14.06

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren über 1 Stunde lang über Menschen­rechtsverletzungen, über Völkerrechtsverletzungen, und es waren wirklich zwei Drittel oder sogar mehr der Diskussionsbeiträge sehr wertvoll. Wir können stolz darauf sein, dass wir nicht die Augen verschließen wollen, dass wir nicht wegschauen wollen, dass uns bewusst ist, dass wir etwas tun müssen und so weiter. Das ist sehr, sehr wichtig.

Ich möchte Ihnen jetzt etwas über Menschenrechtsverletzungen, die circa 3,5 Stunden von Spielfeld entfernt, nämlich an der bosnisch-kroatischen Grenze, passieren, erzäh­len. Ich war im Dezember 2019 mit Aktivistinnen und Aktivisten der NGO SOS Bal­kanroute an der Grenze, vor allem in der Ortschaft Bihać. Dort leben Zehntausende Flüchtlinge verschiedener Nationalitäten, die ihr Glück versuchen wollen, um in Europa Asyl zu bekommen. Diese Bilder, die ich im Dezember dort gesehen habe, werte Kol­leginnen und Kollegen, bekomme ich aus meinem Kopf nicht mehr raus. Es ist men­schenunwürdig, es ist schmutzig, die Menschen brauchen nicht nur Nahrung und De­cken und Zelte, sondern sie brauchen einfach eine menschenwürdige Behandlung, und die bekommen sie nicht. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Eklatant ist, dass die Grenzpolizei Kroatiens brutalst gegen diese Menschen, die versu­chen, nach Europa zu kommen, vorgeht. Ich habe dort Verletzungen wie etwa abgeris­sene Ohren gesehen. – Das ist unglaublich, unbeschreiblich! Das können wir auch nicht zulassen, davor dürfen wir auch die Augen nicht verschließen. Das passiert auf europäi­schem Boden, 3,5 Stunden von Graz entfernt. Wir müssen nicht nur umso mehr tätig werden, je weiter weg das Land ist, sondern: Kehren wir auch vor unserer Haustür!

Werte Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Anlass möchte ich mit meinem Kollegen Helmut Brandstätter folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, mögen sich daher mit allen Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die körperliche Gewalt gegenüber Geflüchteten an der kroatisch-bosnischen Grenze ein Ende findet, rechtswidrige und gewaltsame Zurückweisung von Migranten und Asylsu­chenden (‚push-backs‘) ein Ende finden und die europa- und asylrechtlichen Bestimmun­gen im EU-Mitgliedsland Kroatien eingehalten werden.

Insbesondere wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenhei­ten aufgefordert, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch bilateral mit den kroati­schen Regierungsmitgliedern Kontakt aufzunehmen und auf die Einhaltung menschen- und europarechtlicher Bestimmungen zu pochen.

Weiters wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass die menschenrechtliche und materielle Situation in den Flüchtlingslagern in Bosnien und Herzegowina verbessert wird.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesministerin für Justiz aufgefordert, sich im Rahmen der EU im Rat für Justiz und Inneres für die Wahrung der Menschenrechte an den europäischen Grenzen auszusprechen und für die gemeinsame, menschenwürdige Unterbringung der betroffenen Geflüchteten und die Einhaltung der europa- und asyl­rechtlichen Bestimmungen einzutreten.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, diese Gewaltanwen­dungen und Menschrechtsverletzungen durch die kroatischen Behörden beim europäi­schen Prozess über einen möglichen Schengenbeitritt Kroatiens kritisch einzumelden und auf die Einhaltung der europa- und asylrechtlichen Bestimmungen als Bedingung für weitergehende Gespräche bzw. einen Abschluss ebendieser zu bestehen.“

*****

Ich bitte Sie um Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

14.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nurten Yilmaz, Dr. Helmut Brandstätter,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 807/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lo­patka, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU Aktionsplan Menschenrechte und Demo­kratie (375 d.B.) in der 55. Sitzung des Nationalrates am 14. Oktober 2020

Seit Jahren werden Menschen beim Versuch, die Grenze zwischen Bosnien-Herzego­wina und Kroatien zu übertreten, gewaltsam abgehalten und zurückgedrängt. Men­schen, die diese gefährlichen Versuche unternehmen, sitzen oft seit Monaten bis Jahren im Grenzgebiet im Raum Bihać fest. Sie müssen in elenden und menschenunwürdigen Verhältnissen um ihr Überleben kämpfen.

Die kroatische Grenzpolizei agiert offen brutal und nimmt nicht nur Menschenrechtsver­letzungen an einer EU-Außengrenze in Kauf. Potenziellen Asylsuchenden wird der Zu­gang zum Asylverfahren verwehrt und dabei kommt es auch zu konkreter körperlicher Gewalt. Diese systematischen Push-Backs ganzer Gruppen von Asylsuchenden ohne Prüfung ihres Schutzanspruchs widersprechen europäischen Rechtsnormen wie der EU-Grundrechtecharta und der Flüchtlingskonvention von 1951.

500 dokumentierte Fälle vom Border Violence Monitoring Network, einem Zusammen­schluss unabhängiger NGOs, zeugen von dieser Vorgehensweise. Der Brief eines kroa­tischen Grenzpolizisten aus dem Vorjahr, in dem er die dortige Volksanwältin über die gängige Praxis der Gewalt und die Folter informiert, ist ein starkes Beweismittel und zugleich ein Geständnis, dass diese Vorfälle systematisch passieren.

Auch ein Bericht der EU-Kommission (siehe S. 13) bietet einen starken Hinweis dafür, dass der Schutz der Menschenrechte von Asylwerbern und anderen Migranten etc. eine Herausforderung bleibt. „The protection of human rights of asylum seekers and other migrants, and the allegations of denial of access to the asylum procedure and of use of force by law enforcement officials at the border remain a challenge.“1

KennerInnen der Lage vor Ort und AktivistInnen in der Flüchtlingshilfe sind seit Jahren aktiv und versuchen trotz der Corona Hürden in Kontakt zu bleiben und weiterhin für die Menschen vor Ort hilfreiche PartnerInnen zu sein. Sie haben die 500 dokumentierten Fälle und anderes Beweismaterial an die österreichische Justizministerin Zadić und eini­ge Abgeordnete zum Parlament übergeben.

Angesichts dieser anhaltenden Entwicklungen an der europäischen Außengrenze und entsprechend Österreichs Einsatz für Rechtsstaatlichkeit und für die Achtung der Men­schenrechte, die einen integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik bilden, sollte die Republik Österreich insbesondere in der aktuellen Situation ihre menschen­rechtliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundhaltung verstärkt vermitteln.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten, mögen sich daher mit allen Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die körperliche Gewalt gegenüber Geflüchteten an der kroatisch-bosnischen Gren­ze ein Ende findet, rechtswidrige und gewaltsame Zurückweisung von Migranten und Asylsuchenden („push-backs“) ein Ende finden und die europa- und asylrechtlichen Be­stimmungen im EU-Mitgliedsland Kroatien eingehalten werden.

Insbesondere wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenhei­ten aufgefordert, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch bilateral mit den kroa­tischen Regierungsmitgliedern Kontakt aufzunehmen und auf die Einhaltung menschen- und europarechtlicher Bestimmungen zu pochen.

Weiters wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass die menschenrechtliche und materielle Situation in den Flüchtlingslagern in Bosnien-Herzegowina verbessert wird.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesministerin für Justiz aufgefordert, sich im Rahmen der EU im Rat für Justiz und Inneres für die Wahrung der Menschenrechte an den europäischen Grenzen auszusprechen und für die gemeinsame, menschenwürdige Unterbringung der betroffenen Geflüchteten und die Einhaltung der europa- und asyl­rechtlichen Bestimmungen einzutreten.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, diese Gewaltanwen­dungen und Menschenrechtsverletzungen durch die kroatischen Behörden beim euro­päischen Prozess über einen möglichen Schengenbeitritt Kroatiens kritisch einzumelden und auf die Einhaltung der europa- und asylrechtlichen Bestimmungen als Bedingung für weitergehende Gespräche bzw. einen Abschluss ebendieser zu bestehen."

1           https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/20191022_com-2019-497-communication_en.pdf

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Michel Reimon. – Bitte, Herr Abgeordneter.