19.45

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass wir am Freitagvormittag anlässlich der Vorstellung der neuen Staatssekretärin hier im Haus gemeinsam Gelegenheit haben werden, noch einmal grundsätzlich über Kunst und Kultur zu debattieren; heute mehr zum Budget und zu den Zahlen.

Das kommende Zitat ist natürlich auch nicht von mir, aber in den letzten Tagen kommt es immer wieder vor, weil wir da gar so die riesigen Löcher und Lücken, die sich auftun, bedecken wollen, dass manchmal in Vergessenheit gerät – und ich denke, so hat es auch der Bundespräsident gesagt, der es wieder in Erinnerung gerufen hat –, dass Kunst und Kultur ein Wert an sich sind. – Wenn das so ist, dann soll das aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die materielle Basis natürlich da sein muss. Das war ja fast eine sehr inspirierend philosophische Einlage des Abgeordneten Taschner; diese Quasiausstattung muss ja dann genau dazu führen, dass das Unkonventionelle, das nicht Einplanbare, das nicht zu dieser Zeit, wenn es dann kommt, Wohlgefällige mitali­mentiert und zur Verfügung gestellt werden muss. (Abg. Taschner nickt.)

Ich weiß nicht, ob man da unbedingt bis zu den Medici zurückgreifen muss, aber diese hatten natürlich den Vorteil, dass sie das auch schon anders als andere absolutistische Herrscher angegangen sind, denn sie haben sich ja sozusagen in der Entwicklung des Stadtstaates Florenz hervorgetan, und das erste Mal hat sich, glaube ich, in großem Stil auch das Verhältnis von Wirtschaft und Kultur und nicht nur von Machthaber und Kultur abgebildet, jedenfalls von Geld und Kultur. Sie waren ja auch maßgeblich daran beteiligt, das Geldsystem so zu entwickeln, wie es heute ist.

Ich will das jetzt aber nicht zum Anlass nehmen, selbst weiterzuphilosophieren, sondern nur so viel sagen, dass man es nicht nur bei den Zahlen belassen sollte. Jetzt aber, da es natürlich um diese – wie ich immer sage – Einschläge und Einschnitte geht, sind man­che Bereiche besonders hart betroffen, gerade im finanziellen Bereich.

Ich gebe allen recht, die darauf hinweisen, dass man diese Budgetzahlen jetzt natürlich anständig nachdrehen muss, das ist ja überhaupt keine Frage. Abgeordneter Drozda hat darauf hingewiesen, dass das in mehreren Bereichen notwendig ist. Ich würde auch so weit gehen, denn in seinem Interview in der Sendung „Hohes Haus“ am Sonntag hat er fast noch mehr gesagt – Hohes Haus, das passt eh hierher –; ich würde ihm über weite Strecken recht geben. Die Frage ist nur, wie und wie schnell wir das schaffen. Das mah­nen Sie ja auch zu Recht ein. Ich erkenne hier eine ähnliche, phasenweise gleichlau­tende Analyse der Notwendigkeiten. Solch ein Zugang ist mir natürlich fünf Mal lieber als jener des Abgeordneten Reifenberger, da ja schon von Frau Kollegin Kucharowits darauf hingewiesen wurde, dass man eine Staatssekretärin jetzt nicht unbedingt so qualifizieren sollte, wie er es getan hat. – Aber sei’s drum.

Es hilft auch nicht, hier Pippi Langstrumpf ins Spiel zu bringen, denn ich weiß nicht, wo dieser Vergleich wieder hinführt. Sie haben ja dann gerade so getan, als ob diese ganze Epidemie wieder nur zum Anlass genommen worden wäre, um irgendwie blöd zu tun, und so etwas möchte ich schon zurückweisen, selbst von der Regierungsbank aus. Da hilft auch der Hinweis auf Pippi Langstrumpf nichts. Die hätte sich den Unsinn im Übrigen auch nicht gefallen lassen, sie hätte eine lustige Rache für Sie ersonnen. Wir kennen sie nicht genau.

Jetzt aber zu den Punkten, die hier genannt wurden, und dazu, wie ich das selber ein­ordnen würde. Kommen wir noch zum Budget vor Corona! Da gibt es immerhin – im­merhin! – eine Erhöhung um ziemlich genau 11 Millionen Euro, ich glaube, Kollegin Blim­linger ist ein bisschen darauf eingegangen.

Jetzt kann man sagen, das ist falsch, zu wenig oder auch das Fortschreiben des Be­stehenden – weiß ich nicht. Da ist ja auch schon länger, glaube ich, sozialdemokratische Handschrift drinnen gewesen. Da hätte der jetzt hier in Kritik stehende Finanzminister in seiner kurzen Zeit als Kulturminister gar nicht so viel anrichten können, wie Sie ihm hier vielleicht andichten wollen. Also da wird ja dann auch etwas mit sozialdemokratischer Handschrift fortgeschrieben, und es hat ja von sozialdemokratischer Seite auch ein paar Hinweise darauf gegeben – und, ich denke, zu Recht –, dass einiges Gutes in der Struk­tur des Kulturbudgets enthalten ist.

Ich nehme das also durchaus differenziert wahr. Ich hoffe, ich kann das zum Ausdruck bringen, und meine wirklich, dass da jetzt tatsächlich viel geschehen muss, nämlich draufgesattelt auf das Budget, das halt nun einmal noch nicht korrigiert wurde. Auch da kann man aber sehen, dass die Valorisierung da oder dort gar nicht so schlecht gelungen ist. Wenn Sie nachschauen, werden Sie sehen, dass bei der freien Szene letztlich ein Plus von 2 Millionen Euro drinnen ist. Das ist ein Schritt in Richtung einer anständigen Valorisierung, denn das geht deutlich darüber hinaus, und es wird ja hier auch noch an mehr gearbeitet.

Ja, dann ziehe ich das vor: Wenn wir die freie Szene betrachten, führt mich das dazu, auch zu den Freischaffenden zu kommen, weil in diesem Bereich oft auch individuell eine größere Anzahl an Schicksalen zu verorten ist. Ja, es wird notwendig sein, die frei­schaffenden Künstlerinnen und Künstler mit einem eigenen Unterstützungsfonds, am besten mit der Dotierung von Entschädigungen über jeweils sechs Monate, weil es eben so lange dauert – auch hier dieser Gedanke –, auszustatten, und das rasch. Ich glaube, wir denken da in eine gleiche Richtung, und ich bin auch zuversichtlich, dies jetzt bald zu verwirklichen beziehungsweise herausverhandelt zu haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So schlecht war es aber an dieser Stelle jetzt nicht, und bei diesen 2 Millionen Euro würde sich auch der Fair-Pay-Gedanke abbilden – wir wollen ja antauchen, und das ma­chen wir ja auch immer noch.

Ich darf außerdem auf die Entwicklung der geschlechterspezifischen Verteilung der För­derungen verweisen. Das ist jetzt nicht mein Verdienst, daran sind mehrere Parteien, denke ich, beteiligt. Vor circa 15 Jahren sah es bei den Förderungen so aus, sofern wir sie geschlechtsspezifisch erfassen können, und das können wir ja nach den Reformen nun viel besser, dass der Anteil der Frauen bei der Inanspruchnahme der Fördermittel bei 40 Prozent gelegen ist. Seit wenigen Jahren, jedenfalls schon seit 2018, liegt dieser Anteil bei deutlich über 50 Prozent. Das ist nicht so schlecht. Ich brauche mich mit diesen Federn gar nicht zu schmücken, wem auch immer die Ehre für diese Entwicklung ge­bührt, aber so schlecht ist alles also offensichtlich nicht. Das wollte ich damit sagen, und wir wollen ja in diese Richtung weiterarbeiten.

Ich bleibe gleich bei den Fragen, die zwischendurch gekommen sind. Ich habe mich natürlich gleich wegen der angesprochenen Wifo-Studie erkundigt. Tatsächlich liegt ein­mal ein Entwurf vor, und es ist ja offensichtlich nicht unüblich, dass dann nach einer Schlussredaktion eine endgültige Version vorliegt – und seien Sie gewiss, dass ich je­denfalls daran denke, dass wir diese Studie nicht nur Ihnen zur Verfügung stellen, das natürlich erst recht, sondern überhaupt veröffentlichen. Danke für den Hinweis. Das ist also im Werden und das wird auch nicht mehr allzu lange dauern, habe ich mich eben briefen lassen.

Jetzt aber zu den Zahlen, die hier nachgefragt wurden, die man natürlich noch weiter anständig betrachten muss. Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wie hoch sie letztlich sind, ich kann Ihnen nur sagen, was es braucht, wenn wir es differenzieren.

Wir haben hier zunächst einmal – darüber hatten wir uns ja sowohl im Budgetausschuss als auch im Kulturausschuss schon unterhalten – die großen Kulturinstitutionen, die ja zum Teil zu uns selber zurück ressortieren, natürlich auch bei anderen Gebietskörper­schaften. Die Bundesländer werden im Zuge der Finanzausgleichsgespräche auch ir­gendwann bei uns stehen und sagen: Ja, hey, hallo, wir wollen auch unsere Institutionen, ob das jetzt in Salzburg ist oder in Graz, überall, gut über die Runden bringen und die Lücken decken! Die haben das auch nicht gleich so. Wir haben ja diese Debatten, und ich kann dann immer nur sagen, und jetzt kommt ein – sorry for that – finanzpolitisches Argument: Solange, und das wird noch länger so sein, sich die Republik um 0 Prozent Geld aufnehmen kann, sprich in Wahrheit Anleihen begeben kann, muss das möglich sein, dass everything it takes auch everything it takes bedeutet, für mehrere Bereiche.

Ich merke schon immer das Misstrauen, ob das so kommen wird. Vielleicht kommt es daher, dass nicht immer gleich über Nacht alles rausgeschüttelt wird, aber ja, das ist der Anspruch und der Ansatz. Das würde auch bedeuten, dass unsere Staatsverschuldung von 68, 70 Prozent halt wieder um 20 Prozent steigt. Wenn wir 0 Prozent dafür zahlen, dann werden wir jahrelang damit über die Runden kommen. Sonst müssten Sie mich ja fragen: Was ist denn mit dem los? Der glaubt, wir können unbeschränkt Geld drucken!, oder was auch immer. – Das tun wir ja gar nicht. Daher kommt das.

Solange das so ist und nicht überall sofort die Einschnitte auf alle Lebensbereiche, auch auf wirtschaftliche und soziale Bereiche niederprasseln – dafür bin ich natürlich nicht zu haben, das diskutieren wir ja eh immer separat –, wird das auch für den Kunst- und Kulturbereich zu gelten haben – und erst recht, wenn Österreich sich eben zu Recht als Kulturnation darstellt –, dass wir diesen Kurs halten. Da bin ich jetzt nicht nur bei einem Wert an sich, da bin ich auch dort, dass ich sage, dass das auch enorme wirtschaftliche Auswirkungen hat. Das muss man ja im Kreislauf sehen.

Tatsächlich ist es so, wie Abgeordneter Drozda gesagt hat, dass natürlich gerade in Wien große Institutionen durchaus auch vom gar nicht mehr immer so geliebten Tou­rismus abhängig sind. Ich kann es nur nicht genau vorausberechnen. Das habe ich nicht ganz verstanden, ob Sie da schon genauere Zahlen haben, aber wer jetzt weiß, wie sich der Tourismus 2023/2024 entwickeln wird, den beglückwünsche ich wiederum. Es wird aber einen Einbruch geben, und tatsächlich ist es ja so, wenn wir uns die Museenland­schaft anschauen, dass jene, die eine hohe Eigenwirtschaftlichkeit haben, genau aus dem Grund jetzt am stärksten getroffen sind. Auch darüber haben wir uns schon aus­getauscht.

Das heißt, es wird nach einer Überbrückungshilfe tatsächlich darauf ankommen, auch wegen der Planbarkeit, die weiteren Hilfen – die haben sich ja alle nichts zuschulden kommen lassen, ist ja klar – dann über die Einnahmenausfälle zu definieren und nicht nur über Kostenersätze. À la longue kann das nicht anders sein, denn keine dieser Ins­titutionen ist auf Gewinn ausgerichtet. Das hat eine Logik. Ich kann hier sozusagen nur den Gedanken äußern, wie wir uns da nähern und dem zustimmen können, und solange es so ist, dass wir alle Lebensbereiche mitnehmen wollen, werden Kunst und Kultur ge­nauso vorne mit dabei sein. Darüber werden wir uns wahrscheinlich noch öfter unter­halten.

Der zweite Bereich sind die privaten oder auch gemeinnützigen Träger. Wir haben schon öfter Gelegenheit gehabt, über diesen neu zu kreierenden Fonds zu reden, damit halte ich mich jetzt nicht auf. Ich habe schon angekündigt, dass es mit Sicherheit für die Frei­schaffenden, die individuell Betroffenen etwas geben wird.

Damit habe ich, glaube ich, einmal alles, was gerade akut ist, zumindest mit hereinge­nommen, und ich hoffe und erwarte, dass wir am Freitag noch eine entsprechende Kunst- und Kulturdebatte wiederaufnehmen können und uns vielleicht dann nicht nur über Zahlen unterhalten.

Die berühmte Frage, weil es vorher beim Sport ein Thema war, hatte ich nicht mit hinein­genommen, nämlich betreffend die Aufsperrpläne, wie das jetzt immer so heißt; diese kann ich natürlich auch noch beantworten.

Ich sehe auch da, wenn wir den internationalen Vergleich anschauen, dass Österreich mit dem, was gestern erst vorgestellt wurde und jetzt alle zwei Wochen noch einmal verfeinert wird, eben in Richtung weitere Öffnung und Lockerung, solange die gesund­heitspolitischen Zahlen sich so gut entwickeln – viel besser geht es dann eh nicht mehr; passt gut, dass der Kollege Außenminister da ist –, wirklich unter den Ersten ist, auf einem vorderen Platz liegt. Ich versuche, das dauernd abzugleichen, das ist ja nicht in jedem Land gleich – in der Bundesrepublik Deutschland ist ja das Ganze sehr stark auch Bundesländerangelegenheit –, aber ich finde fast keine Region und schon gar keinen Staat, der in all diesen Bereichen ähnlich rasch unterwegs ist wie wir.

Dass das gerade für große Häuser, Theaterbetriebe, Opernbetriebe von großem Belang ist, ist ja klar; ich habe mich ja auch mit Herrn Kušej getroffen. Das ist mir ja alles klar, deshalb ist das mit den Proben schon länger geklärt, sie können das jetzt schon machen, brauchen aber eine Sicherheit für die Monate September, Oktober, fortfolgende. Noch einmal: Bis vor Kurzem beziehungsweise bis heute ist es so, glaube ich, dass die in der Elbphilharmonie erst recht nicht wissen, wie es im Herbst ausschaut, und die in der Mailänder Scala auch nicht oder noch viel weniger, aus naheliegenden tragischen Grün­den.

Bei aller wechselseitigen Heftigkeit, die es ja geben soll, plädiere ich dafür, ein bisschen den Vergleich zu suchen, nicht weil er uns so viel sicherer macht – es ist überall unsi­cher –, aber weil das zumindest ein Licht darauf wirft und zeigt, dass das alles nicht ganz so einfach ist. Ich habe es mir als Oppositioneller, als Abgeordneter der Opposition immer einmal erlaubt, durchaus flott am Rednerpult zu stehen. Oft aber habe ich auch gesagt, es ist in Österreich vieles gut. Und diese differenzierte Debatte würde ich mir auch wünschen. Sie als Opposition sind aber natürlich eingeladen, Ihren Job besonders gut zu machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Brandstätter: Danke für die Ein­ladung!)

20.01

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.