11.31

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Ich möchte heute das Augenmerk im Bereich des Sozialen noch einmal auf unsere letzte Tagesordnung im Ausschuss legen, nämlich auf die Nettoersatzrate. Wir müssen da leider Gottes so intensiv nach­bohren, damit die Bevölkerung, die österreichische Bevölkerung vor allem versteht, wo­rum es uns gemeinsam mit der SPÖ, mit den anderen Oppositionsparteien geht.

Ich habe vor Kurzem ein Interview mit einem Vertreter der Europäischen Zentralbank gehabt, und der hat mir eine interessante Geschichte erzählt. Er hat gesagt, dass es noch nie so viel Geld im Markt gegeben hat wie jetzt. Wir haben die höchste Liquidität in der Geschichte der letzten 100 Jahre, egal ob das in Amerika, in China, in Russland oder in Europa ist. Diese Liquidität ist vorhanden. Was aber in den letzten zehn Jahren, seit dieser Bankenkrise 2008/2009 passiert ist, ist, dass sich die Zentralbanken jegliche Instrumentarien der Inflation, der Verzinsung oder Sonstiges genommen haben. Das heißt, das Einzige, an dem sie sich noch festgemacht haben, ist, immer mehr Geld in den Kreislauf zu bringen und immer mehr Geld zu produzieren.

Das kann man der Bevölkerung vielleicht einfach übersetzt so erklären: Das ist wie bei einem Fahrradschlauch, den man in die Sonne legt und aufpumpt: Den pumpt man so lange auf, bis es einen riesigen Platzer gibt – und das wird passieren. Wenn das passiert, dann gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich einerseits die Möglichkeit einer massiven De­flation – damit verbunden: kein Konsum mehr, keine Investitionen mehr, hohe Arbeitslo­sigkeit – oder andererseits die Variante, die uns seit 15 Jahren Japan vorzeigt, nämlich dass wir keine Produktivität mehr haben und letztendlich große Geldmengen im Umlauf sind.

Warum sage ich das vorab? – Um aufzuzeigen, welche Alternativen es gäbe, wie wir da auf europäischer, aber auch auf österreichischer Ebene ansetzen könnten, ohne es an nur zwei Modellen festzumachen, nämlich erstens am Arbeitslosenmodell – ist alles okay – und zweitens am Kurzzeitarbeitsmodell. Man kann darüber streiten und diskutie­ren, wie man möchte, aber man hat zwei wesentliche Punkte dabei übersehen, dass nämlich diese Menschen – die 1,8 Millionen, die sich in Arbeitslosigkeit oder in Kurzar­beit befinden, oder die 1,3 Millionen, die in Kurzarbeit sind – eines verbindet: das Kon­sumverhalten.

Ihre Aufgabe als ÖVP, als Wirtschaftspartei muss es ja ganz klar sein, nicht an einem kleinen Schräubchen zu drehen, nämlich ob wir jetzt die Nettoersatzrate von 55 auf 70 Prozent anheben oder nicht, sondern das Big Picture, das große Bild vor Augen zu haben und das Konsumverhalten anzutreiben. Das machen Sie aber nicht mit Ihren wirtschaftspolitischen Grundlagen. Das sollten Sie sich überlegen! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich bringe Ihnen ein kleines Beispiel: Eine kleine Sekretärin bei mir in Kärnten ist heute die Haupteinkommensbezieherin mit 1 300, 1 400 Euro netto, weil ihr Mann am selben Tag, an dem die Coronakrise bei uns zu Beschränkungen geführt hat, gekündigt worden ist. Jetzt erklären Sie mir, wie Sie dieses Delta, das entsteht, wenn der gekündigte Ehe­mann zu Hause sitzt und nur Arbeitslosengeld bezieht und die Frau das kleinere Ein­kommen, das jetzt aber auf einmal das größere ist, nach Hause bringt, schließen wollen! Das geht nicht! Die haben Kredite, die haben Kinder, die haben Ausgaben zu finan­zieren. Das schaffen sie in dieser Situation nicht. Sie schaffen es dann, wenn wir als Staat mithelfen, und zwar indem diese Nettoersatzrate auf 70 Prozent angehoben wird.

Daher appelliere ich an Sie: Geben Sie uns die Möglichkeit, der österreichischen Be­völkerung auf diese Weise zu helfen, und setzen Sie dieses Zeichen gemeinsam mit uns um! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.35

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte.