12.32

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wissen Sie, in den letzten Jahren habe ich ja die hohe Bundespolitik von der Landesebene aus beob­achten dürfen, und das war sehr spannend. Ich habe – auch aus der Landesper­spek­tive – sehr spannende Persönlichkeiten kennengelernt, einige sitzen auch hier. Das, was mich aber die letzten Jahre gestört hat und was ich eigentlich für eine ganz massive Verschlechterung im politischen Denken in Österreich erachtet habe, war, dass Teile der Politik – Teile der Politik! – uns Bürgerinnen und Bürgern vorgemacht haben: Es geht dir dann besser, wenn es dem anderen schlechter geht! – Das ist ein Grundgedanke, den ich einfach für zutiefst unsolidarisch erachte: dass wir auf einer Neidgenossenschaft aufbauen. Das kann nicht unser Denken sein! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Scherak: Wieso klatscht da die ÖVP? Das ist doch ihr Konzept!)

Jetzt haben wir in den letzten Monaten in einer ganz schweren Krise, in einer wirklich schweren Krise etwas gelernt – und diese Krise ist nicht vorbei, das ist ein Marathonlauf; vielleicht haben wir jetzt die Halbzeit hinter uns, aber wir haben noch große, große Herausforderungen vor uns. (Abg. Loacker: Ist das jetzt ein Plädoyer für ... Beiträge?) – Herr Kollege Loacker, auch Sie können einmal zuhören; ich höre Ihnen immer mit großem Interesse zu, ich wertschätze Sie und Ihr Denken auch.

Wir haben während dieser Krise etwas gelernt – das finde ich in der Bevölkerung wie­der –, was uns ein bisschen abhandengekommen ist, nämlich dieses Grundgefühl, dass wir in Österreich wirklich zusammengehören, dass wir Verantwortung füreinander über­nehmen.

Wir haben ein Comeback der Solidarität erlebt, denn wir wissen, dass in der Pandemie genau diese Worte, von denen ich vorhin gesprochen habe: Es geht dir dann besser, wenn es dem anderen schlechter geht!, eben überhaupt nicht stimmen. Es geht mir dann besser, wenn auch du gesund bist, wenn es dir gut geht, wenn es dir besser geht. – Diese Solidarität haben wir gelernt, und das ist gut so, und wir sollten sie in unser Handeln, in unser Leben in unserer Gesellschaft mitnehmen!

Wissen Sie, ich bin am Land aufgewachsen und Bub von kleinen Häuselbauern gewe­sen, und ich habe noch sehr, sehr viele Freunde, die aus dem landwirtschaftlichen Be­reich kommen und auch noch dort leben. Ich sage Ihnen: Wir haben dort teilweise Lebensverhältnisse, die mit einer zeitgemäßen Situation wirklich unvereinbar sind. Deswegen bin ich froh, wenn es auch – Rufzeichen, Rufzeichen – in diesem Bereich zu Verbesserungen kommt, zu schrittweisen Verbesserungen.

Und ja, Corona ist eine Situation, die jetzt nicht ganz unmittelbar mit dieser Lebens­situation zu tun hat – da hat der Kollege von der FPÖ in seiner Argumentation schon recht gehabt, das stimmt –, aber Corona ist gleichzeitig ein Brennglas, würde ich sagen, durch das Schwierigkeiten, die wir in unserer Gesellschaft haben, aufgrund der Rahmen­bedingungen und der Folgewirkungen, die es gibt, einfach deutlicher hervortreten, sichtbarer werden.

Ich sage Ihnen eines ganz ehrlich: Mir persönlich ist es völlig gleichgültig, in welchem Berufsstand, in welcher geschlechtlichen Situation, in welcher Herkunftssituation eine schwierige Lebenslage vorhanden ist, wir müssen überall gleich hinschauen und han­deln. Wenn es wo Ungerechtigkeiten gibt, dann müssen die korrigiert werden und muss die Lage verbessert werden – gleichgültig, ob das ein Arbeiter ist, ob das ein Hoch­schulprofessor ist, ob das ein Mensch in einer prekären Arbeitssituation ist oder ob es eine Landwirtin oder ein Landwirt ist.

Genau das ist das, was jetzt in einem bestimmten Bereich passiert und betreffend das ich Kollegen Muchitsch völlig recht gebe, der Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales ist. Er sagt sehr oft etwas Richtiges, auch ihn schätze ich sehr – du (in Richtung Abg. Muchitsch) weißt das –, und er hat diesbezüglich etwas sehr Wichtiges gesagt. Er hat gesagt: Wir müssen uns aber schrittweise auch das System grundsätzlich anschauen, nämlich: Wie gerecht ist unser Pensionssystem? – Ja, dazu bekenne ich mich. Das werden wir auch tun, und dann werden wir auch die Gesamtdebatte führen, aber das kann ja nicht dazu führen, dass wir bis dorthin nichts mehr korrigieren, nichts mehr ändern und keinen Verbesserungsschritt mehr machen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mich ein bisschen überrascht hat, war die Rede des Kollegen Drobits, den ich gleichfalls durch die Diskussionen im Ausschuss sehr zu schätzen gelernt habe, der immer sehr kompetente Ausführungen tätigt und seine Argumente auch mit viel Fach­information einbringt; aber hier und heute in meine Richtung zu sagen: Sie haben eine Pensionserhöhung gemacht und Sie peitschen ein Gesetz durch!, bitte welches Verständnis von Parlamentarismus ist das, frage ich mich. (Abg. Belakowitsch: Das frage ich mich schon lange! – Abg. Scherak: Das müssen Sie die ÖVP fragen!) Wir diskutieren, wir haben im Ausschuss einen Diskurs geführt. Die Entscheidungen fallen hier, in diesem Hohen Haus, und ich anerkenne diese, gleichgültig, wie sie ausfallen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Ich glaube, es ist wichtig, dass wir schon wissen, wer die Legislative und wer die Exekutive ist!

Zu zwei Bereichen noch etwas Grundsätzlicheres, denn das ist mir wichtig, und wir haben auch im Ausschuss darüber zu diskutieren begonnen: Ja, aus meiner persön­lichen Sicht haben wir in zwei großen Bereichen, bei denen es um das System und damit die Verdienstsituation in der Landwirtschaft geht, sehr wohl Handlungsbedarf:

Ja, ich glaube, wir haben ein Gerechtigkeitsdefizit bei den EU-Agrarförderungen. Da müssen wir etwas tun, und es wäre super, wenn wir uns da einig wären und gemeinsam aktiv würden.

Das Zweite, über das wir vorgestern beim Tierschutzgipfel – oder war es gestern? – miteinander diskutiert haben, ist: Die Preise, die in der Landwirtschaft für wertvolle Produkte teilweise bezahlt werden, sind in Wirklichkeit eine Katastrophe und haben sehr, sehr viel mit Tierschutz und Klimaschutz zu tun. Wenn man für 1 Kilo Fleisch de facto teilweise fast nichts zahlt, dann kommt man nämlich in Situationen, die ganz viel mit Tierschutz, die ganz viel mit Klimaschutz und so weiter und so fort zu tun haben. Das Verständnis der letzten Jahrzehnte: Ich betreibe Sozialpolitik durch billige Agrarpreise!, muss eines sein, das wir schrittweise verändern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir brauchen eine starke Sozialpolitik, die hilft, die gerecht ist, die unterstützt, wir brauchen aber auch gerechte Preise für Landwirte, die gerechte Preise verdienen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.39

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch zu dieser Gesetzesvorlage wird die Abstimmung am Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales erfolgen.