9.21
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir werden heute ja noch Gelegenheit haben, über diese unvorstellbare Tragödie der Flutkatastrophe zu sprechen, daher erlauben Sie mir, dass ich jetzt hier zum Thema der Aktuellen Stunde komme und dann später meinen Dank vor allem an die Einsatzkräfte und an die vielen Menschen, die zusammengestanden sind und geholfen haben und damit ein wunderbares Bild von Österreich gezeigt haben, zum Ausdruck bringen werde.
Ich möchte heute darüber sprechen, wie groß eigentlich das finanzielle Loch und der Reformbedarf in Österreich sind. Man kann da vielleicht ein bissel anschließen an das, was wir die letzten Tage gesehen haben – der Wahlkampf hat ja pausiert, und ich meine, es wird vielleicht der einen Österreicherin oder dem anderen Österreicher gar nicht unangenehm gewesen sein, dass die Tage nicht von Streit und Hickhack geprägt waren.
Ich bin davon überzeugt, dass es in Österreich einen riesigen Reformbedarf gibt und dass es in einer oder vielleicht sogar in zwei kommenden Gesetzgebungsperiode nur und ausschließlich dann funktionieren kann, das wieder geradezubiegen, Österreich nach vorne zu bringen, wenn wir darauf schauen, was gemeinsam geht.
Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung sein, die vielen, vielen Versäumnisse, den Reformstau, den Stillstand, das Schlagzeilenproduzieren, anstatt wirklich substanziell strukturelle Reformen zu bringen, der vergangenen Jahre und Jahrzehnte aufzuräumen und alles wieder nach vorne zu bringen. Die Herausforderungen sind enorm!
Österreich befindet sich jetzt das zweite Jahr in einer Rezession. Der Kuchen, den Herr Nehammer immer wieder beschreibt, wenn er im Rahmen der Fernsehduelle oder -diskussionen eine Art Backunterricht gibt, wird nicht größer, meine Damen und Herren, der Kuchen wird gerade kleiner. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Wir werden ärmer. Das ist eine der schlechten Nachrichten, die ich Ihnen heute leider überbringe, und ein Ergebnis schlechter Wirtschaftspolitik dieser Regierung. (Beifall bei den NEOS.)
Natürlich gab es die Krisen, keine Frage, ich will das ja nicht vom Tisch wischen, und ich glaube, wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir in diesen Krisen immer konstruktive Partner sind. Die Coronakrise hat uns getroffen – andere Länder auch. Die Energiekrise hat uns getroffen – andere Länder auch. Die Inflationskrise hat uns getroffen – deutlich höher als andere Länder, auch weil es von der Regierung mit: Koste es, was es wolle!, ganz schön befeuert wurde, aber grundsätzlich: Das Problem mit den gestiegenen Energiekosten, gestiegenen Lebensmittelkosten haben andere Länder auch.
Der Krieg in der Ukraine, der es notwendig macht, sich wieder Gedanken um den Schutz, die Sicherheit und die Freiheit Europas zu machen, betrifft andere Länder auch.
Ich sage Ihnen etwas: Sie sind hier gestanden, auch Sie, Herr Finanzminister, und haben in einer Art beschönigender Sonntagsreden dieses Mantra wiederholt, wir seien so gut durch die Krise gekommen. – Das Gegenteil ist wahr: Wir sind sehr, sehr schlecht durch diese Krisen gekommen. (Beifall bei den NEOS.)
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Schweden. Ich will jetzt nicht über den Coronaweg Schwedens reden – auch darüber könnten wir uns unterhalten –, aber Schweden hat es im Jahr 2022 geschafft, einen Budgetüberschuss zu erwirtschaften.
Wir haben im Rahmen des Europawahlkampfes sehr viel davon gehört, dass – und dazu werden Sie (in Richtung Bundesminister Brunner) ja dann auch einen Beitrag leisten können – eine nächste Kommission auf europäischer Ebene richtigerweise auf Deregulierung setzen muss, aber wissen Sie, andere europäische Länder, die Mitglieder der Europäischen Union sind, zeigen seit Jahren, wie Sie den Standort wirklich nach vorne bringen, wie Sie die Wettbewerbsfähigkeit stärken können. Dänemark ist auch in der Europäischen Union, Schweden ist in der Europäischen Union, Finnland ist in der Europäischen Union. Denken wir an die Dynamik der Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens, das in der Europäischen Union ist, und denken wir an das Thema Digitalisierung – Estland ist auch in der Europäischen Union.
Sie können nicht immer Brüssel als Ausrede für Ihre Tatenlosigkeit hernehmen. Das will ich nicht zulassen und das werde ich auch nicht zulassen! Wir müssen schon vor der eigenen Haustüre kehren! (Beifall bei den NEOS.)
Wie oft sind wir, wie oft bin ich hier gestanden und habe gesagt: Dieses: Koste es, was es wolle!, wird uns auf den Kopf fallen, es wird uns belasten: die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler belasten, die Zukunft belasten, unsere Kinder belasten, unsere Enkelkinder belasten, und ja, auch die Wirtschaft belasten!? Wie oft bin ich hier gestanden und habe davor gewarnt, dass wir Wettbewerbsnachteile haben werden, wenn die Lohnkosten steigen, wenn man nicht tatkräftig auch etwas bei den Lohnnebenkosten macht? Wie oft bin ich hier gestanden und habe davor gewarnt, dass der nötige Spielraum für steuerliche Entlastung fehlt? Wie oft bin ich hier gestanden und habe davor gewarnt, dass der Spielraum für nötige Investitionen, auch und gerade, was die Transformation der Wirtschaft angeht, nicht mehr gegeben ist?
Sie haben das alles vom Tisch gewischt, und das Ergebnis ist katastrophal: Österreich ist Förderweltmeister. Juhu, das klingt ja wie eine gute Nachricht – es ist aber keine gute Nachricht. Das Fördervolumen Österreichs ist um 70 Prozent höher als vor der Pandemie – 70 Prozent! Das müssen Sie sich einmal vorstellen!
Ich habe das einmal dahin gehend beschrieben, dass ich den Eindruck habe, dass in Österreich jedes Problem, das strukturell besteht, einfach mit Geld beworfen wird. Es wird einfach mit Geld geworfen, und man erwartet, dass dann die strukturellen Probleme weggehen. Das funktioniert aber nicht. Das ist ein bissel so, wie wenn Sie bei einem Haus ständig irgendwelche hübschen Blumenkästchen montieren oder das neu anfärbeln oder sonst irgendeine Behübschung machen würden, aber in Wahrheit liegt das Fundament schon wirklich im Argen. Wir müssen in Österreich doch endlich die Kraftanstrengung schaffen, dass wir das Fundament unseres Hauses, unseres Standorts, der Wettbewerbsfähigkeit, des Gesundheitssystems, des Bildungssystems wieder auf gesunde Beine stellen! (Beifall bei den NEOS.)
Oder auch das Thema Pensionen: Wie oft bin ich hier gestanden und habe gesagt: Wir haben ein Problem!? Allein heuer beträgt der Zuschuss für die Pensionslücke, die besteht, weil sich das im Beitragssystem nicht mehr ausgeht, über 29 Milliarden Euro. Ein Drittel unseres gesamten Budgets wird allein dafür ausgegeben, diese Pensionslücke zu füllen – ein Drittel, das in den Schulen fehlt, ein Drittel, das für Investitionen in die Infrastruktur fehlt, ein Drittel, das übrigens auch im Hochwasserschutz oder beim Katastrophenschutz fehlt. Das ist Geld, das fehlt, weil Sie nicht in der Lage und nicht willens waren, Reformen zu machen. (Beifall bei den NEOS.)
Ich möchte jetzt auch ein paar Worte in Richtung SPÖ sagen, weil ich ja lese – und ich bin ja durchaus froh, dass viele aus Ihren eigenen Reihen dieser Meinung sind –, dass das Programm, das Herr Babler auf den Tisch gelegt hat, absolut unrealistisch ist und auch mit Sicherheit nicht so kommen wird. (Abg. Matznetter: Das der NEOS ist realistisch, ohne Gegenfinanzierung?)
Nehmen wir aber einmal das Beispiel der Vermögensteuern: Wir brauchen dringend Investitionen in Österreich, und Sie wollen sozusagen auch noch die Letzten aus Österreich vertreiben. Sie bauen hier ein Modell auf Sand und fantasieren etwas von Einnahmen von angeblich bis zu 6 Milliarden Euro daher. Ein Blick auf andere Länder wie Frankreich zeigt, dass das ja absolut unrealistisch ist (Abg. Matznetter: Aber warum schauts nicht einmal in die Schweiz, Frau Kollegin? Wie wär’s mit der Schweiz?), aber nehmen wir das einmal her: Die Einnahmen durch Steuern und Abgaben sind in Österreich vom Jahr 2021 auf das Jahr 2022 um 6 Milliarden Euro gestiegen. Na ja, also nach der SPÖ-Logik muss ja damit alles in Ordnung gewesen sein, alles erledigt – kein Problem mehr im Gesundheitsbereich, kein Problem mehr im Bildungsbereich. (Beifall bei den NEOS.)
Die Einnahmen über Steuern und Abgaben sind zwischen 2022 und 2023 um knapp 5,5 Milliarden Euro gestiegen – wunderbar, das sind also über 11 Milliarden Euro. Damit muss nach Ihrer Vorstellung alles in Ordnung sein. – Das ist es nicht, weil wir ein Ausgabenproblem und kein Einnahmenproblem haben! (Beifall bei den NEOS.)
Wissen Sie, wenn Sie sich jetzt hinstellen und sagen – wie das die ÖVP und auch die SPÖ machen; die FPÖ will halt irgendwie bei Sky Shield sparen, wobei es, glaube ich, eine ganz, ganz schlechte Idee ist, die Sicherheit der Österreicher aufs Spiel zu setzen –: Nein, wir müssen nichts machen, wir müssen nicht sparen!, dann bauen Sie damit unsere gesamte Standortpolitik und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Prinzip Hoffnung auf. Das ist zu wenig! Wir brauchen das Prinzip Tatkraft und wir brauchen das Prinzip Reformkraft, gerade auch in einer nächsten Regierung. (Beifall bei den NEOS.)
Wissen Sie was? – Wir haben hier ein Paket auf den Tisch gelegt, gemeinsam mit Expertinnen und Experten. Der Konsolidierungsbedarf ist ja enorm. Wir müssen als Erstes einmal schauen, dass wir überhaupt die Maastrichtkriterien einhalten; 2,5 Milliarden Euro brauchen wir allein da jährlich an Einsparungen und Reformen, um überhaupt die Maastrichtkriterien einzuhalten, weil wir da wirklich schlecht dastehen. Wir haben aber ein Paket auf den Tisch gelegt, das, ja, ein Reformpotenzial von 20 Milliarden Euro jährlich ausschöpfen würde. Damit haben wir die Chance, auch wieder Zuversicht und Optimismus zu bringen, nämlich den Spielraum zu schaffen, dass wir die Menschen endlich von viel zu hohen Steuern, von viel zu hohen Abgaben entlasten – etwas, das Sie allesamt, und das sage ich gerade auch in Richtung ÖVP, seit vielen Jahren versprechen, aber nicht einhalten!
Wir haben da die Menschen hinter uns. Der Großteil der Österreicherinnen und Österreicher wünscht sich Reformen, sagt: Wir brauchen eine Sanierung des Haushalts, wir brauchen eine steuerliche Entlastung!
Die Frage ist: Wie geht es weiter – mit einer schwarz-blauen Koalition, die wieder Skandale produziert und nichts weiterbringt, oder mit einer echten Reformregierung? Wir sind dazu bereit. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)
9.32
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Finanzminister. – Bitte sehr.