19.37

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Jetzt habe ich noch einmal nachschauen müssen, ich dachte, Carmen Jeitler-Cincelli hat meine Rede vom Tisch genommen und gehalten (Heiterkeit der Abg. Jeitler-Cin­celli) – aber inhaltlich dann immer anders abgestimmt als ich.

Es gibt ein paar Punkte, die ich in die Diskussion einbringen möchte, aber ich halte vorweg fest: Gesamtheitlich können wir dem vorliegenden Entwurf nicht zustimmen, weil ganz viele Dinge darin verpackt sind, die wir inhaltlich wirklich anders sehen.

Ich möchte mit den positiven Dingen im Bereich der Digitalisierung beginnen, mit den Dingen, die tatsächlich auch weitergebracht werden, die wir unterstützen.

Die Verankerung der SMS-Lösung bei vollelektronischem Begleitschein oder auch die digitale Abwicklung von Erlaubnis- und Anlagengenehmigungs­verfahren unterstützen wir als NEOS. Wir sagen klar, weniger Bürokratie, auch digitalere Prozesse haben unsere volle Zustimmung, deswegen werden wir auch in einer getrennten Abstimmung für diese Bereiche stimmen.

Inhaltlich, Frau Ministerin Gewessler, ist es aber so, dass wir im Bereich der Abfallwirtschaft im weitesten Sinne wirklich sehr, sehr unterschiedliche Sichtweisen haben. Beides hat Frau Kollegin Jeitler-Cincelli quasi angesprochen, bei beiden hat sie aber bei den gegenteiligen Beschlüssen mitgewirkt.

Das Erste ist die Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Wir haben die Si­tuation, dass wir – das wissen Sie selbst am besten – für zunächst 300-Kilo­meter-Fahrten, dann für 200-Kilometer-Fahrten und in weiterer Folge, in knapp einem Jahr, für 100-Kilometer-Fahrten die Vorgabe haben, dass die Branche, dass die Entsorgungsbetriebe verpflichtet sind, zuerst bei der Schiene an­zufragen, und nur dann, wenn dort keine Kapazitäten frei sind, darf – mit einer entsprechenden Bestätigung, die ausgedruckt ist – die Fahrt mit dem Lkw erledigt werden.

Es sind so oft keine Kapazitäten vorhanden, weshalb das ein Schildbürgerstreich ist, weil Sie einen bürokratischen Mehraufwand auslösen, ohne dass dann wirklich mehr mit der Bahn gefahren werden kann – die Transporte per Bahn er­ledigt werden können, meine ich jetzt.

Daher haben wir auch einen ganz konkreten Antrag, den ich nicht zum ersten Mal einbringe, aber heute erneut einbringe, weil wir nämlich auf die 300 Kilometer als Grundregel zurückkommen wollen – bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sichergestellt ist, dass die Verlagerung von der Straße auf die Schiene funktioniert, also wenn ein Entsorgungsbetrieb, der auf der Schiene transportieren will und anfragt, auch tatsächlich die Kapazität bekommt.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Nach Ziffer 9. wird folgende Ziffer 9a. eingefügt:

„9a. In § 15 Abs. 9 entfallen die Ziffern 2 und 3.“

2. Nach der Ziffer 30. wird folgende Ziffer 30a. eingefügt:

„30a. In § 69 Abs. 10 entfallen die Ziffern 2 und 3

*****

Frau Ministerin, wir alle wollen weniger Bürokratie, wir wollen eine funktionierende Entsorgungsbranche. Sie haben mit dieser letzten Novelle, in der diese Regelungen enthalten waren, tatsächlich dafür gesorgt, dass Sie eine durchaus sehr ideologisch betrachtete Transformation eingeleitet haben, ohne dafür zu sorgen, dass auch wirklich die technischen Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Ein letzter Punkt, der aber leider nicht unerwähnt bleiben darf: das digitale Pfand. Carmen Jeitler-Cincelli hat es auch schon angesprochen: Es ist vollkommen verrückt, was da derzeit passiert! Wir führen – also nicht wir, son­dern die Grünen und die ÖVP – ein Pfandsystem aus den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts ein. Das, was in Deutschland im letzten Jahrhundert eingeführt worden ist, soll Österreich jetzt nachholen.

Nämlich: Anstatt eines digitalen Pfands, das 80 Prozent weniger Kosten verursachen würde und 4,5 Millionen Sammelpunkte in Österreich hätte – 4,5 Millionen Sammelpunkte für neun Millionen Menschen, 80 Prozent weniger Kosten! –, machen Sie, Frau Ministerin, 7 000 Sammelpunkte mit fünfmal so hohen Kosten. Genau das versteckt sich in dieser Novelle nämlich auch, denn natürlich: Wenn Sie die Bürokratie aufblasen, wenn Sie die Menschen an weniger Punkte schicken, wenn Sie beim Handel Investitionen auslösen, die sonst gar nicht notwendig gewesen wären, dann brauchen Sie dafür wieder eine zentrale Stelle, die das ganze koordinieren soll – und das geht gar nicht.

Es ist mehr Bürokratie, es sind mehr Kosten, es ist weniger Nutzen für die Menschen, und da machen wir als NEOS natürlich nicht mit. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (2561 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsge­setz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Digitalisierung) (2667 d.B.) - TOP 22

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Nach Ziffer 9. wird folgende Ziffer 9a. eingefügt:

„9a. In § 15 Abs. 9 entfallen die Ziffern 2 und 3.“

2. Nach der Ziffer 30. wird folgende Ziffer 30a. eingefügt:

„30a. In § 69 Abs. 10 entfallen die Ziffern 2 und 3

Begründung

Am 19.11.2021 wurde im Nationalrat die AWG-Novelle zum Kreislaufwirtschafts­paket beschlossen. Wie NEOS stets betont hat, enthielt dieses Paket, neben manchen positiven Änderungen, einige praxisfremde Maßnahmen mit bürokrati­schem Mehraufwand, deren Umsetzung, wie bereits zum Zeitpunkt des Be­schlusses absehbar, problematisch werden würde. Zwei Jahre später hat sich diese Kritik vor allem bei der verpflichtenden Verlagerung des Transportes von Abfäl­len mit einem Gesamtgewicht von mehr als zehn Tonnen auf die Bahn oder andere Verkehrsmittel mit gleichwertigem oder geringem Schadstoff- oder Treib­hausgaspotential bewahrheitet. Diesbezüglich ist vorgeschrieben, dass derartige Transporte mit einer Transportstrecke auf der Straße von über 300 km in Österreich seit 1. Jänner 2023 per Bahn oder durch andere Verkehrsmittel mit gleichwer­tigem oder geringerem Schadstoff- oder Treibhausgaspotential zu erfolgen haben. Mit 1. Jänner 2024 wurde das Distanzkriterium auf 200 km verkürzt und mit 1. Jän­ner 2026 erfolgt eine weitere Anpassung auf 100 km.

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur AWG-Novelle: Kreislaufwirtschafts­paket aus 2021 wird unter anderem argumentiert, dass die Maßnahme als Beitrag zur Emissionsminderung im Bereich der Abfallwirtschaft gut geeignet sei. Da­rüber hinaus wird die stufenweise Ausweitung damit begründet, dass der Bahn­güterverkehr in Österreich stark ausgebaut werden soll. Durch die Ende 2023 umge­setzte Novelle des Bundesstraßen-Mautgesetzes wird die Maut für Kfz über 3,5 t technisch zulässiger Gesamtmenge seit 2024 nach Abgasklassen und CO2-Emissionsklassen preislich differenziert. Mit der ökosozialen Steuerreform wurde zudem eine Variante der CO2-Bepreisung eingeführt, die Verlagerungsanreize auf den Güterstraßenverkehr in Richtung Bahn schafft. Die Wirkungsfolgenanalyse zur AWG-Novelle enthält keine Hinweise, dass diese beiden zusätzlichen Maß­nahmen in einem zu prüfenden Nullszenario berücksichtigt worden wären. Dementsprechend muss angenommen werden, dass die ausgewiesene Treibhaus­gaseinsparung nicht im dargelegten Ausmaß stattfindet. Branchenvertreter beklagen nach dem ersten Jahr, in der die Bestimmung in Kraft war, dass nur ein Bruchteil, der mit der Bahn zu verbringenden Abfalltransporte tatsächlich mit der Bahn transportiert werden kann, weil schlichtweg die Kapazitäten nicht bereitgestellt werden können. Die Bestimmung habe sich als für die Praxis untauglich herausgestellt und verursache einen bürokratischen Mehraufwand ohne erkenn­baren Mehrwert.

NEOS hat bereits 2021 betont, dass die Bepreisung von CO2 eine geeigne­tere Variante ist, um die Verlagerung von Abfalltransporten auf die Schiene anzukur­beln. Das kann jedoch nur geschehen, wenn auch die infrastrukturellen Voraus­setzungen mit einem adäquaten Kapazitätsangebot zur Verfügung stehen, was sich als nichtzutreffend herausgestellt hat. Der Ausblick aus den Gesetzeserläute­rungen, dass der Bahngüterverkehr in Zukunft stark ausgebaut werden soll, darf nicht als Argumentationsgrundlage für ein dysfunktionales System im Hier und Jetzt dienen. Mit der derzeitigen Ausgestaltung von §15 Abs. 9 und §69 Abs. 10 werden einer Branche über Gebühr regulatorische Auflagen auferlegt, deren Bedeutung in der Zukunft noch deutlich steigen wird. Zusätzlich ist im Sinne einer wirkungsvollen Kreislaufwirtschaft zu betonen, dass durch die vorliegenden Bestimmungen, Sekun­därrohstoffe einer systematischen Benachteiligung gegenüber Primärrohstof­fen unterliegen. Während Primärrohstoffe weiterhin mit einem frei wählbaren Ver­kehrsmittel nach Wahl transportiert werden können, ist bei Abfällen auch dann keine Ausnahmemöglichkeit gegeben, wenn die beim Bahntransport anfal­lenden Kosten, jene der Alternative bei weitem übersteigen.

Um wirkungsvolle Umweltvorschriften mit einem wettbewerbsfähigen Standort, in dem Sekundärrohstoffe nicht gegenüber Primärrohstoffen benachteiligt wer­den, zu verbinden, ist es aus Sicht von NEOS angebracht, das Distanzkriterium vo­rerst bei 300 km zu belassen und etwaige zukünftige Straffungen im Einklang mit der Schaffung einer dafür ausgerichteten Infrastruktur neu zu bewerten.

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht mit in Verhandlung. – Herr Abgeordneter, es haben sich da nur Satzzeichen irgendwie auf den Weg gemacht und sind verrutscht, das ändert aber nichts am Inhalt des Antrages.

Herr Dr. Matznetter, Sie gelangen zu Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.