9.50
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! (Abg. Hörl – in Richtung FPÖ –: Da braucht ...! Das ist ja unerhört! – Gegenruf des Abg. Wurm.) Ich muss ehrlich sagen, meine Redeposition in diesem Plenarsaal nach Herrn Kickl ist jedes Mal ein bisschen schwierig. (Abg. Kickl: Man könnte ja intern wechseln!) Ich möchte das jetzt einfach einmal sagen: Es ist für mich beschämend, wie (Zwischenruf des Abg. Wurm), in welcher Diktion, Sie hier sprechen, und es ist mir peinlich (Beifall bei Grünen und ÖVP – neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), draußen regelmäßig erklären zu müssen, warum dieses Parlament so agiert, dass man am RednerInnenpult permanent schreien muss (Abg. Lausch: Regen Sie sich nicht auf ...!), dass ständig diffamierende Bemerkungen fallen. (Abg. Wurm: Die Wahrheit tut weh, Frau Kollegin Maurer! Die Wahrheit tut weh! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Das, was Sie machen, ist, dass Sie doppelt beleidigen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und Grünen.) Wenn Sie die Regierungsbank als Flüchtlingslager bezeichnen, beleidigen Sie einerseits, wie sie es ja beabsichtigen, die Mitglieder der Regierungsbank, selbstverständlich aber beleidigen Sie auch jene Menschen – und auch das ist Ihre Absicht –, die tatsächlich in Flüchtlingslagern leben müssen, weil sie flüchten mussten. Dasselbe gilt für Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Es ist extrem despektierlich gegenüber Menschen mit dieser Krankheit, wie Sie hier agieren (Ruf bei der FPÖ: ... zeigen aber nicht den Stinkefinger ...!) und wie Sie diese Begriffe verwenden. (Anhaltender Beifall bei Grünen und ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS. – Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Wir befinden uns hier eigentlich in einer Budgetdebatte und selbstverständlich ist das wie immer zu Beginn eine Generaldebatte (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), das Niveau aber, das Sie hier zeigen, Herr Kickl (Abg. Amesbauer: ... eine Moral ...!), ist unterirdisch im Vergleich zu den anderen Fraktionen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Selbstverständlich ist inhaltliche Kritik Ihr Job (Abg. Kickl: Ich verstehe, dass Ihnen das nicht gefällt!), das ist Oppositionsarbeit, aber die Art und Weise, wie Sie das hier vorbringen (Abg. Wurm: ... Wahrheit ...!), ist unter jeder Niveaugrenze, die es irgendwie geben kann in diesem Haus. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Amesbauer: ... Ihre Moralpredigten! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Ich möchte jetzt wirklich zum Budget reden, und ich möchte das in einer normalen Lautstärke tun, vielleicht schafft es die Fraktion der FPÖ, nicht die ganze Zeit reinzubrüllen, damit ich hier am RednerInnenpult nicht schreien muss. (Abg. Deimek: ... ordentliche Debatte ...!) Ich möchte nämlich nicht schreien, sondern eine normale Rede halten. (Abg. Kassegger: Wir sind da im Parlament ...! Haben Sie das vergessen? ... das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren, die letzten Wochen und Monate, ja das gesamte bisherige Jahr 2020 ist ein extrem herausforderndes. Die Pandemie fordert uns, fordert die Menschen in unserem Land enorm, und wir haben unsere Energie und unsere Zeit zu sehr großen Teilen für die Bewältigung der Krise aufwenden müssen, für die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, für die Wirtschaftshilfen und zuletzt auch noch für einen Terroranschlag im Herzen Wiens.
Als PolitikerInnen haben wir die Verantwortung, aktuelle Krisen bestmöglich zu managen und akute Problemlagen zu beseitigen. Als Politikerinnen und Politiker haben wir selbstverständlich aber auch die Verantwortung, für die Zukunft, für die Weiterentwicklung unseres Landes, für die nächsten Generationen zu planen.
Wir debattieren hier im Parlament in den nächsten drei Tagen das Budget für das nächste Jahr, das Jahr 2021 – ein Jahr, das voraussichtlich eine Impfung gegen das Coronavirus bringen wird; ein Jahr, das nach diesem Krisenjahr den Aufschwung bringen soll; ein Jahr – da bin ich zuversichtlich –, das ein freundlicheres Gesicht zeigen wird als das Jahr 2020; ein Jahr, in dem sich die Familien von den heurigen Strapazen erholen können, in dem wir vielleicht wieder auf Urlaub fahren können; ein Jahr, in dem wir alles dafür tun müssen, dass sich die Wirtschaft möglichst schnell erholt.
Wir debattieren damit heute auch ein Budget, das Antworten auf die multiplen Krisen liefert: auf die akute Krise am Arbeitsmarkt – sie wurde schon angesprochen –, indem wir eine Arbeitsstiftung mit 700 Millionen Euro einrichten; wir werden diese Woche auch noch die zweite Pauschalerhöhung des Arbeitslosengeldes beschließen – weitere 150 Euro pro Monat für die Menschen, die in der Pandemie ihren Job verloren haben und die es besonders getroffen hat.
In diesem Budget findet sich vor allem aber auch die Antwort auf die große Krise, die noch viel länger andauern wird als die Pandemie, nämlich die Klimakrise. Gleichzeitig bietet diese Krise, die Klimakrise, die Chance auf eine ultimative Trendwende am Arbeitsmarkt ebenso wie in der Wirtschaft, sie bietet die Chance, die richtigen Impulse zu setzen und eine richtige Wende einzuleiten.
Dieses Budget ist ein grünes Budget, es ist ein Klimabudget. Für die ökologische Wende steht so viel Geld wie noch nie zuvor zur Verfügung (Beifall bei den Grünen – Heiterkeit bei der FPÖ – Abg. Kickl: Das war ein Lacher aus Ihrem Sektor!), für den Ausbau des Verkehrs, für die thermische Sanierung, für die Energiewende, denn wir tragen alle gemeinsam die Verantwortung dafür, dass dieser Planet – wir haben nur einen! – auch für nächste Generationen bewohnbar ist. Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Aufheizung stoppen, damit nächste Generationen ausreichend Ressourcen für ein gutes Leben in einer intakten Umwelt haben.
Die Pandemie hat eine schwere weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst, der wir uns mit aller Kraft entgegenstellen müssen. Wir müssen uns aus dieser Krise hinausinvestieren und genau dafür ist in diesem Budget Geld vorgesehen: für das Zukunftsthema schlechthin, für den Klimaschutz.
Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Umbau unserer Energiesysteme – all das schafft Beschäftigung. Wir werden mit der Arbeitsstiftung Umschulungen in diese Bereiche, in Green Jobs, organisieren, damit für viele, viele Menschen ein Neuanfang möglich ist, und dafür gibt es auch einen Bildungsbonus –120 Euro pro Monat –, der für Menschen dazukommt, die eine längere Ausbildung machen, um eben die Branche wechseln, um in eine andere Branche gehen zu können, potenziell in eine grüne Branche. (Beifall bei den Grünen.)
Derzeit sind die Pflegerinnen und Pfleger enorm gefordert, wir hören jeden Tag die Meldungen von den Intensivstationen. Auch die Pflegerinnen und Pfleger in den Altenheimen aber stehen vor extremen Herausforderungen, und wir wissen, wir haben zu wenige von ihnen. Wir brauchen mehr und in diesem Bereich braucht es Nachwuchs, es braucht eine Ausbildungsoffensive, und auch dafür ist in diesem Budget gesorgt. Selbstverständlich steht mit diesem Budget auch das notwendige Geld für die Gesundheit zur Verfügung, um die kommenden Herausforderungen zu meistern. (Abg. Belakowitsch: Die da wären?)
Wir haben heute die Situation, dass die Schulen auf Distancelearning umstellen, und schon im Frühling ist klar geworden, dass es mit der Digitalisierung in Österreich noch nicht so läuft, wie es laufen sollte. Es wurde vieles nachgerüstet, wir sind aber immer noch nicht dort, wo wir sein könnten. Deshalb liegt in diesem Budget ein Schwerpunkt auf der Digitalisierung an den Schulen, damit wir auch dort im 21. Jahrhundert ankommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
In unserem Bildungssystem gibt es viele Ungerechtigkeiten, und die Aufgabe der Schule – Ungleichheit auszugleichen – erfüllt unser Bildungssystem derzeit nur äußerst unzureichend. Deshalb steht in diesem Budget Geld für das Projekt 100 Schulen zur Verfügung, mit dem wir genau jenen Schülerinnen und Schülern, die es besonders schwer haben, denen die Eltern bei den Hausaufgaben nicht gut helfen können, die bestmögliche Unterstützung bieten können (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), sodass auch sie ausreichend Bildung erlangen und ihre ungleichen Startvoraussetzungen ausgeglichen werden können.
Auch für die Wissenschaft ist gesorgt. Wir haben 1,2 Milliarden Euro für Forschung und für ein gutes Studium eingeplant, damit unsere Studentinnen und Studenten hochqualitativ ausgebildet werden können und entsprechend innovativ arbeiten können.
In diesem Budget gibt es viele andere Bereiche, die uns sehr wichtig sind, beispielsweise das Budget für Frauen und Gewaltschutz. Das wird substanziell erhöht. Wir haben Geld für die Zeitverwendungsstudie, die dringend notwendig ist, da wir regelmäßig sehen, dass die Verteilung der Arbeit, insbesondere der unbezahlten Arbeit zwischen Männern und Frauen, absolut ungleich ist. Wir haben ein Budget, das um fast 50 Prozent erhöht wurde.
An dieser Stelle, Frau Rendi-Wagner, möchte ich schon auf das zu sprechen kommen, was Sie in Ihrem Eingangsstatement gesagt haben, nämlich in Bezug auf die Pensionen: Wir als Regierungsfraktionen haben uns zum Ziel gesetzt, die Frauenarmut und die Frauenaltersarmut zu bekämpfen, und das tun wir konsequent: mit der Erhöhung der Ausgleichszulage und selbstverständlich auch mit dem Frühstarterbonus, den wir planen, um die Altersarmut zu bekämpfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Von dem, was Sie beschlossen haben, Frau Rendi-Wagner, haben bis jetzt 7 200 Männer und eine einzige Frau profitiert. Sie können mir nicht erzählen, dass das ein Programm ist, das zur Unterstützung der Frauen dient. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Matznetter – in Richtung Grüne –: Wer von euch kommt auf 45 Jahre? Wer? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Matznetter in Richtung Grüne.)
Wir haben in diesem Budget ausreichend Geld für die Justiz, wo noch zu Beginn des Jahres der frühere Justizminister Clemens Jabloner davor gewarnt hat, dass sie einen stillen Tod sterben wird. Wir haben das größte Kunst- und Kulturbudget, das es jemals gab. Das alles sind sehr wichtige Punkte, um dieses Land in eine positive Zukunft zu führen.
Wir dürfen jetzt nicht nur die Krisenbewältigung vor Augen haben, sondern müssen auch die Zukunft, eine lebenswerte Zukunft, eine solidarische Zukunft mit einer intakten Umwelt vor Augen haben, und dafür setzen wir die richtigen Schwerpunkte. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
10.01
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte. (Abg. Wurm: Generalabrechnung! – Abg. Matznetter – in Richtung Grüne –: Wer von euch kommt auf 45 Jahre? Wer?)