16.38
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Besonders: Sehr geschätzte Frau Umweltministerin! Zurück zum Renaturierungsgesetz: Es sind jetzt schon sehr viele Themen angesprochen worden, ich würde gerne auf den Gegenstand der Dringlichen Anfrage zurückkommen. Tatsächlich teile ich nicht, was Abgeordneter Bernhard vorhin gesagt hat, ganz im Gegenteil. Er hat gemeint, das wäre ein nicht so wichtiges Gesetz. – Ganz im Gegenteil!
Wenn man in der Geschichte der Umweltgesetzgebung ein bisschen zurückschaut, sieht man: Wir haben ein extrem gutes Wasserrechtsgesetz, ein extrem starkes Forstgesetz, wir haben eine sehr gute Abfallwirtschaft und Klimaziele, aber es ist höchst an der Zeit, diese Materien endlich zusammenzuführen. Die globalen Umweltkrisen brauchen eine gesamtheitliche Schau, und nur das; erstmals und deshalb so unglaublich wichtig ist das Renaturierungsgesetz der EU. Es ist extrem wichtig! (Beifall bei den Grünen.)
Man liest in dem Antrag der FPÖ: Sie brauchen keine intakte Natur. Sie bekämpfen intakte Natur. Sie wollen das Gesetz nicht. Sie brauchen keine Artenvielfalt (Abg. Kickl: Ach!), Sie sind gegen die Bestäuber. Wer bestäubt denn Ihre Obstbäume und landwirtschaftlichen Kulturen?
Wir brauchen das nicht, wir brauchen keine gesunden Böden, keine renaturierten Flüsse. Haben wir die letzten zwei Tage nicht über nichts anderes als über Hochwasser und Starkregen gesprochen? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und Sie sagen: Weg mit dem Gesetz! Weg mit intakter Natur! Das wundert mich jetzt doch. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Die Zahl 20 Prozent: Frau Abgeordnete Belakowitsch, Sie haben gesagt, 20 Prozent der Ackerböden müssen außer Nutzung gestellt werden. – Wie kommen Sie denn zu dieser Zahl, 20 Prozent? Woher haben Sie denn die 20 Prozent? Das wüsste ich ja sehr gerne. (Abg. Belakowitsch: Sie hätten es lesen sollen!) – Hätte ich es lesen sollen.
Es ist in Ihrem Antrag drinnen. Lesen wir doch einmal den Text genau! Sie behaupten und schreiben: 20 Prozent der EU-Landfläche müssen renaturiert werden. Sie schreiben ja noch mehr da drinnen, ich suche es gerade. (Die Rednerin blättert in ihren Unterlagen. – Abg. Belakowitsch: Suchen Sie einmal!) – Ja, ich suche in aller Ruhe.
Schlagwörter: Ackerboden darf nicht bewirtschaftet werden; Rückwidmungen, Enteignungen. Sie unterstellen ja dem Renaturierungsgesetz, sogar in die Raumordnungskompetenz der Länder einzugreifen: Rückwidmungen und Eingriffe in das Grundeigentum. Ich kenne das nur aus Baulandwidmungen, dass man da rückwidmet. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, aber das ist ein Teil Ihrer Information, dass Sie hier ganz krude Ideen verbreiten und die Leute verunsichern. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Michael Hammer: ... nach Brüssel!) „Verbot der Holzernte“: Das ist ja noch spannender.
Aber noch einmal die 20 Prozent: Wo haben Sie die 20 Prozent her? (Zwischenruf des Abg. Deimek.) – 20 Prozent, ich helfe Ihnen. Ich helfe Ihnen weiter. Es ist nämlich so, da steht, Gegenstand und Ziel des Renaturierungsgesetzes ist: Mit dieser Verordnung werden – und so weiter – bis 2030 mindestens 20 Prozent der Landfläche wiederhergestellt. (Abg. Hafenecker: Bitte bleiben Sie länger draußen! Gebt ihr noch ein paar Minuten, bitte!) Aber jetzt kommt ein entscheidender Teil in dieser Formulierung: 20 Prozent der Landfläche und der Ökosysteme, die der Wiederherstellung bedürfen. Und jetzt frage ich Sie: Wenn Sie der Meinung sind, wir müssen 20 Prozent der Landfläche außer Nutzung stellen, dann gehen Sie davon aus, dass 100 Prozent der Fläche der EU einer Wiederherstellung bedürfen. Also so dramatisch ist es? 100 Prozent der Landfläche sind so schlecht und so kaputt, dass wir 20 Prozent, nämlich das Maximum, das dann möglich ist, wiederherstellen müssen? (Abg. Deimek: ...! Es ist ganz anders! Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!)
Jetzt erklären Sie mir doch bitte: Wie kann man denn begründen, dass ganz Österreich in einem wiederherstellungsbedürftigen, schlechten Zustand ist, wenn wir doch hören, so viel Ökolandbau, so viel Nationalparks, so viel gute Landschaft, und wir renaturieren Flüsse? Gestern haben wir die ganze lange Liste an Renaturierung gelesen. Also wenn man von den Fakten redet, dann würde ich Ihnen doch einmal empfehlen, das richtigzustellen, und das tue ich hiermit. Sie unterstellen, ganz Europa ist in einem so schlechten Zustand. Das erklären Sie einmal! (Abg. Kickl: Das, was Sie jetzt gesagt haben, heißt, dass wir das gar nicht brauchen!) Das erklären Sie einmal, wie man dann gegen intakte Natur sein kann! (Beifall bei den Grünen.)
Ich möchte abschließen: Mit dieser Fehlinformation, mit dieser bewussten Fehlinformation verunsichern Sie Grundeigentümer, verunsichern Sie die wichtigsten Verbündeten für den Klimaschutz, nämlich unsere Landwirtinnen und Landwirte. (Abg. Martin Graf: ÖVP!) Sie verunsichern alle, alle verunsichern Sie, wenn es um das Renaturierungsgesetz geht. Und es ist das wichtigste Gesetz. Ich wünsche allen, ich wünsche mir und allen aus meiner Generation und nachkommenden Generationen (Abg. Hafenecker: Sie sind ja auch die letzte Generation! Warum machen Sie dann ...?), ich wünsche mir eine intakte Natur, mit der wir dem Klimawandel standhalten können, in der wir Artenvielfalt erleben, in der wir an renaturierten Flüssen die Wohltat an heißen Tagen erleben können.
Und das, was das Renaturierungsgesetz besonders macht, ist: Es denkt nämlich auch an die Lebensqualität in Städten. Das Renaturierungsgesetz befasst sich damit, wie künftig Stadtökologie ausschaut. Haben wir Schatten in der Stadt, einen kühlenden Schatten? Können wir den Klimawandel und die Hitzeperioden in der Stadt überhaupt noch aushalten? (Abg. Belakowitsch: Wahnsinn! Können wir das?) Auch das macht das Renaturierungsgesetz. Deshalb ist es das wichtigste zukunftsweisende Gesetz, das wir derzeit in der gesamten EU-weiten Umweltgesetzgebung haben. (Beifall und Bravoruf bei den Grünen. – Abg. Martin Graf: Die Hitzeperiode fängt ja gut an!)
16.44
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.