13.51
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich würde sagen, der heutige Tag ist ein guter Tag für die österreichischen Verbraucher:innen, denn wir haben nun die Möglichkeit, hier im Hohen Haus über ein Gesetz abzustimmen, das es den Verbrauchern endlich leichter macht, ihre Rechte gegenüber Konzernen durchzusetzen.
Die Ausschussvorsitzende Steinacker hat es schon erwähnt: Das war nicht so einfach, sonst hätten wir es längst umgesetzt – eine Verbandsklage wurde ja seit Jahrzehnten gefordert, weil Verbraucherinnen und Verbraucher schon seit Jahrzehnten darüber klagen, dass es allein sehr schwierig ist, ihre Rechte gegenüber großen Unternehmen durchzufechten. Ja, da finden sich unterschiedliche Interessen auf unterschiedlichen Seiten, und die haben wir, glaube ich, in einer guten Kompromisslösung miteinander vereint. Ja, alles, was lange währt, wird dann gut: Ich glaube, dass wir hier wirklich eine gute Lösung geschaffen haben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Salzmann.)
Warum ist es denn für die Verbraucher und Verbraucherinnen schwieriger, sich vor Gericht gegenüber Konzernen durchzusetzen oder überhaupt zur Wehr zu setzen? – Erstens liegt es an der finanziellen Natur der Sache: Sehr oft haben Unternehmer:innen wesentlich mehr Ressourcen zur Verfügung, um Ansprüche durchzusetzen oder auch zu verteidigen, außerdem haben sehr viele auch spezialisierte Rechtsabteilungen; all das macht es für Verbraucherinnen und Verbraucher schwierig, ihr faktisches Recht durchzusetzen. Sehr oft ist es in der Vergangenheit passiert, dass sich viele gedacht haben: Ist egal, ich gehe nicht den Weg zum Gericht. – Genau aus diesem Grund ist das, was wir heute – hoffentlich mit einer breiten Zustimmung – beschließen, ein Meilenstein im Sinne der Verbraucher:innen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Salzmann.)
Manchmal reicht es nicht, nur einfach das Recht zu haben, es braucht auch ordentliche Prozessregelungen, um dieses Recht durchzusetzen.
Was bedeutet das konkret? Ich werde ein paar Punkte nennen, aus denen sich herleiten lässt, warum unsere Regelung wirklich gut ist, auch dem Vergleich mit Deutschland durchaus standhält – weil hier in manchen Reden hervorgekommen ist, Deutschland hätte das wesentlich besser umgesetzt. Das meine ich nicht, denn ich finde, die Regelung, die wir getroffen haben, ist eine gute Regelung.
Was das minimierte Prozessrisiko für Verbraucher:innen betrifft, möchte ich erwähnen, dass die Träger:innen der Verbandsklage sogenannte Qualifizierte Einrichtungen sind. Erstens gibt es ja bereits etablierte Organisationen, die Qualifizierte Einrichtungen sind – die wurden ja schon genannt: Arbeiterkammer, Verein für Konsumenteninformation, Wirtschaftskammer –, aber es ist jetzt auch möglich, dass der Kartellanwalt bei Vorliegen strenger Voraussetzungen eine Organisation zu einer Qualifizierten Einrichtung erheben kann, weil sie die Voraussetzungen erfüllt, weil sie sich bereits mit Verbraucherinnen und Verbrauchern auseinandergesetzt hat und weil sie bereits etabliert ist. Das halte ich für wichtig, weil es sehr, sehr viele Organisationen gibt, die großartige Arbeit im Sinne der Verbraucher:innen machen.
Außerdem – der zweite wichtige Punkt – Prozessfinanzierung: Ich weiß, dass Prozessfinanzierung zum Teil auch umstritten ist, aber ich halte sie in diesem Bereich für besonders wichtig. Warum meine ich das? – Weil wir auch gesehen haben, dass sich in Deutschland mit dieser strengen Regelung kaum Prozessfinanzierer finden und somit auch in der Kommission das Gerücht umgeht, dass die Verbandsklage in Deutschland leider nicht so gut funktioniert, wie sich das die Kommission vorgestellt hat. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass es so, wie wir sie umgesetzt haben, auch richtig ist. (Beifall bei den Grünen.)
Eine technische Sache möchte ich hervorheben, weil das mir auch als Juristin wichtig ist: Es gibt zwei Typen von Klagen: Klagen auf Unterlassung und Klagen auf Abhilfe. Die Unterlassungsklage richtet sich gegen rechtswidrige Verhaltensweisen von Konzernen, wenn zum Beispiel kollektive Interessen von Verbraucher:innen beeinträchtigt sind. In der Praxis betrifft das sehr häufig Klagen wegen benachteiligender Klauseln in AGBs, und für diese Klage auf Unterlassung reicht es auch, wenn sich nur ein betroffener Verbraucher findet.
Dann gibt es die Verbandsklage auf Abhilfe – das ist die klassische Variante, bei der es um Schadenersatzforderungen geht, Preisminderung, Reparatur –: Ja, da wird man 50 Verbraucher, die geschädigt worden sind, finden müssen, aber wenn man an die großen Skandale denkt – VW-Skandal, falsche Brustimplantate, aber auch geschädigte Anleger –, dann sieht man, dass diese Zahl sehr leicht erreicht werden kann.
Ein weiterer Punkt ist uns gelungen, der auch einem Vergleich mit Deutschland, finde ich, standhält, bei dem wir im Vergleich zu Deutschland wesentlich besser dran sind, das ist, dass wir einen zentrierten Gerichtsstand haben. Nun können alle Klagen beim Handelsgericht Wien eingebracht werden. Das erleichtert das Finden von Verbrauchern und Verbraucherinnen, und andererseits vermeiden wir, dass über Österreich verteilt die Gerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das halte ich für einen sehr wichtigen Punkt, und ich freue mich, dass es gelungen ist, dass wir einen zentrierten, einheitlichen Gerichtsstand haben.
Weiters sind Verbandsklagen natürlich auf das gesamte österreichische Zivilrecht anwendbar und nicht nur auf vorgegebene Bereiche, das ist uns auch im Sinne der Rechtssicherheit besonders wichtig gewesen.
Ich glaube, dass wir mit dieser Umsetzung der Verbandsklage wirklich eine wichtige Errungenschaft für die Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen, denn wie bereits gesagt: In einem Rechtsstaat reicht es nicht, das Recht zu haben, man muss es auch durchsetzen können. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei den Grünen.)
13.58
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Mag. Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.