11.53
Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Bundeskanzler! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Auch ich stehe nicht an, den Opfern dieser schrecklichen Flutkatastrophe und vor allem auch jenen, die Familienmitglieder verloren haben, mein Mitgefühl auszudrücken. Ich möchte mich auch ganz herzlich bei den Einsatzkräften bedanken. Erst heute, als ich ins Parlament gefahren bin, habe ich einen Katastrophenhilfszug aus Kärnten auf der anderen Seite der Autobahn in Richtung Niederösterreich fahren sehen. Auch meine eigene Feuerwehr, die Feuerwehr Kaumberg, ist heute nach Melk ausgerückt, um dort Katastrophenhilfsdienst zu leisten. Es ist unglaublich, was da geleistet wird und wie dieses Land zusammenhält. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Danke daher nicht nur an die vielen Einsatzkräfte von Polizei, Bundesheer, Rettung, Feuerwehr und so weiter, sondern auch an die Familien, die zusammen jetzt den Schaden wegräumen! Meine eigene Familie ist diesbezüglich betroffen, ich weiß, was das die letzten Tage geheißen hat. Da sieht man, dass ein Land auch zusammenarbeiten kann und dass man imstande ist, so etwas auch wieder zumindest einmal vordergründig in Ordnung zu bringen und die Schäden zu beseitigen. Fakt ist aber auch, dass viele Schäden noch gar nicht erhoben sind und daher auch noch viel finanzielle Hilfe notwendig sein wird.
Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus, deswegen habe ich es auch für einen richtigen und wichtigen Entschluss empfunden, dass wir den Wahlkampf gestoppt haben, dass man gesagt hat, die Menschen haben jetzt andere Sorgen als Politduelle im Fernsehen. Es geht jetzt wirklich darum, Hab und Gut zu sichern und entsprechende Vorkehrungen zu treffen beziehungsweise die Dinge auch wieder zusammenzuräumen.
Ich finde es schade, dass sich nicht alle daran gehalten haben. Es ist teilweise auch die Situation ausgenützt worden. Ich weiß jetzt gar nicht, wie oft Herr Babler tatsächlich mit seiner Feuerwehr ausgerückt ist, ich finde es aber interessant, dass er seine Feuerwehruniform jetzt wieder gefunden hat, dass er versucht hat, mit einem eigenen Presseteam auch entsprechende Fotos zu generieren. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)
Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde es schade. Ich bin selbst bei der Feuerwehr, ich weiß, ich bin schon länger nicht mehr ausgerückt, und habe solche Fotos bewusst nicht gemacht. Ich habe versucht, anders zu unterstützen, habe das auch getan. (Abg. Keck: Sie sind auch kein Bürgermeister!)
Aber auch Frau Ministerin Gewessler zu meiner Linken hat sich nicht an Absprachen gehalten, den Wahlkampf zu stoppen. Es hätte am vergangenen Sonntag eine Diskussion auf Puls 4 gegeben. Alle Parteien haben abgesagt, weil man gesagt hat, man hat in diesem Land andere Sorgen. – Sie haben die beste Fernsehzeit genutzt, um in eigener Sache dort ein Fernsehinterview zu geben. Frau Minister, ich finde das schäbig und schade, das muss ich Ihnen hier ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Zorba: Das ist nicht das Thema eigentlich!)
Generell, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich erschüttert, was in den sozialen Medien gerade abläuft. Da wird einzelnen Parteien die Verantwortung für dieses Hochwasser zugeschoben – gerade von der linken Seite. Es ist unerträglich, was man da lesen muss, zum Beispiel, wenn Ihr Säulenheiliger, Herr Klenk vom „Falter“, schreibt, er freue sich „schon auf Kickls Wahlkampfauftritt im abgesoffenen Purkersdorf“. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann vermisse ich von Ihrer Seite einmal die Zurechtweisung dieser Herrschaften, die ja immer selbst gerne die moralische Instanz spielen wollen.
Wenn ich von Natascha Strobl, die im Wahlkampfkomitee von Herrn Babler sitzt, lese, dass sie sich de facto über den ersten „Klimalockdown“ freut, dann vermisse ich auch innerparteilich Ihre Kritik, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Schwarz: Ist dir das nicht zu deppert eigentlich? Ganz ehrlich?) – Was Herr Misik als hasszerfressener Linker alles schreibt, möchte ich Ihnen jetzt hier ersparen. (Abg. Hörl: Es gibt Pressefreiheit in dem Land!) Aber wissen Sie: Mit uns Politikern kann man das vielleicht noch machen, aber das ist wirklich purer Zynismus gegenüber den Opfern dieser Katastrophe, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da ist aus meiner Sicht dann der Spaß auch wirklich vorbei. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn jetzt der ÖVP und der FPÖ die Verantwortung für die Katastrophe zugeschoben wird – und das kommt vor allem von Ihrer Seite (in Richtung SPÖ) –, dann möchte ich Ihnen eines dazu sagen: Ich denke, es sind Helfer aus allen Parteien bei Freiwilligenorganisationen. Auch die verhöhnt man mit diesem Diskurs in den sozialen Medien. (Zwischenruf der Abg. Reiter.) Ich möchte wirklich bitten, dass Sie auf Ihre Herrschaften, die sich jetzt auf Twitter und Facebook und sonst wo auslassen, einwirken und sie darum ersuchen, einmal kühlen Kopf zu bewahren und den Opfern und vor allem auch den Helfern, Respekt entgegenzubringen. Das ist wirklich mein großes Anliegen. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich bin in der Vergangenheit selbst an Hochwassereinsätzen beteiligt gewesen. Ich habe erstens einmal immer gesehen, wie groß das Schadensbild dort ist, und in weiterer Folge habe ich auch gesehen, wie sehr die Menschen dort vor Ort betroffen gewesen sind. Gerade in meinem Bezirk Lilienfeld habe ich auch gesehen, wie viel Herzblut die Leute wieder reinstecken mussten, um ihr Haus wieder zu errichten, um es wieder bewohnbar zu machen. Ich habe auch mit den Leuten im Nachhinein gesprochen und herausgefunden, dass sie sehr oft und meistens von der Politik im Stich gelassen worden sind.
Es gibt immer die politischen Versprechen; Fakt ist aber, dass man dann im besten Fall vielleicht 10 Prozent des Schadens in irgendeiner Art und Weise als Bittsteller ersetzt bekommt. Sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung, das ist Faktum. Klubobmann Kickl hat bereits davon gesprochen, dass wir die Schäden in Kärnten haben, wo die Leute noch immer auf ihrem Schaden sitzen; wir haben das Gleiche in der Steiermark. Ich darf auf Tirol, auf Wörgl, aus dem Jahr 2005 verweisen, wo man heute noch auf die Hochwasserschutzbauten wartet – alles das hat nicht stattgefunden.
Ich würde wirklich dafür appellieren, dass man jetzt einmal hergeht und auch diese Versprechen, die man gerade in so einer Situation macht, schlussendlich auch einhält. Genau deswegen braucht es auch den Rechtsanspruch, den Klubobmann Kickl vorhin ins Treffen geführt hat.
Vielleicht noch ein kurzes Wort zum Bodenverbrauch, weil es wichtig ist: Ich habe mir gerade angesehen, wie zum Beispiel der Bodenverbrauch in der Stadt Innsbruck aussieht, wo Herr Willi immerhin seit fünf Jahren Bürgermeister ist. Dort hat man einen zusätzlichen Bodenverbrauch von 10,5 Prozent. Man sieht also, es ist nicht immer ganz einfach. (Abg. Maurer: Das sind keine Sinnlosprojekte!)
Der Süden von Wien, wo auch starke Überflutungen stattgefunden haben, ist de facto ein 20 Kilometer langes Einkaufszentrum, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Auch darüber muss man einmal sprechen, ob es wirklich so weitergehen kann, dass Bürgermeister – oft auch aus Profitgier und ähnlichen Gründen – diese Widmungen frei vornehmen können. Damit werden immer mehr Flächen hart versiegelt, wobei eines schon bekannt ist: Dort ist es dann notwendig, die entsprechenden Schutzbauten zu errichten und Vorkehrungen zu treffen.
Ich denke, spätestens der Fall von Gemeindebundpräsident Riedl, in dem Widmungen immer unter Freunden erfolgt sind, sollte uns zeigen, dass damit Schluss sein muss. Warum? – Eine Baulandwidmung ist aus meiner Sicht etwas sehr, sehr Ernsthaftes; und die Bürger, die einen Baugrund kaufen, müssen sichergehen können, dass sie in einem sicheren Gebiet bauen. Dabei ist mir nicht so wichtig, dass jemand für einen Freund ein Grundstück umwidmet, der dann damit Profit macht. Schlussendlich muss die Allgemeinheit dieses absichern und für die Schutzbauten bezahlen. Ich glaube, es ist klar, dass man da eine Trendwende braucht. Des Weiteren müssen wir wirklich sicherstellen, dass die Menschen zu ihrem Geld kommen.
Vielleicht noch abschließend ein Wort zu Kollegen Stocker: Der Rechtsanspruch, Kollege Stocker, führt nicht automatisch vor Gericht, sondern er führt nur dann vor Gericht, wenn Sie den Herrschaften, die diese Hilfe benötigen, den Zugriff auf diese Hilfe verweigern. Wenn es Ihr Ansinnen ist, dass Sie jetzt schon alle vor Gericht schicken wollen, damit sie Geld von der Republik bekommen, dann haben Sie falsch verstanden, was Klubobmann Kickl vorhin gerade gesagt hat. (Abg. Stocker: ... kein Rechtsanspruch! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir brauchen jetzt schnelle, unkomplizierte Hilfe; wir brauchen jetzt Akontozahlungen – all das ist nötig. Niemand will ein Hochwasseropfer vor Gericht sehen; das antizipieren Sie jetzt völlig falsch, Herr Kollege Stocker. Ganz ehrlich, da erwarte ich mir nun wirklich diesen Schulterschluss, den Klubobmann Kickl vorhin auch erwähnt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Entschädigung für Katastrophenschäden“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, in der ein Rechtsanspruch auf umfassende Entschädigung aus Bundesmitteln für Betroffene von Katastrophenschäden geschaffen wird.“
*****
(Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: ... dass ihr das einmal ausformulierts ...!)
12.01
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA
und weiterer Abgeordneter
betreffend Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Entschädigung für Katastrophenschäden
eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Entwicklungen und Maßnahmen betreffend die Hochwassersituation in Österreich in der 276. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. September 2024
Naturkatastrophen wie jene, die derzeit über Österreich wüten, verursachen nicht bloß menschliches Leid, sondern vor allem auch enorme wirtschaftliche Herausforderungen für die Betroffenen.
Nach derzeitiger Rechtslage besteht kein Rechtsanspruch auf eine Wiedergutmachung, obgleich Vertreter der Bundes- und der Landesregierungen diesen Eindruck immer wieder suggerieren.
In der Praxis müssen die Opfer von Umweltkatastrophen einen zeitlich und nervlich sehr herausfordernden Spießrutenlauf auf sich nehmen, um am Ende des Tages leer auszugehen oder bloß mit einem Bruchteil der Schadenssumme abgespeist zu werden.
Die Bundesbehörden unterstützen die Katastrophenhilfe der Länder höchstens im Rahmen spezifischer, vereinzelter Aufgaben, beispielsweise im Rahmen des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM), oder der Einsätze des Österreichischen Bundesheers, welches im Auftrag des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) im Katastrophenfall rund um die Uhr Soldaten bereitstellt.
Im Übrigen, vor allem hinsichtlich der Entschädigung der Opfer, ist die Bewältigung von Katastrophenschäden den Ländern überlassen und mangelt es an einem einheitlichen Krisen- und Katastrophenschutzgesetz auf Bundesebene sowie an einem Rechtsanspruch auf Entschädigung für Katastrophenschäden. Auch der nach dem Katastrophenfondsgesetz 1996 (KatFG 1996) geschaffene Katastrophenfonds deckt nicht die Schäden der individuellen Betroffenen und sieht vor allem keinen Rechtsanspruch der Betroffenen auf finanzielle Entschädigung vor.
Im Ergebnis führt dies dazu, dass die Betroffenen von Katastrophen, wie beispielsweise die Opfer des derzeit in weiten Teilen Österreichs wütenden Hochwassers, keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung haben und sohin zu Bittstellern degradiert werden.
Der Staat steht in der Verantwortung, rasche Hilfe bereitzustellen und die entstandenen Schäden zu ersetzen.
Es wird daher gefordert, eine bundesweit einheitliche Rechtsgrundlage zu schaffen, welche den Betroffenen von Katastrophen einen Rechtsanspruch auf finanzielle umfassende Entschädigung einräumt.
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, in der ein Rechtsanspruch auf umfassende Entschädigung aus Bundesmitteln für Betroffene von Katastrophenschäden geschaffen wird.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Herr Abgeordneter Hafenecker, in dieser zweifelsohne wichtigen Debatte, die wir gerade führen, haben Ausdrucksweisen wie „schäbig“ natürlich keinen Platz. Ich habe keinen Ordnungsruf erteilt, aber ich wollte nur auch für den weiteren Verlauf der Debatte darauf hinweisen und Sie darauf aufmerksam machen. (Beifall der Abg. Holzleitner. – Ruf bei den Grünen: ... ist auch schäbig!)
Zu Wort gelangt Klubobfrau Sigrid Maurer. – Bitte.