16.32
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Entschuldigen Sie, aber wenn Kollege Hauser über Bildung redet, dann, kann man sagen, ist das schon fast Ironie. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Leichtfried.)
Den Titel des Antrages der NEOS: „Schluss mit dem Betonieren“ im Bildungsbereich, kann ich durchaus nachvollziehen. Jahrzehntelang standen einer vernünftigen Bildungsdebatte ideologische und parteipolitisch geführte Debatten im Weg, grundlegende Reformen wurden immer wieder von Verfechtern des alten Denkens verhindert.
Das hat vor allem eines zur Folge, und das schon seit Jahrzehnten: dass Bildung in Österreich vererbt wird. 61 Prozent aller Kinder aus einem Akademiker:innenhaushalt kommen zu einem Hochschulabschluss, bei den Kindern von Eltern, die maximal den Pflichtschulabschluss haben, sind wir ungefähr bei 9 Prozent. Das zeigt die traurige Realität, dass Bildung nach wie vor vererbt wird. Wir wissen auch, dass sich der materielle Wohlstand direkt auf den Bildungsverlauf auswirkt.
Was heißt das also? – Wenn wir von Chancen für Kinder sprechen, müssen wir diejenigen unterstützen, die es ohnehin schon nicht einfach haben. Genau deshalb haben wir dort angesetzt. Genau deshalb haben wir ein großes Paket gegen Kinderarmut auf die Beine gestellt, deshalb haben wir die Sozial- und Familienleistungen valorisiert – ein sozialpolitischer Meilenstein –, und langfristig kommen wir deshalb auch nicht an einer Kindergrundsicherung vorbei, um wirklich jedem Kind Chancen zu geben. (Beifall bei den Grünen.)
Zum Thema Integration: Ja, es gibt da Probleme und Herausforderungen. Da dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, das ist ganz klar. (Abg. Wurm: Aber? – Abg. Belakowitsch: Aber?) Wir müssen uns dieses Thema ganz nüchtern und faktenbasiert anschauen. (Abg. Wurm: Aber?) – Herr Kollege Wurm, weil Sie gerade rausschreien: anders als Ihre Fraktion – Sie wollen nicht an Lösungen arbeiten (Abg. Wurm: Es geht nur um eine Lösung!), Ihnen geht es nur darum, dass die Probleme weiter verschärft werden, weil das die Grundlage für Ihre Politik ist, die auf Hass und Hetze beruht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch: Ach so? Na gut, dass Sie das wissen!)
Es ist auch gewissermaßen zynisch, wie der Vorredner von der FPÖ über Integration und übers Deutschsprechen spricht. Wir wissen, dass Kinder am besten von Kindern lernen. (Abg. Belakowitsch: So ein Blödsinn!) Was haben Sie in Regierungsbeteiligung, leider auch zusammen mit der ÖVP, gemacht? – Sie haben separierte Deutschklassen eingeführt, obwohl sämtliche Lehrpersonen und Experten und Expertinnen davor gewarnt haben. (Abg. Brückl: Stimmt nicht! ... zum Beispiel, und die NEOS wollten es auch! ) Was ist durch diesen Schwachsinn passiert? – Oh, überraschenderweise hat sich die Situation verschärft.
Wir als Grüne haben immer gesagt: Wir brauchen Integration ab Tag eins. Was haben Sie gemacht? – Sie haben Deutschkurse gekürzt, Sie haben Kinder in Ausgrenzungsklassen gesteckt, und das Einzige, was Sie gemacht haben, ist, dass Sie in Traiskirchen beim Erstaufnahmezentrum ein Schild „Ausreisezentrum“ hingehängt haben. (Abg. Belakowitsch: Ja, richtig, das war eine gute Idee!) Das ist reine Showpolitik. (Abg. Belakowitsch: Das ist die Lösung, Frau Kollegin!) Sie haben Desintegrationsmaßnahmen gesetzt und sitzen jetzt da, reiben sich die Hände und erzählen uns vom Integrationsversagen. Aber dieses Versagen ist Produkt Ihrer Politik. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch: Ihr Versagen?! ... nicht wirklich! Das habt ihr selber ...!)
Im Antrag der NEOS ist auch das Thema Mobbing und Gewalt an Schulen zur Sprache gekommen. Das war vor allem auch uns ein großes Anliegen, und genau deshalb haben wir letztes Jahr intensiv an einem großen Kinderschutzpaket gearbeitet. (Abg. Wurm: Aber warum brauchen wir das?) Darum gibt es jetzt die verpflichtenden Kinderschutzkonzepte an allen Schulen. Uns war klar, was wir beim Kinderschutzpaket wollten, und zwar, dass das Kinderschutzpaket wirkt, bevor dem Kind überhaupt etwas passiert, also bevor ein Kind überhaupt Opfer wird. (Abg. Wurm: Warum brauchen wir das?)
Wir wollten ein Kinderschutzpaket, das vor jeder Form von Gewalt schützt, egal ob es um körperliche, physische, psychische oder sexualisierte Gewalt geht. Wir wissen, dass Mobbing oder andere Formen von Gewalt jahrzehntelange schmerzhafte Folgen haben können, und darum ist es wichtig, dass wir ermöglichen, dass wirklich jedes Kind ein Recht auf ein gewaltfreies Leben hat – egal ob es in der Schule, im Verein oder sonst irgendwo ist. Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder in Sicherheit sind.
Ja, uns ist einiges gelungen – Kollegin Hamann und Kollegin Blimlinger, danke dafür, danke fürs Kämpfen –, aber es ist auch noch viel zu viel betoniert worden. Meine Kollegin hat unsere bildungspolitischen Maßnahmen schon angesprochen, und ich möchte mit unserer bildungspolitischen Vision, wenn man so will, für die Zukunft schließen – und zwar: Hören wir auf, von einem Bildungsreförmchen zum nächsten zu tingeln, sondern gehen wir, wenn man es so nennen will, eine Bildungsrevolution an, eine Revolution zu einem Bildungssystem, das Chancen ermöglicht, anstatt sie zu zerstören, einem Bildungssystem, das die Stärken der Kinder fördert und sie nicht aufgrund ihrer Schwächen benotet, einem Bildungssystem, das Kindern Freude bringt und Ängste nimmt, in dem sie gerne in die Schule gehen, in dem sie in Sicherheit sind.
Zum Schluss noch eines zu den NEOS – das muss ich sagen, weil sie sich immer als supercoole Bildungspartei inszenieren –: Die Forderung nach Studiengebühren und Zulassungsbeschränkung ist alles andere als supercool, weil wir wissen, dass das – und Sie reden im Antrag ja immer von Chancengleichheit – null Komma Josef mit Chancengleichheit zu tun hat, weil es vor allem den finanziell schlechtergestellten Kindern diese Chancen nimmt. (Abg. Schellhorn: So ein Schwachsinn! – Abg. Scherak: Zum Glück ist meine Politik nicht supercool, sondern sinnvoll!)
Weil Sie betreffend Kollegen Wiederkehr mehrfach gesagt haben, er habe in drei Jahren ja nicht alles umdrehen können und er habe ja nur drei Jahre gehabt, und weil Kollege Shetty nachher spricht: Wir Grüne bekommen regelmäßig zu hören, was wir in den fünf Jahren aufgrund jahrelanger Fehlpolitik, die gemacht wurde, nicht alles hätten reparieren sollen.
Wir hätten die Klimakrise stoppen sollen, Armut abschaffen und so weiter. Im Gegensatz zu Ihnen aber haben wir tatsächlich die Emissionen gesenkt und gleichzeitig ist die Wirtschaft gewachsen. Ich könnte noch mehr ausführen, aber meine Redezeit ist zu Ende. (Beifall bei den Grünen.)
16.39
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Werner. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.