11.42

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätztes Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie diese Sitzung verfol­gen! Ich danke für die Beiträge der Vorrednerinnen und Vorredner. Das BVT, der Verfas­sungsschutz, ist eine der wesentlichsten Säulen, wenn es um die Frage der Sicherheits­architektur in einer demokratischen Republik geht. Und ja, das BVT hat in den letzten Jahren schwere Erschütterungen erlebt, vielleicht – es wurde schon der Ausdruck ver­gossene Milch benutzt – eine Ergänzung dazu: Das, was das Vertrauen der Partner­dienste in den Verfassungsschutz tatsächlich massiv erschüttert hat, war, dass infolge der durch ein Gericht festgestellten rechtswidrigen Hausdurchsuchung schriftliche Hin­weise eines Partnerdienstes an die Öffentlichkeit gelangt sind.

Wenn es um das Zusammenwirken geht, um terroristische Aktivitäten und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, dann braucht es – das kann man sich vorstellen – Vertrauen der Partner, die gemeinsam daran arbeiten. Und dieses Vertrauen ist dadurch nachhaltig gestört. Warum sorgen sich Partnerdienste, wenn so etwas passiert? – Weil sie Angst um ihre Informanten, die ihnen diese wichtigen Hinweise geben, haben. Da geht es um ein sehr ernstes Problem, und wir haben jetzt sehr intensiv daran gearbeitet, uns das Vertrauen der Partnerdienste, die wir brauchen, um gemeinsam gegen globale, terroristi­sche Bedrohungen vorzugehen, wieder zu erwerben.

Die gute Nachricht ist: Der Berner Club, in dem diese Partnerdienste versammelt sind und durch den sie aufzeigen, was sie als notwendig erachten, welche Standards Ge­heimdienste, Nachrichtendienste, der Verfassungsschutz zu erfüllen haben, schenken uns wieder Schritt für Schritt mehr Vertrauen, weil sie diesen Prozess, den wir gerade gemeinsam gestalten, als positiv bewerten.

Mir ist das gemeinsame Gestalten da sehr wichtig. In unser Projekt sind die Expertinnen und Experten aller hier vertretenen Parlamentsfraktionen miteingebunden. Ich führe ei­nen intensiven Austausch mit den Sicherheitssprechern auch in den geheimen Sitzun­gen des Ständigen Unterausschusses; auch dieses Gremium ist durch die Folge der Sitzungen, die wir führen, deutlich aufgewertet worden. Es finden auch viel mehr Sitzun­gen des Innenausschusses statt als zuvor, um eben genau das, was Abgeordnete zu Recht einfordern, nämlich Transparenz und Einbindung des Parlaments, sicherzustellen.

Ich bitte Sie auch, diesen Weg des Gemeinsamen fortzusetzen, weil er für das Projekt Verfassungsschutz Neu so wichtig ist, und ja, es ist auch parlamentarische Kultur, dass es Unterschiede in der Auffassung, welche Maßnahme notwendig ist und welche nicht, geben kann.

Aus unserer Sicht ist es nicht notwendig, dass die Verordnung durch den Hauptaus­schuss genehmigt wird. Warum? – Weil das eine Lex specialis für den Verfassungs­schutz wäre, und es gibt ganz viele sensible Aufgabenbereiche in der Zweiten Republik, und das würde bedeuten, dass jeder Minister, der sensible Bereiche mit seinen Beam­tinnen und Beamten wahrzunehmen hat, gefordert wäre, das plötzlich in den Hauptaus­schuss zu bringen.

Da appelliere ich schon auch an die parlamentarische Redlichkeit, Transparenz einzu­fordern, die auch durch das Gesetz gewährleistet ist, wie auch schon von Kollegen Bürst­mayr beschrieben wurde: durch die Veröffentlichung, durch das vorangegangene Ge­spräch mit Ihnen als Sicherheitssprecher, durch das Einbinden Ihrer Expertinnen und Experten. Der Projektleiter und Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Franz Ruf – und das wissen Sie alle – bemüht sich redlich, hier einen intensiven Austausch zu führen, denn, Herr Abgeordneter Einwallner, und das kennen Sie auch von mir, es ist uns wichtig, dass der Verfassungsschutz neues Vertrauen genießt.

Wir haben ja viel vor: Den nachrichtendienstlichen Teil vom staatspolizeilichen zu tren­nen ist ein völlig neuer Weg in der Zweiten Republik, erfordert viel Feingefühl, interna­tionale Expertise, aber ebenso die von Ihnen auch dargestellte Expertise durch die Ex­pertinnen und Experten der hier vertretenen Parlamentsparteien.

Mein Ziel ist es weiterhin, den gesamten Entwicklungsprozess transparent darzustellen. Ich freue mich, dass wir den Verfassungsschutz gemeinsam besuchen werden, wodurch Sie sich selbst ein Bild verschaffen können, wie der Verfassungsschutz jetzt arbeitet.

Weil Frau Abgeordnete Krisper das angesprochen hat: Frau Abgeordnete, ich korrigiere ungern Abgeordnete zum Nationalrat, aber in diesem Fall muss ich es tun: Der Verfas­sungsschutz steht ganz vielen Herausforderungen gegenüber, da haben Sie völlig recht, aber die Menschen, die dort arbeiten, leisten gerade derzeit ganz intensive Arbeit, ganz viel Gefahrenaufklärung im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in Favoriten (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), bei der es auch darum geht, wer die Hinter­männer bei diesen Auseinandersetzungen sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie hat ja nicht das Gegenteil behauptet!) Sie leisten derzeit herausragende Arbeit, wenn es darum geht, Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten zu identifizieren, um genau da auch auf Strukturen draufzukommen, weil wir mit Sorge sehen (Abg. Kassegger: Was ist jetzt die Richtigstellung zu dem, was Krisper gesagt hat? – Abg. Belakowitsch: Nichts, er sagt es nur schöner!), dass die Gewaltbereitschaft in der rechtsextremen Szene über die Bundesrepublik Deutschland auch nach Österreich schwappen kann. Und sie beobach­ten auch ganz genau – obwohl sie schon schwierige Voraussetzungen haben – die links­extreme Szene und auch die Radikalisierung, wenn es um den politischen Islam geht. Das sind ihre Aufgaben, die sie jetzt wahrnehmen.

Das, was wir jetzt gemeinsam tun und wozu ich Sie einlade, ist, den Verfassungsschutz noch stärker, noch effizienter zu machen, aus den Fehlern der Vergangenheit – und da stimmen wir wieder überein, Frau Abgeordnete Krisper – lernend; ja, auch bei dem The­ma Personalbesetzung, auch bei dem Thema Ausbildungsqualifikation, auch bei dem Thema, dass wir die Sicherheitsüberprüfung brauchen, um den internationalen Stan­dards gerecht zu werden.

Das, was wir vorhaben, ist viel, und Sie werden erleben, dass ich Sie offensiv einbinde, denn der Verfassungsschutz gehört niemandem außer der Zweiten Republik und den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Genau dazu dient diese Reform, und Sie werden weiter meine ausgestreckte Hand ha­ben, wenn es darum geht, dass wir den Verfassungsschutz inhaltlich zu dem machen, was wir gemeinsam wollen: zu einem modernen, effizienten Instrumentarium, um die sogenannten hybriden Bedrohungen, sei es Terrorismus, sei es Extremismus, frühzeitig erkennen und bekämpfen zu können.

Ich lade Sie daher weiterhin zur Zusammenarbeit ein, ich bin auch zuversichtlich, dass das gelingt, weil wir viele konstruktive Gespräche führen. Es sei mir gestattet, von dieser Stelle aus – es ist heute auch schon viel von Dank gesprochen worden – auch ein gro­ßes Danke an die Beamtinnen und Beamten des Verfassungsschutzes zu richten, die jetzt gerade Dienst tun, die Aufklärungsarbeit leisten, um uns alle vor größeren Gefahren zu schützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.