10.52

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglie­der! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Minister Blümel, vielleicht vorab zum Budget: Sie haben uns schon im Frühjahr ein Budget vorgelegt, zu dem Sie selbst gesagt haben, dass es ein Budget für den Mülleimer war. – Ich bin neugierig, wie lange dieses Budget vom Mülleimer verschont bleibt.

Jetzt zu Tagesordnungspunkt 2, zum KMU-Förderungsgesetz, das jetzt diskutiert wird: Es geht um die Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft, die man unterstützen möchte. Das ist wieder ein gutes Beispiel für die Maßnahmen, die die Regierung bisher in dieser Krise gesetzt hat, die laufend entsprechend angepasst, ergänzt und abgeändert werden müssen, weil sie eben ihre Wirkung verfehlen und zum Teil auch völlig unverhältnismä­ßig sind.

Zuerst werden Hilfsmaßnahmen in unzähligen Pressekonferenzen präsentiert – „Koste es, was es wolle“ – und irgendwann kommt man dann drauf, dass eine gesamte Branche nicht von diesen Hilfsmaßnahmen umfasst ist, wie wir es beim Kunst- und Kulturbereich oder bei vielen EPUs gesehen haben. So ähnlich ist es jetzt auch bei der Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft.

Wir haben jetzt die Situation, dass wieder ein neues Rettungspaket geschnürt werden soll, es sollen maximal 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Wir haben dem im Ausschuss auch zugestimmt, weil wir natürlich der Meinung sind, dass man Un­ternehmen schützen muss und ihnen in dieser Krise helfen soll.

Was aber brauchen die Unternehmen? – Die Unternehmen brauchen Planungssicher­heit. Die Unternehmen brauchen nicht nur materielle Hilfen, sondern sie brauchen Pla­nungssicherheit. Wie soll das funktionieren, wie soll man vernünftig planen, wie soll man einen Kongress planen, wie soll man eine Veranstaltung planen, wenn man nicht weiß, was diese Regierung morgen an Maßnahmen setzt?

Die Maßnahmen, die bisher gesetzt wurden, sind auch völlig unübersichtlich: Welche Maßnahmen gelten? Welche Vorschriften gelten quer durchs Land? Die Ampel wurde an dem Tag, an dem sie eingeschaltet wurde, auch gleich wieder ausgeschaltet. Es herrscht also völlige Unsicherheit bei den Unternehmen und dementsprechend auch Pla­nungsunsicherheit.

Das große Damoklesschwert, das über den Unternehmen, den Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land hängt, ist die Möglichkeit eines zweiten Lockdowns. Ver­schiedene Minister und Ministerinnen dieser Regierung haben das auch nicht ausge­schlossen. Was würde es wirklich bedeuten, wenn ein zweiter Lockdown kommt? – Ich zitiere jetzt den Chef des IHS, Herrn Martin Kocher, er sagt: Das „wäre fatal für die“ österreichische „Wirtschaft“. Es würde die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, die oh­nehin steigen wird, weiter massiv erhöhen, das Staatsbudget würde völlig außer Rand und Band geraten, Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten würden weiter belastet und die Krise würde noch länger nachwirken, als sie ohnehin schon wirken wird.

Jetzt ist natürlich immer die Frage: Ist das Überleben der Wirtschaft wichtiger als die Gesundheit? – Nein, natürlich nicht, die Gesundheit ist das höchste Gut und ist uns auch sehr wichtig. Martin Kocher sieht das ähnlich. Man muss aber auch die Verhältnismäßig­keit sehen. Wenn die Anzahl an Herzinfarkten steigt, weil die Menschen nicht mehr zum Arzt gehen, weil man der Coronakrise alles unterordnet, dann ist die Frage nach der Ver­hältnismäßigkeit gerechtfertigt.

Aus diesen Gründen, damit es diese Planungssicherheit für die Unternehmen gibt, werde ich einen entsprechenden Antrag einbringen. Ich fordere in diesem Antrag von der Bun­desregierung, dass sie einen zweiten Lockdown ausschließt. Sie wissen, welche fatalen Folgen dieser Lockdown für die Wirtschaft und vor allem für die gesamte österreichische Bevölkerung haben würde.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zweiten Lock­down ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft herstellen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend und öffentlich einen zweiten Lock­down definitiv auszuschließen, um so die dringend erforderliche Planungssicherheit für die Unternehmen sicherzustellen und damit positive Signale für die Betriebe und ihrer Beschäftigten auszusenden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Sie schreiben zu Ihrem Budget, Herr Minister Blümel: „wir schaffen [...] neue Perspek­tiven“. – Ich sage Ihnen, was die Perspektiven sind, wenn Sie so weitermachen: Wohl­standsverlust, Bildungsverlust und eine gespaltene Gesellschaft. Wenn Sie auf das Co­ver zu Ihrer Budgetrede „Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Standort“ schreiben, dann können Sie unserem Antrag nur zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Zweiten Lockdown ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft her­stellen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 900/A der Abgeordneten Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere För­derungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (402 d.B.) in der 55. Sitzung des Nationalrates am 14. Oktober 2020

In den letzten Monaten mussten sich viele Betriebe und Unternehmen in Folge von COVID-19 und des verordneten Lockdowns massiv verschulden und befinden sich nach wie vor, wenn auch mit branchenabhängigen Unterschieden, in einer wirtschaftlich äu­ßerst schwierigen Lage. Die WKO-Bundessparte Gewerbe und Handwerk geht in der „Presse“ vom 8. September 2020 davon aus, dass die rund 230.000 Unternehmen in Gewerbe und Handwerk bis Jahresende einen Umsatzverlust von mindestens 11 Mrd. Euro hinnehmen werden müssen. Besonders hart trifft es Betriebe im Kreativ- und De­signbereich wie die Eventbranche bzw. Unternehmen im Gesundheits- und Wellness­sektor.

Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde auch die Reisebürobranche, die für das Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang rund um die 80 Prozent rechnen müsse, so Gregor Kadanka, Obmann des Fachverbandes Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) im Ö1-Journal am 25. August 2020.

Äußerst prekär ist darüber hinaus auch die Situation im Gastronomie- und Tourismus­bereich: „Wir werden in vielen Unternehmen als Konsequenz der Krise mehr Schulden bei geringeren Umsätzen und Erträgen haben - das ist sicher kein Erfolgsmodell“, bringt ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann die Lage im Tourismus auf den Punkt.

„Im Herbst drohe eine Pleitewelle, weil die Klein- und Mittelunternehmen in Österreich im Schnitt eine zu geringe Eigenkapitalausstattung hätten und weil dann diverse Stun­dungen aus der Coronazeit, etwa für Finanz- und Sozialabgaben, auslaufen, sagte vor wenigen Tagen der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), Christoph Badelt.“ Oberösterreichische Nachrichten, 18. Juli 2020.

Für zusätzliche Verunsicherung und damit weiterhin fehlende Planbarkeit für die heimi­schen Unternehmen und Beschäftigten sorgt der seit Wochen immer wieder auch von Regierungsseite ins Spiel gebrachte mögliche zweite Lockdown.

So schloss ausgerechnet Wirtschaftsministerin Schramböck einen zweiten Lockdown gegenüber der Kleinen Zeitung vom 8. Oktober 2020 mit den Worten: „Ich habe keine Glaskugel. Israel hätte sich auch nicht gedacht, dass es dazu kommen wird.“ nicht aus.

Wie drastisch die Auswirkungen eines zweiten Lockdowns für die Wirtschaft in Öster­reich wären, haben IHS und WIFO kürzlich dargelegt, die einen neuen Lockdown mit folgender Begründung als argen Schlag bezeichnen:

„Ein neuerlicher Lockdown in diesem Herbst könnte die BIP-Raten - laut Wifo heuer mi­nus 6,8 Prozent, 2021 plus 4,4 Prozent - um 2,5 bis 4,0 Prozentpunkte senken, warnte das Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag. (…) Im zweiten Quartal war der Tiefpunkt der Rezession erreicht, danach zog die wirtschaftliche Aktivität wieder kräftig an. Ein neuerlicher Lockdown freilich könnte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal auf das Niveau des zweiten Quartals herunterdrücken und im gesamten Prognosezeitraum einen Wertschöpfungsverlust von 4,5 Prozent bewirken, warnt das Wifo.“ APA0140 Fr, 09.Okt 2020

Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Auswirkungen eines zweiten Lockdowns ist es dringend erforderlich, dass die Bundesregierung umgehend öffentlich einen zweiten Lockdown in Österreich ausschließt.

In eben diese Kerbe schlägt die Wirtschaftskammer, wenn Präsident Mahrer und Gene­ralsekretär Kopf in diesem Zusammenhang in einer Aussendung vom 9. Oktober 2020 „wirtschaftspolitische Vernunft“ und die Verhinderung eines neuerlichen Lockdowns ein­fordern:

„Viele österreichische Betriebe werden weiterhin mit der größten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte ringen. Ein zweiter Lockdown ist undenkbar und daher unter allen Umständen zu vermeiden. Umso notwendiger ist jetzt, dass alle Beteiligten gemäß der wirtschaftspolitische Vernunft agieren, tragfähige Lösungen mittragen und positive Signale im Sinne der Betriebe und ihrer Beschäftigten aussenden“, betonen Mahrer und Kopf. (OTS0141 Fr, 09.Okt 2020)

In den Erläuterungen zu dem diesem Entschließungsantrag zugrundeliegenden Antrag wird unter anderem ausgeführt:

„Die Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft ist von der COVID-19-Krise massiv betrof­fen. Aufgrund der Ungewissheit im Hinblick auf das künftige Infektionsgeschehen und den damit verbundenen Einschränkungen, ist die Planung von Veranstaltungen derzeit mit einem erheblichen Risiko verbunden. Die im weiteren Verlauf zurückhaltende Kon­zeption von Veranstaltungen führt zu einer Stagnation in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette.“

Wenn in den Erläuterungen weiters festgehalten wird, dass durch die Übernahme von Haftungen durch den Bund für nicht stornierbare Kosten die durch die COVID-19-Krisen­situation zum Erliegen gekommene Planung und Durchführung von Veranstaltungen und Kongressen wieder ermöglicht werden soll, so ist dies zwar eine Maßnahme im Sinne der Wirtschaft. Echte Planungssicherheit für die heimischen Unternehmen wird aber erst dann gegeben sein, wenn die Bundesregierung einen Lockdown definitiv ausschließt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend und öffentlich einen zweiten Lock­down definitiv auszuschließen, um so die dringend erforderliche Planungssicherheit für die Unternehmen sicherzustellen und damit positive Signale für die Betriebe und ihrer Beschäftigten auszusenden.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte.