Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Bundesministerin! Neben dem Mehr­jährigen Finanzrahmen, der jetzt angesprochen worden ist, bei dem Österreich eine sehr verantwortungsvolle Position einnimmt, gibt es noch ein zweites großes Thema, das die Europäische Kommission nicht so starten konnte, wie es ursprünglich geplant war, und das ist die Zukunftskonferenz – ein großes Projekt der neuen Kommission. Im Jänner haben sich auch die Vorsitzenden der Europaausschüsse der nationalstaatlichen Parla­mente in Zagreb damit beschäftigt, und von unserer Seite her besteht der Wunsch, dass nationalstaatliche Parlamente auch entsprechend eingebunden werden. Der Start hätte am 9. Mai sein sollen; das war eben nicht möglich.

Jetzt tauchen interessante Wortspenden auf. So hat am 18. Mai in einem Presse­ge­spräch die deutsche Bundeskanzlerin Merkel gemeint, man sollte auch Vertragsände­rungen mit ins Auge fassen.

Daher meine konkrete Frage: Wie ist jetzt der aktuelle Stand auf europäischer Ebene – es ist ja ein europäisches Projekt –, und was passiert hier bei uns im Land?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 15/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie sieht der aktuelle Stand zur EU-Zukunftskonferenz auf nationaler und europäischer Ebene aus?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Das ist eine ganz wesentliche Frage, nämlich insofern, als man mit Geld alleine nicht alles lösen kann, sondern es darauf ankommt, Visionen für Europa zu entwickeln, zu schauen: Was kann, was soll, was muss die Europäische Kommission in Zukunft machen, was muss sie auch besser machen? Die Zukunftskonferenz war ja schon geplant, bevor die Covid-19-Krise über die Welt hereingebrochen ist. Ich habe sie damals schon für ganz notwendig gehalten – unter Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, unter Einbindung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments.

Geplant wäre gewesen, diese Zukunftskonferenz im Mai unter kroatischem Vorsitz zu starten, coronabedingt wurde das verschoben. Ich habe die Zeit der Krise auch genutzt, um mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen in Europa Kontakt aufzunehmen und darauf hinzuweisen, dass ich es nach Corona für noch viel wichtiger halte, diese Visio­nen zu entwickeln und ohne Denkverbote darüber zu reden, in welche Richtung sich die Europäische Union entwickeln muss.

Wir haben es am 24. Juni auch geschafft, im Rat eine Position, ein Mandat festzulegen, und es ist jetzt gelungen, dass Vertragsänderungen nicht von vornherein ausgeschlos­sen werden.

Der nächste Schritt ist eine Verhandlung mit den anderen Institutionen, mit eben dem Europäischen Parlament und der Kommission, um die Organisation dieser Zukunftskon­ferenz, den klaren Ablauf und auch den Beginn auf die Beine zu stellen.

Noch einen letzten Satz dazu: Bei meinem Besuch in Berlin letzte Woche habe ich das auch mit Staatsminister Michael Roth besprochen, der den Vorsitz im Rat für Allgemeine Angelegenheiten übernehmen wird, und auch die deutsche Ratspräsidentschaft wird sich jetzt dahinterklemmen und darauf schauen, dass diese Zukunftskonferenz während deutscher Ratspräsidentschaft tatsächlich gestartet werden kann.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lopatka? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Sie haben jetzt davon gesprochen, dass wir den Start erwarten können. – Wann, glauben Sie, wird diese Zukunftskonferenz ein Ende finden und welches Ergebnis erwarten Sie sich?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Minister.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Vor Corona war es so, dass diese Zukunftskonferenz vom Prozess her auf zwei Jahre ausgelegt worden ist, und jetzt gibt es diesen verspäteten Start. Wir haben aber jetzt mehr Dinge als vorher, die besprochen werden müssen, und eine, wie ich glaube, noch größere Beachtung der Europäischen Union durch die Bürgerinnen und Bürger, weil wir gerade in der Krise gesehen haben, wie schnell Vorteile, die uns die Europäische Union gebracht hat, weg sein können, und wir haben auch die Schwächen der Europäischen Union klar aufgezeigt bekommen.

Deshalb denke ich, dass das zeitlich in etwa so sein wird. Das ist jetzt aber Gegenstand der Trilogverhandlungen, was das Mandat, das gemeinsame Mandat dieser drei Institu­tionen betrifft.

Ich erwarte mir ein Einbeziehen der Bürgerinnen und Bürger, auch der nationalen Parla­mente und auch ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Mitgliedstaaten für­einander. Man muss, wenn man sich verstehen will, auch versuchen, in den Schuhen der anderen zu gehen. Jedenfalls möchte ich eine Diskussion ohne Denkverbote, und am Ende soll eine gemeinsame Vision für ein noch stärkeres, für ein widerstands­fähigeres Europa stehen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Reimon. – Bitte.

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Bundesministerin! Ich möchte die Frage des Kollegen Lopatka ein wenig erweitern, nämlich von der Europäischen Union zu den Vereinten Nationen. Die hatten vor einigen Jahren quasi eine Zukunftskonferenz, haben die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung beschlossen. Darunter sind 17 Ziele – unter anderem Bekämpfung des Klimawandels, der Armut weltweit –, und wir haben im Regierungsprogramm ja auch festgehalten, diese gemeinsam zu verfolgen und voran­zutreiben.

Sie werden in den nächsten Wochen im Rahmen der Vereinten Nationen einen frei­willigen Umsetzungsbericht dazu präsentieren. Ich nehme an, dieser ist auch von Corona beeinflusst, und vor allem die Zukunft, wie es damit weitergeht, ist von Corona be­einflusst. Ich würde Sie übrigens gerne einladen, den Bericht vielleicht im Herbst auch einmal hier im Plenum zu präsentieren und mit den Abgeordneten zu diskutieren.

Die Frage lautet: Wie sind die konkreten Pläne, in Zukunft damit weiterzumachen, diese Ziele zu verfolgen? Nach Corona gibt es sicher einige Adjustierungen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zunächst darf ich darauf hinweisen, dass ich schon eine ganze Menge an Vorarbeit vorgefunden habe, als ich Europa- und Verfassungsministerin geworden bin. Ich kann nur sagen, das war eine sehr, sehr wesentliche Arbeit, die da im Vorfeld geleistet worden ist, und auch ein Sammeln von Informationen, von Expertise, die in Österreich vorhanden ist, die jetzt in diesem freiwilligen nationalen Umsetzungsbericht, in diesem ersten Bericht, auch enthalten ist.

Es ist sehr schade, dass dieser Bericht jetzt nicht präsentiert werden kann. Das hätte in New York stattfinden sollen, da hätte man wahrscheinlich auch eine größere Aufmerk­samkeit bekommen, als wenn man es digital macht. Jetzt geht es eben nur digital, und deshalb finde ich auch Ihre Idee wirklich verfolgenswert und freue mich über diese Anregung, dass wir das im nationalen Parlament, hier im Nationalrat, diskutieren könn­ten.

Es sind im Wesentlichen drei Schwerpunkte enthalten: zum einen Frauen, Jugend, Leave No One Behind, zum anderen Klima, das auch im Regierungsprogramm und auch mit dem Green Deal auf europäischer Ebene entsprechend abgebildet ist, und zum Dritten Digitalisierung; also Themen, die jetzt nach Covid-19 noch aktueller geworden sind, auf deren Einhaltung und Umsetzung aber vorher schon ein Schwerpunkt gelegt worden ist. Insofern haben wir das natürlich ein bisschen auch im Bereich des Vorwortes adaptiert. Aber ich habe schon sehr viel Arbeit vorgefunden, und ich glaube, es ist wirklich nicht übertrieben, wenn ich sage, ich bin stolz darauf, was da jetzt als Bericht vorliegt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Herr. – Bitte.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Guten Morgen auch von meiner Seite! Sie haben es selber schon angesprochen, wenn wir über die Zukunft Europas sprechen, müssen wir auch Kinder und Jugendliche miteinbeziehen.

Werden Sie im Rahmen der EU-Zukunftsstrategie die hohe Jugendarbeitslosigkeit zum Thema machen? Da gibt es ja auch viele Forderungen in Richtung Youth Guarantee. Unterstützen Sie das? Wie viel Budget wollen Sie dafür aufwenden, um da auch weiterzukommen? – Vielleicht können Sie uns da einen Überblick geben.

Auf der Homepage findet sich zur Einbindung von Jugendlichen auch die Absicht, eine Schulklasse einzuladen – vielleicht werden es ja noch mehr als eine?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zunächst darf ich sagen, dass ich den Zukunftsdialog in Österreich schon gestartet habe, weil ich nicht länger warten wollte. Ich hatte bereits vor drei Wochen einen Kick-off-Day im Bundeskanzleramt, an dem neben Stakeholdern, neben EU-Botschaftern auch schon eine Schulklasse bei mir war. Es war auch letzte Woche wieder eine Schulklasse bei mir, insgesamt waren es schon drei Schulklassen – wenn ich jetzt richtig zusammenzähle –, mit denen ich bereits Gespräche geführt habe.

Was ist mein Ziel in diesem Prozess? – Mein Ziel ist es, mit Bürgerinnen und Bürgern, Schülern, Studenten, Stakeholdern zu reden, wie sie sich die Europäische Union in Zukunft vorstellen, was es sozusagen an Problemen gibt, wo die Schwächen jetzt auch vakant, sichtbar geworden sind und wo wir einfach eine Vision für Europa entwickeln sollen.

Mir geht es vor allem darum, zuzuhören, auch die Problemfelder aufzuzeigen, und im Endeffekt möchte ich im Herbst ein Non-Paper haben, in dem dieser österreichische Prozess zusammengefasst ist, in dem ganz konkrete Maßnahmen enthalten sind. Ich bin gespannt auf den Input, also ich werde noch viele Schulklassen treffen, nehme ich an, auch bei meinen Bundesländertagen, die ich letzte Woche in Niederösterreich schon gestartet habe. Am Freitag bin ich in Kärnten und dann geht es in alle anderen Bun­desländer weiter.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Frage stellt Herr Abgeordneter Drobits. – Bitte.