16.48
Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Im Zuge der Coronapandemie taucht ein Begriff immer wieder in der öffentlichen Debatte auf, und zwar Regionalität. Ich sehe die Regionalität als eine sehr gute Sache, um gegen die grenzenlose Globalisierung anzukämpfen, wenn man so will – nicht als ein Gegenprogramm, aber ein Korrektiv zu einer schrankenlosen Globalisierung, die gezeigt hat, wie verwundbar wir in Österreich und in Europa sind, wenn große Teile der Medizinproduktion, der Erzeugung von Medizinprodukten ausgelagert werden. Es geht aber auch um eine regionale Versorgung mit heimischen Lebensmitteln, europäischen Lebensmitteln.
Es ist daher richtig, dass wir als eine Lehre mitnehmen, die Regionalität zu stärken, eine regionale Produktion in Europa in vielen strategisch wichtigen Bereichen zu sichern. Es war daher richtig, dass Bundeskanzler Kurz, Ministerin Köstinger und die Bundesregierung einen Regionalitätsgipfel gemacht haben, der genau diese Fragen für Österreich, aber auch im europäischen Konzert gemeinsam beantworten soll.
Wir müssen an dem weiterarbeiten, und daher will ich heute zum Thema der Regionalpolitik Stellung nehmen. Zwei zentrale vergemeinschaftete Politikbereiche der Europäischen Union sind einerseits die Gemeinsame Agrarpolitik und andererseits die Regionalpolitik, die im EU-Sprech Kohäsions- und Strukturpolitik heißt. Das zeigt sich darin, dass fast ein Drittel des EU-Haushalts für die Kohäsionspolitik budgetiert ist, rund 360 Milliarden Euro in der laufenden Finanzperiode von 2014 bis 2020; daran sieht man schon, was für Finanzvolumina in diesem Bereich vorhanden sind.
Das Ziel dieser Regionalpolitik auf europäischer Ebene ist ein zutiefst europäisches: Diese Mittel sollen nämlich eingesetzt werden, um wirtschaftlich schwächere Regionen in der EU an das Niveau der stärkeren Regionen heranzubringen, sodass es eine gleiche soziale, wirtschaftliche und regionale Entwicklung gibt. Das ist ein zutiefst solidarisches Ziel und eine sehr solidarische Politik, die seit Jahrzehnten sehr erfolgreich läuft – ich finde, dass das auch gerade in der jetzigen Zeit von großer Bedeutung ist.
Diese Regionalpolitik läuft über mehrere Fonds, nur zu Ihrer Erinnerung, zusammen bilden sie die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Dazu gehören der Europäische Fonds für regionale Entwicklung – Efre –, der Europäische Sozialfonds und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums – Eler – sowie der Europäische Meeres- und Fischereifonds, aus dem Österreich auch gewisse Finanzmittel bekommt.
Österreich ist nun seit 25 Jahren Mitglied in der Europäischen Union, und das Wifo hat beurteilt, wie denn diese Regionalförderung, diese Regionalpolitik in Österreich gewirkt hat. In diesem Zeitraum hat es Investitionen von rund 31 Milliarden Euro gegeben – 15 Milliarden Euro stammen aus dem Topf der Europäischen Union, die müssen dann kofinanziert werden –, und mit diesen 31 Milliarden Euro wurde in Österreich gewaltig in strukturschwächere Regionen investiert. Das hat bewirkt, dass das Wirtschaftswachstum jährlich um zusätzlich 0,65 Prozent gestiegen ist, und laut Wifo wurden in dieser Zeit, seit 1995, rund 850 000 Arbeitsplätze dadurch gesichert.
Das Burgenland war Hauptprofiteur dieser Entwicklung. Das Burgenland, 40 Jahre am Eisernen Vorhang, mit einer extrem strukturschwachen Wirtschaft, konnte dank Ziel-1-Region und Nachfolgeregionen sehr stark profitieren. Es wurden rund 5,2 Milliarden Euro investiert und sagenhafte 164 000 Projekte in diesem Zeitraum umgesetzt. Wenn man das genauer betrachtet, dann sieht man, da sind sehr viele Agrarprojekte darunter, sehr viele Projekte der ländlichen Entwicklung, aber auch sehr viele Regionalprojekte und Projekte des Europäischen Sozialfonds, bei denen Unternehmen Mitarbeiter weiterbilden, qualifizieren und Ähnliches. Im Burgenland wurden seit 1995 rund 35 000 Arbeitsplätze geschaffen.
Das Wifo sagt, diese Regionalpolitik habe in ganz Österreich tendenziell sehr stark dazu beigetragen, dass die Regionen sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistung angeglichen haben: Das Burgenland, aber auch das Waldviertel, das Mühlviertel und andere Regionen, die am Eisernen Vorhang lagen oder strukturschwächer sind, haben davon profitiert. Es ist noch nicht alles erreicht, aber die Richtung stimmt. Es hat auch in Wien und in ganz Österreich Projekte gegeben: Das Technologie- und Forschungszentrum Wiener Neustadt sowie die Wiederbelebung der Wiener Stadtbahnbögen wurden beispielsweise daraus finanziert, aber auch die Käsestrasse Bregenzerwald und eben ein Lyocell-Faserwerk in Heiligenkreuz im Burgenland.
Was man nicht vergessen darf: Der Charme dieser EU-Regionalpolitik ist, dass Österreich, das als Nettozahler ja mehr Geld in die Europäische Union einzahlt, über diese Politikbereiche wieder Gelder zurückbekommt und damit seine Nettozahlerposition verbessert. Wir sind daher sehr daran interessiert, dass die Gemeinsame Agrarpolitik ausfinanziert wird, dass auch die Regionalfonds ausfinanziert werden, weil wir damit Steuerungselemente haben. Es gibt nach wie vor in ganz Österreich Regionen, die diese wirtschaftliche Entwicklung und Unterstützung brauchen.
Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, gerade in der Coronakrise: Im Jahr 2008, in der Finanzkrise, haben die europäischen Strukturfonds dazu beigetragen, dass in krisengebeutelten Staaten die öffentlichen Investitionen nicht eingebrochen sind. Wenn es die Strukturfonds nicht gegeben hätte, wären laut Analysen der Europäischen Union rund 45 Prozent der öffentlichen Investitionen in Staaten wie Griechenland und anderen Ländern eingebrochen, auch bei uns. Sie haben unterstützend beigetragen, und da kann man eine Parallele zur Jetztzeit ziehen: Ich sehe die europäische Regionalpolitik als ein unterstützendes Instrument, um jetzt in der Coronakrise die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, gerade in strukturschwachen Regionen; das halte ich für sehr wichtig.
Ergänzend dazu: Die Bundesregierung hat vor Kurzem gemeinsam mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ein Gemeindepaket aufgestellt, 1 Milliarde Euro für die österreichischen Städte und Gemeinden, die auch enorme Steuerausfälle verzeichnen. Dazu kommen Investitionen in den öffentlichen Verkehr und in Klima- und Umweltschutz, das bedeutet, 1,5 Milliarden Euro werden wiederum genau in die Regionen investiert. Wir wissen, dass die Gemeinden große Investoren sind: Sie investieren in Kindergärten, in Schulen, in Senioreneinrichtungen, die genau das bringen sollen, was wir uns erhoffen, nämlich wieder mehr Arbeitsplätze und eine wirtschaftliche Belebung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
16.55
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.