15.19
Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister für Finanzen! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erlaube mir auch, kurz zum Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2023 Stellung zu nehmen, weil ihn ja auch der Rechnungshof dem Hohen Haus vorlegt. Der Bundesrechnungsabschluss beinhaltet die Haushaltsergebnisse eines Jahres und gibt ein getreues Bild vom Budgetvollzug durch die Bundesregierung wieder.
Es ist Aufgabe des Rechnungshofes, dem Nationalrat die Abschlussrechnungen, den Voranschlagsvergleich, den Nachweis über den Stand der Finanzschulden sowie über die Haftungen vorzulegen. Ihnen ist es vorbehalten, diesen Bundesrechnungsabschluss in Form eines Gesetzes zu beschließen. So gesehen kann der Nationalrat sich am Ende der Legislaturperiode noch knapp vor den Wahlen mit den Abschlusszahlen des Jahres 2023 auseinandersetzen und diese einer Beurteilung unterziehen.
Für den Rechnungshof erlaube ich mir zu betonen, dass es unsere Aufgabe ist, die Fakten und Zahlen zu unterbreiten und diese im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zu prüfen. Im Resultat ist der Rechnungsabschluss damit die Darstellung der finanziellen Lage des Bundes, orientiert an Rechnungslegungsstandards, und ist damit natürlich auch von grundsätzlicher Bedeutung für die zukünftige Budgetpolitik. Der jährliche Bundesrechnungsabschluss ist immer Abschluss und Ausgangspunkt zugleich.
Gerade am Ende einer Legislaturperiode, nach einer Reihe von Krisenjahren und im Hinblick auf die Wiederinkraftsetzung der Fiskalregeln der Europäischen Union, nachdem diese jetzt vier Jahre lang ausgesetzt waren, gilt es, das Hauptaugenmerk wieder auf eine nachhaltige und krisentaugliche Haushaltsführung zu legen. Wir wissen es alle: Wenn man von Krisentauglichkeit spricht – die ja heute auch schon im Hohen Haus debattiert wurde –, kommt man nicht umhin, budgetäre Spielräume im Haushalt für Krisen und Katastrophen zu schaffen; denn gerade Extremwetterereignisse werden uns auch in Zukunft leider wieder verstärkt auf die Probe stellen. Wir müssen zudem stark in die Prävention, in den Schutz der Infrastruktur und in den Schutz unserer Lebensgrundlagen investieren. Wir müssen präventive Maßnahmen für den Klimaschutz setzen, um Gefahren zu reduzieren; auch das trägt zum Sicherheitsgefühl der Menschen bei.
Natürlich müssen wir in der akuten Krise rasch helfen – das bestreitet niemand ‑, wir müssen aber eben auch für Krisen ausreichend budgetär vorsorgen. Es kann ja niemand wissen, wann eine Notsituation eintritt; aber wenn sie da ist, dann müssen alle zusammengreifen, um die Schäden zu beseitigen und diese, soweit es geht, zumindest materiell wiedergutzumachen. Das versteht sich eigentlich von selbst. So gesehen ist es wichtig, dass Bund, Länder und Gemeinden in der Katastrophenhilfe eng zusammenarbeiten und sofort die notwendigen Maßnahmen setzen. Ich füge hinzu: Wahrscheinlich müssen wir irgendwann einmal auch darüber nachdenken, wie man die Abwicklung katastrophenbedingter Schäden in Österreich vereinfachen kann. Da geht es auch insbesondere darum, dass wir ausreichend Sachverständige brauchen, die zum Einsatz kommen, um die Schäden zu begutachten.
Die Freiwilligkeit im Dienste der Gemeinschaft kann nicht hoch genug geschätzt werden. Es wurde heute auch schon betont: Das ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Als Rechnungshofpräsidentin füge ich hinzu, dass die Leistungen der freiwilligen Helferinnen und Helfer wahrlich unbezahlbar sind, wir könnten sie uns budgetär nicht leisten. Der Einsatz für das soziale Miteinander muss daher auf allen Ebenen sehr wertgeschätzt werden; er verdient hohe gesellschaftliche Anerkennung – und zwar in der Schule, in der Jugendarbeit und natürlich im öffentlichen Dienst und im Beruf. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Kaniak und Disoski.)
Nun erlaube ich mir noch, Ihnen die Haushaltsergebnisse des Jahres 2023 kurz zu präsentieren: Sowohl das Nettoergebnis als auch der Nettofinanzierungssaldo waren das vierte Jahr in Folge hoch negativ. Mit minus 10,7 Milliarden Euro beziehungsweise minus 8 Milliarden Euro fielen die Werte zwar besser aus als im Jahr zuvor, aber natürlich erhöhte sich das negative Nettovermögen, und zwar auf minus 216,3 Milliarden Euro.
Diese Ergebnisse des Bundesrechnungsabschlusses 2023 sind vor dem Hintergrund einer Rezession und einer zunehmend schwierigeren Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu sehen. Im Vorjahr schrumpfte die heimische Wirtschaft real um 0,8 Prozent, die Inflation war mit 7,8 Prozent sehr hoch. Jüngsten Konjunkturprognosen zufolge – wie jenen der Oesterreichischen Nationalbank vom vergangenen Freitag – bleibt die wirtschaftliche Lage weiterhin angespannt, ja rezessiv. Das ist natürlich auch eine Herausforderung für die Budgets der nächsten Jahre.
Die Finanzschulden stellen mit 283,3 Milliarden Euro die größte Position auf der Passivseite der Vermögensrechnung dar; sie stiegen im Vergleich zu 2022 um 12,4 Milliarden Euro an. Vor allem die Maßnahmen zur Bekämpfung der Krisen – Covid-19-Pandemie und Teuerung – ließen die Finanzschulden seit Ende 2019 um 74,5 Milliarden Euro ansteigen, und seit dem Anstieg der Effektivverzinsung stieg auch der Zinsaufwand im letzten Jahr auf 4,1 Milliarden Euro. Der Stand der Haushaltsrücklagen belief sich zum 31. Dezember 2023 auf insgesamt 26,5 Milliarden Euro. Das ist der höchste Wert seit der Einführung der Haushaltsrechtsreform.
Im Vergleich zum Voranschlag brachte der Vollzug des Bundeshaushalts sowohl im Finanzierungs- als auch im Ergebnishaushalt aber eine Verbesserung. Insbesondere aufgrund der Inflation stiegen die Erträge – einerseits gegenüber 2022, aber auch im Vergleich zum Voranschlag – deutlich. Krisenbedingt nahmen aber auch die Aufwendungen zu: Das waren die Kosten für Entlastungsmaßnahmen zur Abfederung der Energiekostensteigerung und der Teuerung, die insgesamt 4,122 Milliarden Euro ausmachten. Hinzu kamen indirekte Entlastungen – etwa durch die Abschaffung der kalten Progression oder die temporäre Senkung der Energieabgaben.
Im Vergleich zum Voranschlag lagen die Aufwendungen um 2,4 Milliarden Euro unter dem geplanten Wert; das Nettoergebnis hat sich gegenüber dem Voranschlag um 6,3 Milliarden Euro verbessert. Diese Unterschreitung ist natürlich gut, aber in Anbetracht hoher Voranschlagsabweichungen empfehlen wir natürlich auch präzise Planungen und Budgetierungen.
Gesamtstaatlich gesehen erzielte Österreich im Jahr 2023 ein öffentliches Defizit von minus 2,7 Prozent des BIP; der gesamtstaatliche Schuldenstand stieg auf 371,14 Milliarden Euro; die Schuldenquote sank zwar auf 77,8 Prozent, liegt aber deutlich vom Maastrichtziel von 60 Prozent des BIP entfernt.
Wir haben im Bundesrechnungsabschluss auch einen eigenen Textband zu „Schulden, Haftungen und Entwicklung der öffentlichen Finanzen“. In diesem Band werden Sie sehen, dass die Maßnahmen zur Krisenbewältigung – insbesondere zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie – in den letzten Jahren überwiegend vom Bund getragen wurden. Das gesamtstaatliche Defizit betrug minus 12,67 Milliarden Euro, und der Anteil des Bundessektors lag bei minus 9,65 Milliarden Euro.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben bei unserer Prüfung der Abschlussrechnungen auch auf einen Punkt Wert gelegt, nämlich dass es aus Sicht des Rechnungshofes in Zeiten von umfassenden und kostenintensiven Maßnahmenpaketen wichtig ist, dass diese durchgängig gekennzeichnet werden – einfach um Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu erhöhen und um einheitliche Vorgaben für Auswertungen und für ein Maßnahmencontrolling zu haben.
Darüber hinaus haben wir einige Punkte im Zusammenhang mit unserer Prüfung zusammengefasst: Das sind die Grundsätze der Budgetwahrheit und Budgetklarheit, die einen hohen Stellenwert haben müssen; das ist das Thema der Qualität der Budgetierung durch fundierte Berechnungsgrundlagen und auch die Qualität der Abschlussrechnungen durch eine korrekte periodengerechte Zuordnung. Man sollte zudem Umstrukturierungen durch die Verschiebung von Detailbudgets in einer Legislaturperiode möglichst vermeiden, weil es um die Vergleichbarkeit der Gebarung und um die Nachvollziehbarkeit der verrechneten Sachverhalte im Zeitablauf geht. Schließlich und endlich erinnere ich an die Haushaltsrechtsreform, die für die nächste Periode noch ansteht. Da geht es um die Reform des Rücklagensystems und natürlich um die Stärkung der Mittelfristplanung.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich erlaube mir, auch noch zu sagen, dass der Bundesrechnungsabschluss sozusagen Abschluss ist, aber wir haben auch einen Abschnitt zur Entwicklung der öffentlichen Finanzen in unserem Bundesrechnungsabschluss. Die Konjunkturaussichten habe ich bereits erwähnt: Es wird ja von Wirtschaftsforschern das zweite Rezessionsjahr in Folge erwartet. Sowohl Fiskalrat als auch Wifo und IHS gehen von einem Maastrichtdefizit von möglicherweise über 3 Prozent für das Jahr 2024 aus, und damit würde ein Defizitverfahren drohen.
Nach dem Referenzpfad der Europäischen Kommission ergibt sich für Österreich für die nächsten vier Jahre ein Anpassungsbedarf von zumindest 2,5 Milliarden Euro jährlich. Österreich steht damit vor der Aufgabe, der Europäischen Kommission möglichst rasch einen österreichischen Fiskalstrukturplan mit einem Nettoausgabenpfad, den budgetären Zielen, einem Paket für Reformen und Investitionen vorzulegen.
Was müsste ein derartiges Paket beinhalten, was müsste da getan werden? – Aus Sicht des Rechnungshofes geht es naturgemäß um die Sicherstellung der nachhaltigen Budgetentwicklung.
Dazu gehören unter anderem folgende Maßnahmen: Ich erinnere an die Bedeutung des Bundesfinanzrahmens. Der Bundesfinanzrahmen sollte wieder stärker als ambitioniertes Steuerungsinstrument mit verbindlichen Obergrenzen für die gesamte Periode betont werden. Die Transferleistungen machen 75 Prozent des Bundeshaushalts aus, auch das Fördervolumen steht zur Diskussion, dabei geht es um Sparsamkeit, Bedarf und Wirksamkeit. Förderungen sind in vielen Bereichen sicher sehr, sehr wichtig, aber sie können auch eine hohe Abhängigkeit vom Staat erzeugen, und deshalb sollte man sie dosiert einsetzen. Es geht um Anreizsysteme für die Wirtschaft, für Wachstum, für Wettbewerbsfähigkeit. Und zum Schluss geht es natürlich auch um strukturelle Reformen im Staatsgefüge und in der Verwaltung, es geht um die Zukunftstauglichkeit im öffentlichen Bereich.
Wir brauchen daher bessere Möglichkeiten, wenn es darum geht, welcher politischen Ebene eine neue Aufgabe übertragen wird, die Kosten der Aufgabenbewältigung eindeutig nachvollziehen zu können, eine klare Verantwortung dafür zu haben und natürlich die Kosten gering zu halten.
Daher müssen wir vielleicht diskutieren und auch die Bereitschaft aufbringen, zu fragen, wo verbesserte Abläufe im Bundesstaat möglich sind. Wir haben in der Coronapandemie bei unseren Prüfungen auch schon einigen Verbesserungsbedarf aufgezeigt. Bei dieser Betrachtung müssen der Bürgernutzen und das Vertrauen in den Staat im Mittelpunkt stehen. Wir müssen stets prüfen, wie wir ein Ziel am ehesten erreichen: mit einer Förderung, mit einer Regulierung oder einer Anreizwirkung.
Wie können wir die Wirksamkeit von Maßnahmenpaketen beurteilen? Ich sage das im Kontext der Wirkungsorientierung, die bei uns de facto eine untergeordnete Rolle spielt. Wie gehen wir mit der Ressource Daten im öffentlichen Bereich um? Die Daten, die uns zur Verfügung stehen, könnten natürlich dazu dienen, den mittelfristigen Handlungsbedarf richtig zu prognostizieren, Stichwort demografische Entwicklung.
Wir brauchen eine Strategie für den künftigen Mittelbedarf der altersbedingten Staatsausgaben und deren Finanzierung, und natürlich müssen wir unser Sozialsystem in einer guten Balance halten. Es geht darum, die Attraktivität der Arbeit zu steigern und einen verstärkten Anreiz für Normalarbeitsverhältnisse zu setzen, damit wir da eine gesunde Basis haben.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Ja, es gibt budgetpolitische Herausforderungen, Sie alle kennen diese. Als starkes Land können wir sie bewältigen, wenn wir alle wollen und zusammenhalten. Ich ersuche Sie daher, die Themen und Problemstellungen zu diskutieren, sodass man rechtzeitige Gegensteuerungsmaßnahmen ergreifen kann. Das Achten auf den Staatshaushalt – auf einen Staatshaushalt, der für Krisensituationen geeignet und handlungsfähig ist – gehört zu den wichtigsten politischen Tugenden, und ich denke, dass das wichtig ist, damit wir wieder einmal in einen regulären Modus der Budgetpolitik zurückkehren können. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)
15.33
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Greiner. – Bitte sehr.