11.50
Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Kollege Gödl hat recht, die Pflege ist eine große Herausforderung, da sind weitere Maßnahmen notwendig. Deswegen war es uns als Sozialdemokratie so wichtig, ein Hearing zu diesem Volksbegehren einzufordern, und dieses Hearing hat stattgefunden.
Fakt ist, die Unterstützer fordern mehr Geld für aktive Pflegekräfte, sie fordern mehr Budgetmittel, um die Personalnot zu lindern. Das ist eine sehr einfach klingende Forderung, aber es braucht dazu wesentlich mehr Inhalte und wesentlich mehr Maßnahmen.
Dieses drohende Pflegechaos und dieser Pflegenotstand ist von ÖVP und Grünen nicht ausreichend angegangen worden. Ich werde ein paar Beispiele für Bereiche bringen, bei denen das nicht ausreichend war, wobei das nichts mit Populismus zu tun hat.
Fakt ist, wir haben dieses Hearing gemacht, und es war gut, dass wir es gemacht haben. Warum? – Alle fünf politischen Parteien haben eine Expertin oder einen Experten vorgeschlagen, und wir haben uns im Ausschuss die Ansicht dieser Expertinnen und Experten anhören dürfen, wie sie diesen Pflegenotstand in Österreich wissenschaftlich, also real, beurteilen. Das war wirklich sehr erkenntnisreich, weil Menschen von außen aufgezeigt haben, wo die Probleme liegen.
Da wurde einiges aufgelistet. Ich darf jetzt zusammenfassen:
Klar war, die Dienste werden eine immer größere Belastung. Durch zu wenig Personal gibt es immer mehr Dienste, und immer mehr Dienste bedeuten natürlich mehr Belastung. Mehr Belastung bedeutet weniger Planbarkeit, weniger Freizeit, weniger Erholung.
Eines ist auch wieder einmal klar bestätigt worden: Pflege ist weiblich. 80 Prozent des Pflegepersonals sind Frauen.
Was auch von allen Beteiligten, von allen Vertretern der politischen Parteien klargemacht wurde: Nachtdienste alleine auf Stationen sind ein Riesenproblem. Da wird ein österreichweiter verpflichtender Personalschlüssel unbedingt eingefordert.
Es wurde auch die Pflegelehre angesprochen, wobei festgestellt wurde, dass es schon ein Problem ist, Menschen im jungen Alter diese Lehre zuzumuten. Das wurde kritisch bewertet.
Auch die pflegenden Angehörigen wurden angesprochen. Die Menschen werden immer älter, die Menschen bleiben immer länger in der Pflege und es gibt immer mehr Herausforderungen für die pflegenden Angehörigen. Das heißt, es ist umso mehr notwendig, ausreichend Pflegepersonal zu lukrieren.
Genau da setzt unser Kritikpunkt an: Wenn man für eine Pflegeausbildung trotz eines Stipendiums etwas bezahlen muss, während andere Ausbildungen nichts kosten, wie es zum Beispiel bei den Polizeischülerinnen und Polizeischülern ist, dann muss man sagen, es ist seitens dieser Regierung zu wenig gemacht worden.
Polizeischülerinnen und Polizeischüler bekommen monatlich 2 300 Euro brutto, und das 14 Mal im Jahr, sind sozialversichert und erhalten ein Klimaticket. Und es versteht niemand, dass man bei einer Ausbildung in der Pflege nur 600 Euro bekommt, und zwar nur 12 Mal im Jahr, nicht sozialversichert ist und kein Klimaticket bekommt. Das ist diese Ungerechtigkeit, diese Unfairness! (Beifall bei der SPÖ.)
Das versteht wirklich niemand, wenn man sagt: Junge Menschen, kommt in die Pflege, ihr dürft euch die Ausbildung selber bezahlen! Für die Sozialversicherung wird die Ausbildungszeit nicht angerechnet. (Abg. Gödl: ... Pflegestipendium vergleichen; das ist ein Vergleichen von Äpfeln und Birnen, was du da machst, wissentlich!) – So werden wir den Pflegenotstand nicht beseitigen können, Kollege Gödl. Da habt ihr eindeutig diese betroffenen Menschen benachteiligt. (Abg. Gödl: ... Pflegestipendium vergleichen! Das Pflegestipendium ist 1 500 netto, mindestens!)
Wenn man sich dann noch anschaut, dass Polizeischülerinnen und Polizeischüler einen fixen Arbeitsplatz haben, wenn sie die Ausbildung schaffen, aber jene Menschen, die in der Pflegeausbildung sind, nicht (Ruf bei der ÖVP: Was?!): Das ist auch eine Ungerechtigkeit. Es braucht wirklich ein Bündel an Maßnahmen, um diesen drohenden Pflegenotstand in den Griff zu bekommen. Das war auch das Ergebnis des Hearings mit den Expertinnen und Experten aller politischen Parteien.
Es ist umso unverständlicher, dass ÖVP und Grüne unsere Anträge dazu in den letzten fünf Jahren immer wieder abgelehnt haben. Das, was im Hearing von den Expertinnen und Experten aufgezeigt wurde, beantragen wir seit fünf Jahren. Kollege Drobits wird Ihnen und auch den Menschen zu Hause vor den Bildschirmen heute hier heraußen noch einmal unsere Anträge in Erinnerung rufen.
Gleich wird meine Lieblingskollegin von den Grünen, Kollegin Ribo, hierher ans Rednerpult kommen, und ich weiß schon, was wieder kommen wird: die alte Platte, wie toll eure Reformen sind, wie super ihr das gemacht habt (Abg. Schallmeiner: Machen wir, im Gegensatz zu euch!), und dass davor 30 Jahre Stillstand war. (Abg. Schallmeiner: Danke! – Abg. Tomaselli: Glaubt ihr es eigentlich selber? – Abg. Heinisch-Hosek: ... überheblich! – Abg. Tomaselli: ... tut körperlich weh, na wirklich!)
Was ist eure Pflegebilanz? – 4,16 Euro pro Tag für pflegende Angehörige – bleibt zu Hause, pflegt die Angehörigen für 4,16 Euro pro Tag! (Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ); mehr Gehalt, aber nicht für alle; Pflegebonus nicht für alle; Menschen, die mit Behinderten arbeiten, die ja auch zu pflegende Menschen sind, habt ihr in all euren Reformen vergessen. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ.)
Deswegen, Frau Kollegin Ribo, sage ich Ihnen gleich, was unsere Bilanz ist. (Abg. Tomaselli: ... Pflegebonus, erzähl mir mal ...!) – Hört zu, lernt ein bisschen Geschichte! Die SPÖ-Pflegebilanz: 1993: Einführung des Pflegegelds unter SPÖ-Sozialminister Hesoun (Abg. Tomaselli: Ja, jetzt ist es höher!); 2007: 24-Stunden-Pflege, SPÖ-Sozialminister Buchinger; 2011: Pflegefonds; 2014: Pflegeregress abgeschafft, Pflegeteilzeit eingeführt, Pflegekarenz eingeführt, alles unter SPÖ-Sozialminister Hundstorfer (Beifall bei der SPÖ – anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ); 2018: unter Sozialminister Stöger (Abg. Gödl – erheitert –: 2018!) Pflegeregress für Menschen in Pflegeheimen abgeschafft.
Das ist eine Bilanz, das sind Meilensteine gewesen. (Ruf bei den Grünen: Nein!) Es ist höchste Zeit, dass die Sozialdemokratie wieder in Regierungsverantwortung kommt, damit in der Pflege nicht mehr passiert, was jetzt passiert ist, nämlich dass Menschen ungleich behandelt und zurückgelassen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Deshalb ist es wichtig, dass wir in die Regierung kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren, um diesen Notstand zu beseitigen! (Abg. Tomaselli: Da klatschen nicht einmal die eigenen ...! – Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)
11.57
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.