menschen, die Haus und Hof und sogar Leben verloren haben (Abg. Belakowitsch: Sie sind zynisch! Sie haben nicht geholfen! Sie täuschen ...! – Abg. Schnedlitz: Sie haben bis jetzt nicht geholfen! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), und Sie sitzen hier und machen sich über das Thema dieser Aktuellen Stunde lustig. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)
Es ist Fakt, dass diese Dinge zunehmen. (Abg. Schnedlitz: Millionen in die Ukraine und Millionen in die Türkei! Millionen nach Afrika! Und wo sind die Millionen ...?!) Es ist Fakt, dass wir viel mehr Superzellen haben. Es ist Fakt, dass wir viel mehr Hitzetage haben. Sie können sich da noch so viel schönreden und sich an irgendwelchen Behauptungen, es wäre früher auch schon alles so gewesen (Abg. Belakowitsch: Ja, ja, ja! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Abg. Michael Hammer: Was seid ihr so nervös? Geht’s bergab, weil ihr so nervös seid? Geht’s bergab?), festklammern: Das ist es nicht und das war es nicht, und es ist verantwortungslos und zynisch den Betroffenen gegenüber, so zu argumentieren und zu agieren, wie Sie es hier tun. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)
Eines, was wir auch ganz deutlich sehen müssen, ist, dass die Katastrophenhilfe erst ansetzt, wenn bereits furchtbarer Schaden entstanden ist, wenn Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz stehen oder im schlimmsten Fall um ihre Angehörigen trauern. Unser Ziel muss daher sein, mit allen Mitteln zu verhindern, dass es überhaupt so weit kommt.
Die gute Nachricht ist: Wenn wir auf die Wissenschaft hören und konsequent weiter die nötigen Schritte im Klima- und Umweltschutz setzen, können wir sehr viel Leid abwenden und abmildern.
Wer aber, wie zum Beispiel Kollegin Belakowitsch, jetzt noch immer die menschengemachte Klimakrise leugnet, verhöhnt alle Menschen, die zum Opfer der verheerenden Auswirkungen wurden. Wer datenbasierte Fakten aus politischem Opportunismus als Klimahysterie abtut, fährt die Zukunft unserer Kinder mutwillig gegen die Wand (Abg. Belakowitsch: Sie haben ja gar keine!), denn eines wird immer deutlicher: Klimaschutz ist im wahrsten Sinne Schutz, nämlich Schutz der Menschen vor den drohenden und bereits spürbaren Klimaschäden. (Beifall bei den Grünen.)
Es ist ein Gebot der Vernunft, dass wir da beherzt handeln. Mit Ideologie hat es überhaupt nichts zu tun (Abg. Belakowitsch: Nein, gar nicht! Das ist die Wissenschaft!), auch wenn das die FPÖ und die rechtsextremen Kräfte in ganz Europa gerne so darstellen. Ideologie, Frau Belakowitsch, ist es doch, sich jetzt noch immer krampfhaft an den veralteten fossilen Technologien festzuklammern, die nicht nur unser Klima zerstören, sondern auch wirtschaftlich in die Sackgasse führen. Das ist die wahre Ideologie, nicht sich um die Wissenschaft und die Menschen zu kümmern. (Beifall bei den Grünen.)
Wenn wir unsere Lebensgrundlagen schützen, handeln wir verantwortungsvoll und auch im Sinne der Menschen. Das belegt eine aktuelle Studie: 72 Prozent der Bevölkerung, das sind fast drei Viertel der Menschen in Österreich, ist die Bekämpfung der Klimakrise ein wichtiges Anliegen. Mehr als drei Viertel machen sich Gedanken über die Lebensmittelsicherheit. (Abg. Hörl: Ja, genau! Gut, dass sie drüber nachdenken!) Mehr als die Hälfte macht sich Sorgen, dass Erdteile unbewohnbar werden, und fürchten sich vor den Schäden, die durch Extremwetterereignisse verursacht werden.
Wir reden also von einer breiten Mehrheit der Menschen in Österreich, die die Politik zu einem aktiven und beherzten Klimaschutz auffordern, und diesen Auftrag müssen wir doch hören und Verantwortung übernehmen! (Beifall bei den Grünen.)
Dafür sind wir als Abgeordnete gewählt. Wir sind den Menschen im Land verpflichtet. Allein den Menschen sind wir verpflichtet, und nicht einer sich in den letzten Atemzügen noch einmal aufbäumenden Öllobby (Abg. Amesbauer: ... sogar noch eine Ölheizung daheim!) und ganz bestimmt nicht einem brutalen Diktator Putin, der uns mit seinem Blutgas, mit dem er seine Kriegskasse füllt, erpresst. Es wundert natürlich niemanden mehr, dass es allen voran die FPÖ ist, die mit ihrer Lügenpropaganda den Klimaschutz abwürgen will. (Rufe bei der FPÖ: „Lügenpropaganda“! Also!) Herr Kickl ist heute wieder einmal nicht da, aber er und seine Partei fühlen sich ganz offensichtlich Putins Russland mehr verpflichtet als der eigenen Bevölkerung in Österreich. Das beweisen der Freundschaftsvertrag und auch die Worte der Freiheitlichen Partei sowie das, was sie dort, wo sie in Verantwortung ist, tut, und zwar auch durch ihr Nichthandeln.
Wir Grüne reden nicht nur über aktiven Umwelt- und Klimaschutz, wir setzen ihn auch um. In den vergangenen fünf Jahren hat diese Bundesregierung mehr weitergebracht als alle anderen Regierungen davor. Die treibende Kraft dahinter waren und sind wir Grüne. Ich gehe jetzt nicht mehr ins Detail – Sonnenstromboom, ökosoziale Steuerreform samt Klimabonus, Klimaticket und Co –, denn viel wichtiger ist: All diese Maßnahmen wirken. Die klimaschädlichen CO2-Emissionen sinken in Österreich heuer zum zweiten Mal in Folge erstmals seit den Neunzigerjahren. Diesen Weg muss Österreich auch weiter konsequent gehen, denn wir sichern damit künftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft. (Beifall bei den Grünen.)
Wir müssen uns aber auch mit jenen Auswirkungen der Klimakrise auseinandersetzen, die bereits jetzt zu einer immer größeren Gefahr werden, auch für unsere Gesundheit. Da ist entschiedenes Handeln gefragt. Wir müssen an mehreren Stellen gleichzeitig ansetzen, beispielsweise die Informationen darüber weiter ausbauen, wie sich Menschen mit einfachen Maßnahmen vor extremer Hitze schützen können. Es gibt das Hitzetelefon und auch das Sozialministerium leistet über seine Kanäle bereits wichtige Aufklärungsarbeit.
Besonders unter den hohen Temperaturen leiden Babys, Kleinkinder, ältere und chronisch kranke Personen, aber auch Menschen mit wenig Geld. Logischerweise ist es auch eine soziale Frage. Nicht jede Familie kann sich eine Klimaanalage leisten. (Abg. Belakowitsch: Ich habe auch keine!) Dementsprechend müssen wir handeln und Angebote zur Abkühlung im öffentlichen Raum schaffen (Abg. Hörl: Das wird Österreich alleine ...! – Abg. Belakowitsch: ... Wasser versprühen, eine super Sache! – Abg. Michael Hammer: Klimaanlagen!), in sozialen Einrichtungen, in Pflegeheimen und in Krankenhäusern.
Wir sehen es also ganz deutlich: Klimaschutz, Naturschutz, Hitzeschutz, all das spielt zusammen und bedeutet letztlich Menschenschutz. (Abg. Hörl: 0,2 Prozent! 0,2 Prozent!)
Wir sind alle gefordert, zusammenzuarbeiten, auf globaler Ebene, in der EU, im Bund und in den Ländern und bis hin zu den Städten und Gemeinden. Ja, Kollege Hörl, wir werden uns nicht aus der Verantwortung stehlen können (Abg. Hörl: 0,2 Prozent!), und das sollen wir auch nicht. Wer den Klimaschutz verächtlich macht und abwürgen will, setzt sowohl die Gesundheit der Menschen als auch die Zukunft der kommenden Generationen aufs Spiel. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hörl: Österreich rettet die Welt!)
9.19
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rauch. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.