10.27

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Österreicherinnen und Öster­reicher! Liebe Menschen, die in Österreich leben! Es sind noch nicht ganz 72 Stunden, als sich der schwerste Terroranschlag in der Geschichte Österreichs ereignet hat: Vier Menschen wurden ermordet, 22 Menschen verletzt, davon etliche schwer. Um ganz genau zu sein, wurden 13 Personen durch Schüsse und Geschoßsplitter verletzt und neun Personen erlitten Verletzungen bei ihrer Flucht. Der Täter konnte nach 9 Minuten ausgeschaltet werden, aber jedes Opfer, jeder Verletzte ist einer zu viel.

An diesem Abend war ich im Innenministerium, und um 20 Uhr kam über den Polizeifunk die erste Meldung: Täter mit Langwaffe. (Abg. Schnedlitz: Die erste Meldung war im Juli!) Von da an entwickelte sich eine zutiefst beunruhigende und dynamische Terror­lage. Täter mit Langwaffe ist das Codewort für die Polizistinnen und Polizisten, dass der Einsatz äußerst gefährlich wird, weil die Durchschlagswirkung dieser Waffen besonders hoch ist. Das Ausschalten des Täters nach 9 Minuten war dem beherzten Eingreifen der Polizistinnen und Polizisten geschuldet und einer gut vorbereiteten und geübten Ein­satztaktik. Da gilt mein Dank besonders der Wiener Polizei und dem Polizeipräsidenten, der den Einsatz auch umsichtig geführt hat. Es war dadurch möglich, den Täter rasch auszuschalten, weil es ein Zusammenwirken von Spezialeinsatzkräften und Polizistin­nen und Polizisten vor Ort gab; in diesem Zusammenspiel gibt es dann eine hohe Wirkung – und diese wurde erzielt.

Insgesamt waren 1 000 Polizistinnen und Polizisten an diesem Abend im Einsatz, ihnen allen gilt mein großer Dank. Ich bin zutiefst bewegt und stolz darauf, Innenminister von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein zu dürfen, die keine Sekunde gezögert haben – selbst jene, die in ihrer verdienten Freizeit oder im Urlaub waren, haben diese oder diesen abgebrochen –, in die Polizeiinspektionen einzurücken, das Bundeskriminalamt oder den Verfassungsschutz zu verstärken. Es gab ein Zusammenstehen und ein Zu­sam­menwirken.

Als die ersten Meldungen hinausgegangen sind, hat man auch die Stärke Europas ge­spürt. Es wurden uns sofort Hilfs- und Unterstützungsangebote angetragen – von der Bundesrepublik Deutschland, von Ungarn, von Slowenien, von den USA, von Israel –, um durch eine Verstärkung der Spezialeinheiten Unterstützung in der geheimdienst­lichen Arbeit zu erreichen, um den Terroranschlag bestmöglich abzuwenden.

Die große Solidarität mit Österreich drückt sich auch dadurch aus, dass der Innen­minister der Bundesrepublik Deutschland und Ratsvorsitzende Horst Seehofer den nächsten Innenministerrat komplett neu ordnet und das Thema Terrorabwehr und Kampf gegen Terrorismus an erster Stelle stehen wird.

Der Bundeskanzler hat es angesprochen: Gestern standen wir dem verletzten Polizisten gegenüber, der Gott sei Dank einen trotz aller Umstände sehr starken und mutigen Eindruck gemacht hat. Das war für mich als Innenminister mit Sicherheit einer der bewegendsten Momente. Er hat uns beiden in der Zeit unseres Besuches Unfassbares beschrieben. In diesem Gespräch wurde noch einmal klar und sichtbar, welch unglaub­liche Dynamik und Dramatik sich in diesen Minuten abgespielt hat. Das beherzte Eingreifen der Polizei und das Zusammenwirken der Rettungskräfte hat Schlimmeres verhindert – ein großes Danke ihnen allen. Ein großes Danke gilt auch dem öster­reichischen Bundesheer, der Verteidigungsministerin, die rasch dafür gesorgt hat, dass Polizeieinsatzkräfte freigespielt werden, indem sie uns Spezialeinheiten zur Verfügung gestellt hat, die den Objektschutz übernahmen, und auch gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hätte, wenn das notwendig gewesen wäre. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wurde heute in den vorangegangenen Reden von vielen angesprochen, dass die Solidarität, der Zusammenhalt in diesen Stunden so sichtbar geworden ist. Ich muss und möchte voll Stolz auch ein großes Danke der Bevölkerung sagen, denn sie selbst – die Bürgerinnen und Bürger Wiens – hat die Polizeiaktion massiv unterstützt. Das Bundes­kriminalamt hat im Zusammenwirken mit dem Verfassungsschutz in der Zeit des Anschlages und darüber hinaus eine Onlineplattform zur Verfügung gestellt, über die Videos vom Anschlagsort hochgeladen werden konnten, mit der Bitte, sie nicht herum­zuschicken, weil das oft zu Verunsicherung und Beunruhigung führt. Wir bekamen über diese Plattform 20 000 Videos, die die Polizeiarbeit unterstützen. Dank dieser Videos ist es gelungen, rasch Klarheit zu bekommen, um wie viele Täter es sich am Tatort tatsächlich gehandelt hat. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.)

Der Täter hatte neben den Waffen, die er bei sich trug, auch einen Sprengstoffgürtel, der sich nachher als Attrappe herausgestellt hat. Dadurch hat es einige Zeit gedauert, ihn zu identifizieren, aber dann ging alles sehr schnell. Als klar war, um wen es sich handelt – das war möglich, weil er ausgeschaltet worden ist –, folgte eine Hausdurchsuchung in seiner Wohnung. Diese Hausdurchsuchung in seiner Wohnung löste noch in derselben Nacht, in den folgenden Stunden, weitere Hausdurchsuchungen aus und führte zu 15 Festnahmen. Die Festgenommenen wurden mittlerweile an die Justiz überstellt.

Es wird mit Nachdruck ermittelt, welche Verbindungen es zu dem Terroristen gegeben hat, welcher Netzwerke er sich bedient hat und welche möglichen Verbindungen es noch, auch über unsere Landesgrenzen hinaus, gibt. Es gab auch zwei Festnahmen in der Schweiz, und da gibt es eine enge Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden, um weitere Verbindungen zu prüfen.

Es hat sich rasch herausgestellt, dass der Täter Verbindungen zum IS hatte, sich zum Islamischen Staat bekannte und damit ein Anhänger von Terror, Diktatur und Menschen­verachtung war. Genau das hat er auch mit seiner Tat gezeigt. Ich bin der Justiz­ministerin, der Staatsanwaltschaft und den Richtern dankbar dafür, dass so rasch und entschlossen gehandelt werden konnte und wir jetzt rasch in der Lage sind, die Ermitt­lungen weiter voranzutreiben.

Ja, es stimmt, wir haben auf der einen Seite die Herausforderung, die Terroristen, mögliche weitere Terroristen zu jagen, zu verfolgen und zu identifizieren, wir haben auf der anderen Seite aber die Herausforderung, Nachschau zu halten, wo Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie laufen hätten sollen – deshalb, um genau diese Klarheit zu bringen, die Untersuchungskommission von Justizministerium und Innenministerium.

Gestatten Sie mir nur eine Bemerkung zu den Vorrednerinnen und Vorrednern: Es ist die Kommission, die Klarheit schaffen soll, und es ist noch nicht die Zeit, abschließende Befunde zu erstellen, welche Umstände es gab und welche Fehler wo gemacht worden sind. Das muss jetzt untersucht werden. (Abg. Rauch: Sie müssen Klarheit schaffen!) Es gibt volle Transparenz vonseiten des Innenministeriums, dazu bekenne ich mich, das ist mir wichtig. Gemeinsam mit der Justizministerin werden wir dafür sorgen, dass alle Schritte transparent und öffentlich dargestellt werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Wurm: ... Leute, die in der Kommission sitzen!)

Es braucht ein Zusammenwirken von allen – wir müssen uns für die neuen Gefahren rüsten, wir werden diese Herausforderungen noch weiter haben –, dass wir nötige Instru­mente in die Hand bekommen, einerseits für die Polizei, andererseits aber auch für die Justiz, damit wir rasch Menschen identifizieren können und ihrer tatsächlich habhaft werden können, bevor sie andere Menschen gefährden. Das wird ein großes Unterfan­gen sein; es braucht auch das schonungslose Hineinschauen dort, wo es noch Nachbes­serungsbedarf gibt.

Gleichzeitig – das ist auch schon angesprochen worden – ist es wichtig, dass der Verfas­sungsschutz neu aufgestellt wird. Wir sind in der Projektphase auf einem guten Weg – die gesetzlichen Rahmenbedingungen hat das Hohe Haus beschlossen –, um auch im nachrichtendienstlichen Bereich, im staatspolizeilichen Bereich klare und effiziente Strukturen zu haben, um noch stärker gegen Terrorismus kämpfen zu können und der Täter auch tatsächlich habhaft zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anschlag war ein Anschlag auf unsere Demokratie, auf unsere Grund- und Freiheitsrechte. Die Polizei schützt die Grund- und Freiheitsrechte, sie steht an der Seite der Bürgerinnen und Bürger, und eines vorweg: Terror wird unsere Grund- und Freiheitsrechte nicht erschüttern, er wird unsere Gesell­schaft nicht auseinanderreißen, er wird uns nicht spalten. Man hat gesehen, wie wichtig der Zusammenhalt ist, man hat die lebensrettenden Maßnahmen der Österreicher mit Migrationshintergrund gesehen, die den Polizisten aus der Todeszone herausgebracht und damit seine Lebensrettung eingeleitet haben. Es ist jetzt die Zeit, die zu finden, die unsere Gesellschaft zerstören wollen, aber gleichzeitig die Gesellschaft zu einen, darzulegen, was Österreich ausmacht: eine freie, eine starke Republik und Demokratie, die durch Toleranz geprägt ist und für ein friedliches und geordnetes Zusammenleben steht. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen.)

10.39

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin für Justiz. – Bitte.