Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Die EU-Kommission hat in einem Brief an das Finanzministerium festgehalten, dass sich in Österreich bis 2028 ein Budgetloch von mehr als 10 Milliarden Euro beziehungsweise bis zu 12 Milliarden Euro auftun wird, dass es also notwendig ist, 10 bis 12 Milliarden Euro einzusparen, um auf den Pfad zu kommen, der mit den EU-Fiskalregeln tatsächlich kompatibel ist. Das deckt sich mit den Aussagen des Chefs des österreichischen Fiskalrates, der auch schon gesagt hat, die kommende Regierung wird höchstwahrscheinlich ein Sparpaket schnüren müssen.
Wir wissen aus der Vergangenheit: Wenn ÖVP und FPÖ regieren, dann kommt meistens ein Sparpaket bei Pensionen, bei Gesundheit und beim Wohnen. Als SPÖ sind wir der Meinung, dass die Menschen vor der Wahl ein Recht darauf haben, zu erfahren, wie dramatisch denn tatsächlich die Situation um das Budget ist und was nach der Wahl auf sie zukommt.
Deshalb meine Frage: Werden Sie sich angesichts dieser aktuell wirklich schwierigen Budgetsituation, die Sie hinterlassen, und der Aussagen des Fiskalrates und der EU-Kommission dafür einsetzen, dass es noch vor der Wahl einen Kassasturz gibt und dass die Wähler und Wählerinnen dann wirklich wissen, wie es um das Budget steht? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: So ein Einsatz, da wird schon für Fragen geklatscht!)
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 387/M, hat folgenden Wortlaut:
„Werden Sie sich angesichts der aktuellen Budgetsituation, der Aussagen des Fiskalrats sowie der Mitteilung der EU-Kommission dafür einsetzen, dass der Finanzminister noch vor der Nationalratswahl einen Kassasturz macht und den Menschen sagt, wie groß die Lücke im Budget ist?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für die Frage, Frau Abgeordnete! Zum einen eine inhaltliche Klarstellung, die, glaube ich, wichtig ist: Sie werden sehen, dass in den letzten Jahren besonders darauf geachtet worden ist, dass Menschen mit geringeren Einkommen und in schwierigen sozialen Situationen in besonderem Maß unterstützt worden sind, in Verbindung mit einer Entlastung derjenigen, die fleißig sind, die viel arbeiten, die diesen solidarischen Wohlfahrtsstaat erhalten. Es braucht beides zusammen. Ich glaube, ein Blick ins Detail lohnt sich und lässt Sie Ihre doch sehr kritische Sichtweise vielleicht auch überdenken.
Zum anderen: Das Finanzministerium übermittelt ja – das wissen Sie als Abgeordnete – monatlich einen Budgetbericht, der die Budgetsituation genau darstellt, und dieser monatliche Budgetbericht ist auch öffentlich abrufbar, er ist auf der Website des Finanzministeriums einsehbar. Auch der von Ihnen angesprochene Brief, Frau Abgeordnete, wurde ja wie vom Hohen Haus gewünscht an den Nationalrat übermittelt und ist ebenfalls auf der Website des Finanzministeriums veröffentlicht.
Zu dem Brief gibt es ein angehängtes Begleitschreiben des Finanzministers an den Budgetausschuss. Darin wird klar ausgeführt, wie weiter vorgegangen wird.Ich unterstütze jedenfalls das Vorgehen des Finanzministers. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Gut, einen allumfassenden Kassasturz wird es also nicht geben.
Ich komme zu meiner Zusatzfrage: Für einen Teil des Budgetlochs waren ja auch die hohen Cofag-Förderungen, die ausbezahlt wurden, verantwortlich. Wenn wir uns jetzt anschauen, wie viel Österreich im Vergleich mit Deutschland ausgeschüttet hat, dann sehen wir, dass Österreich pro Kopf gerechnet doppelt so viele Förderungen wie Deutschland ausgeschüttet hat, dass diese Förderungen aber zu Gewinnen von Unternehmen wurden, es also wirklich auch zu einer Überförderung gekommen ist – das hat auch der Rechnungshof bestätigt.
Auch in der Teuerungskrise haben Sie 1,6 Milliarden Euro an Energiehilfen ausbezahlt; 1,4 Milliarden Euro davon – also der überwiegende Teil – sind ebenfalls eins zu eins in die Unternehmensgewinne geflossen.
Sind Sie bereit, dieses Geld, das ja von den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen finanziert wurde und in die Gewinne von Unternehmen gesteckt wurde, zurückzuholen? (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Frau Abgeordnete, handelt es sich, wenn wir über das Budget sprechen, ja immer um Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, ansonsten würde es sich ja nicht als solches darstellen.
Auf der einen Seite ist es so, dass die Bundesregierung das Ziel hatte, in einer sehr schweren Zeit sehr rasch zu helfen, und gleichzeitig hat sie den Anspruch – der wird auch schon umgesetzt –, dort, wo es tatsächlich zu Überförderungen gekommen ist, diese auch wieder zurückzufordern.
Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, auch festzuhalten, dass es durch diese Maßnahmen in Summe gelungen ist, den Wirtschaftsstandort Österreich deutlich besser zu stabilisieren als jenen der Bundesrepublik Deutschland. Sie sehen gerade jetzt die großen Probleme der Ampelkoalition, Sie sehen gerade jetzt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland Riesenherausforderungen. Wären wir nicht in der Zwischenzeit doch auch wieder um ein deutlich größeres Maß gestärkt, hätten wir noch größere Probleme.
Erinnern Sie sich an den alten Spruch, der leider oft wahr geworden ist: Hat die deutsche Wirtschaft einen Schnupfen, dann bekommt Österreich die Grippe. – In diesem Fall ist es Gott sei Dank noch abgewendet worden. Das heißt: Wir haben tatsächlich herausfordernde Zeiten, aber ohne die Investitionen gegen die Krise wären Arbeitsplätze massiv gefährdet gewesen.
Erinnern Sie sich daran: Cofag-Hilfen sind ja zum Beispiel auch für Kurzarbeit ausbezahlt worden, also um Arbeitsplätze zu sichern und dann in weiterer Folge wieder ein Wirtschaften und Investieren in Österreich – in den Unternehmensstandort und damit in den Arbeitsplatzstandort Österreich – zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Steinacker. – Bitte sehr.