16.24

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Belakowitsch, es ist immer eine besondere Herausforderung, nach Ihnen zu sprechen, weil man ganz viele Gedanken hat, und diese dann in einer wertschätzenden Form zu formulieren, das ist echt nicht einfach. Vielleicht kommen Sie doch einmal in den Chor, wir verpetzen Sie auch nicht. (Heiterkeit bei den Grünen.) Das tut wirklich gut, man wird sehr viel Spannung los, und wir haben eigentlich alle Freude damit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Renaturierung – wo ist jetzt das Problem? Kurz zusammengefasst: Ich glaube, eines der Hauptprobleme ist, dass dieses Wort einfach wunderschön ist, wenn man wenig Ahnung hat. Diese Umfragen kommen vom WWF, und wenn man die Umfrage umdreht – das hat sogar Herr Wolf attestiert –, kommt genau das Gegenteil raus. Das Problem ist, es kennen sich wirklich nicht viele aus. Das ist ja nicht so ein Pimperlgesetz, sondern es ist eine riesengroße Lawine.

Ich glaube, Österreich ist seit jeher ein Musterland, ein Umweltmusterland, und zwar aus Überzeugung – nicht, weil man etwas tun musste, nicht aus Zwang, sondern aus ganz langer Überzeugung! Dieses Wort Renaturierung ist im politischen Kontext irgendwann in den Achtzigerjahren erstmals aufge­taucht. Österreich ist seit jeher ein Land, das auch sehr intensiv darauf geschaut hat. Es ist ja auch die Grundlage allen bäuerlichen Erwerbs, es ist die Lebensgrundlage, und deswegen schaut man ja auch auf seinen Boden und darauf, dass man den quasi gut in Schuss hält. Ökosoziale Marktwirt­schaft – darauf will ich jetzt gar nicht weiter eingehen.

Ich glaube, das Problem, das wir jetzt haben, ist, dass das Gesetz in diesem Zu­sammenhang, wie es jetzt dargelegt wird, und ohne dass es ausformuliert ist, einfach Humbug ist, weil es für Österreich nicht in derselben Form anwend­bar ist.

Der Salzburger Landeshauptmann beispielsweise sagt, in Salzburg sind 80 Prozent aller Flächen Berge, Wälder, also bereits Flächen, die man nicht nutzen kann, und der Rest, die 20 Prozent, die übrig bleiben, sind halt die Flächen, die man braucht, um Ackerbau zu betreiben, um Viehzucht zu betreiben, dafür, dass die Menschen wo leben können, dass es Gewerbeflächen gibt, für Infrastruktur. Also dort ist das gar nicht möglich. Oder sollen die Menschen jetzt nach Oberösterreich ziehen? Das funktioniert halt nicht.

Dieses Gesetz ist jedenfalls unausgegoren, und in diesem Sinne haben auch die Landeshauptleute zwei Mal – zwei Mal! – ihre Entscheidung in der Landes­hauptleutekonferenz getroffen, schwarz auf weiß, damals waren noch alle dabei, dass sie dieses Gesetz in dieser Form nicht möchten. Wenn Sie sich jetzt beinhart hier rausstellen, Frau Ministerin, und sagen, das basiere alles auf Frei­willigkeit, so tragisch sei das ja gar nicht, die EU würde Renaturierungs­projekte fördern – die werden auch so gefördert –, dann bräuchten wir ja kein Gesetz dafür. Dann hätten Sie vielleicht früher länger, klarer erklären müssen, warum das jetzt ach so wichtig ist.

Aber für mich viel, viel wichtiger ist der demokratiepolitische Part dabei, und da kann ich den Freiheitlichen natürlich in vielerlei Hinsicht recht geben. Wenn Sie das vielleicht ein bissl anders darbringen würden, könnte man sogar auch einmal klatschen. Ich bin eine Fremdklatscherin, ich klatsche oft auch bei anderen Fraktionen mit, bei Ihnen tut man sich aber wirklich schwer, weil diese Herabwürdigung, diese Art, wie Sie Worte verwenden, wie Sie über Menschen reden, einfach furchtbar ist, es ist einfach schrecklich. (Beifall bei ÖVP und NEOS.)

Dass dieses Gesetz jetzt nicht dem entspricht, was unsere Landeshaupt­leute wollen, was die Menschen wollen, was die Unternehmer, was die Land­wirte wollen (Abg. Voglauer: Doch, die wollen das!), ist völlig klar. Aber ich muss auch eines sagen: Wir haben viele gemeinsame Projekte mit der Frau Ministerin auf den Weg gebracht, die ich gut fand.

Wenn man jetzt aber rückblickend schaut, ist das einfach Schema F. Man hat das Problem eines herannahenden Parteitags, angeschlagen nach der EU-Wahl, die Kandidatin war vielleicht nicht optimal, okay – was macht man dann? Und das ist eine Strategie, die ich nicht verstehe: Wir nehmen das Gesetz, spicken das Ganze mit diesem Gefühl der moralischen Überlegenheit, nehmen bewusst – und zwar sage ich wirklich: be­wusst! – Missbrauch der eigenen Funktion in Kauf, wir servieren dann das Ganze noch mit einem Gefälligkeitsgutachten von einem Juristen, der einfach definitiv nicht irgendwie der Jurist in dem Sinn dafür ist, und ignorieren komplett die Sachbeurteilung des Verfassungsdienstes – na wo sind wir denn da, da muss ich den Freiheitlichen recht geben, wo kommen wir denn da hin? – und am Ende garniert man es dann mit einem schüchternen Lächeln und versprüht das Klimaglück und sagt: Das ist schon etwas Schönes, wir können die Welt retten. – So geht es halt nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Herr: Die Koalition ist am Ende!)

Sie sind – und das wissen Sie! – natürlich an diese einheitliche Stellungnahme der Länder gebunden gewesen. (Abg. Voglauer: Falsch!) Das ist Verfassungs­bruch! Und jetzt sind Sie in der Verpackung einer rechtschaffenen Musterschü­lerin: Wir haben alles so toll gemacht, und ich habe es nicht so gemeint. Das ist schön und gut – Sie haben es trotzdem getan! Gut, Sie sind anscheinend in Ihrer Rolle geblieben und nicht in diese staatsfrauische Rolle hineinge­wachsen. Ich dachte etwas anderes, offen gesagt, aber Sie sind anscheinend doch mehr in Ihrer Rolle von Global 2000, sehen sich nach wie vor als Aktivistin und finden das wichtiger.

Im Grunde genommen – jetzt kommt der Punkt –: Warum stimmen wir Ihrem Antrag heute nicht zu? (Abg. Kassegger: Jetzt bin ich gespannt!) Sie kön­nen mir glauben, ganz viele – viele Landwirte, viele Unternehmer, viele Men­schen in diesem Land, viele, viele, viele – würden sich freuen und sagen: Tut das doch endlich, das ist doch ein aufgelegter Elfer, macht das doch endlich! Wir haben darüber nachgedacht. Natürlich ist das jetzt ein Filet­stück der ideologischen Taten, natürlich denkt man darüber nach, und wir haben uns lange Gedanken gemacht: Was machen wir jetzt?

Summa summarum sind wir aber zur Überzeugung gekommen, dass wir das nicht machen werden, weil es völlig kurzsichtig ist. Sie erinnern sich vielleicht – viele von uns waren damals noch nicht da – an den 24. September 2008. (Abg. Belakowitsch: Kann ich mich erinnern!) – Erinnern Sie sich?

In dieser Nacht – 19-stündige Sitzung in diesem Saal, damals noch nicht umge­baut – wurden in diesem freien Spiel der Kräfte Gelder verschleudert (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Schroll) – damals Gusen­bauer, Molterer –; in dieser Nacht wurden über 30 Milliarden Euro beschlossen, und jedes Jahr zahlen wir nach wie vor über 4 Milliarden Euro für Maß­nahmen (Zwischenrufe bei der FPÖ), bei denen überhaupt keine Struktur da war. Ich habe vorhin mit Willi Molterer telefoniert. (Abg. Kassegger: Das ist nicht einmal ein Drittel von dem, was ihr die letzten drei Jahre verschleudert habt!) Er hat gesagt: Du, das war irgendetwas; dann haben die einen etwas gewollt, da war keine Struktur, keine Strategie, kein gar nichts! – Wir als Volkspartei sehen uns aber als verantwortungsvollen Player in diesem Spiel. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Kassegger: ... Teil von dem, was ihr verschleudert habt die letzten...!)

Die Volkspartei hat keinerlei Interesse an Chaos in diesem Haus. (Abg. Kickl: Die Grünen geben nie ...!) Die Volkspartei hat ein Interesse daran, dass wir weiter hier im Sinne des Staates verantwortungsvoll agieren. (Abg. Herr: 10 Milliarden Euro Budgetloch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) – Sie kommen eh später noch dran.

Wir stimmen diesem Antrag heute nicht zu. – Eines aber möchte ich ganz klar sagen, Frau Ministerin: Wir sprechen Ihnen damit in keiner Weise das Recht zu, unsere Demokratie und unsere Verfassung mit Füßen zu treten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stögmüller: ... Millionäre! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Zum Schluss: Ich glaube, wir sollten alle dann trotzdem irgendwie positiv beseelt sein. Ich bin ehrlich gesagt froh, wir sind, glaube ich, alle froh, wenn der September vorbei ist.

Daher am Schluss ein kleines Max-und-Moritz-Wilhelm-Busch-Zitat; ich glaube, das passt heute sehr gut hinein, bezogen auf alle natürlich, nicht auf eine Fraktion: „Kurz, im ganzen Ort herum Ging ein freudiges Gebrumm: Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei Mit der Übeltäterei!“ – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker.)

16.31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schmidt. – Abg. Maurer hebt die Hand.) – Entschuldigung, zur Geschäftsbehandlung. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Jede Sitzung im gebundenen Verhalten kostet noch mehr ...!)

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