11.59
Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Liebe Regierungsmitglieder! Herr Finanzminister! Da es mehrere Abgeordnete der ÖVP gegeben hat, die mich zitiert haben, aber offensichtlich Angst haben, meinen Namen auszusprechen – erst Kollege Kopf hat es gesagt –, stehe ich nicht an (Zwischenruf bei der FPÖ), zu sagen: Es hat schnell geklappt und es hat gut geklappt. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, dass ich jetzt schon das Geld auf dem Konto habe.
Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: zum einen jenes des Unternehmers, der sagen muss: Endlich ist einmal etwas schnell gegangen, endlich ist einmal etwas kompakt und flüssig gegangen, ohne großen Bürokratieaufwand. – Das stimmt, da muss man auch Anerkennung zollen. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)
Jetzt aber will ich zum nächsten Punkt kommen – wie Sie, Herr Finanzminister, es auch immer wieder gesagt haben –, nämlich dass das Budget in Zahlen gegossene Politik ist. Diesem Budget, das Sie vorgelegt haben, fehlt die Komponente Zukunft. Und zur Komponente Zukunft: Auch betreffend Einnahmen und Ausgaben brauchen wir Zukunft. (Abg. Wöginger: Jetzt hat die Rede gut begonnen!) – Ja, Gust Wöginger, ich komme gleich zu dir. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Um in die Zukunft zu schauen, muss man weiterdenken – und da komme ich wieder auf den 80-prozentigen Umsatzersatz –: Diese Coronazahlen sind de facto nicht vom Himmel gefallen und sie verschwinden am 8. Dezember nicht in der Hölle. Der springende Punkt ist: Was machen wir eigentlich, wenn der Lockdown, vor allem für den Tourismus, noch länger gilt? Gibt es dann auch den 80-prozentigen Umsatzersatz?
Kollege Ottenschläger hat mich zwar nicht namentlich zitiert, aber er hat gemeint, dass das widersprüchlich ist. – Nein, es ist nicht widersprüchlich, denn wenn man den 80-prozentigen Umsatzersatz im Dezember für den Handel und für den Tourismus fortsetzt, dann sind wir sofort in einem zweistelligen Milliardenbereich, und dann fliegt dem Finanzminister das Budget so um die Ohren, dass er sich vorne und hinten nicht mehr auskennt. Das ist der springende Punkt! (Beifall bei den NEOS.)
Daher haben wir gesagt, dass die 800 000-Euro-Obergrenze beihilfenrechtlich der völlig falsche Zugang ist und dass wir beihilfenrechtlich doch einmal prüfen sollten, wie es mit Art. 107 Abs. 2 lit. b, dem Katastrophenparagraf, vereinbar ist, dass wir – das wäre viel zielgerichteter; das ist das zweite Herz, das in meiner Brust schlägt – eine Verlustkompensation fortschreiben. (Beifall bei den NEOS.)
Wir müssen ja weiter denken als nur bis zum 8. Dezember. Meine Vorrednerin hat so beiläufig gesagt – es scheint nur niemandem aufgefallen zu sein –: Der Tourismus wird Mitte Jänner wieder aufsperren. Ich als Unternehmer weiß nichts von dieser Planbarkeit. Aus Ihnen ist offensichtlich der Satz herausgesprudelt. In der Regierung wird man schon danach trachten, langsam wieder hinaufzufahren. Das heißt, dass der Tourismus nicht vor dem 15. Jänner hinauffahren wird, um die Wintersaison zu retten. – Ja, aber dann braucht es den Mut des Finanzministers, zu sagen, was im Jänner und was vor allem im Dezember passiert. Das wünsche ich mir vom Vizekanzler, der Volkswirt ist, und insbesondere vom Finanzminister. (Beifall bei den NEOS.)
Wenn Sie sich mit den Unternehmern unterhalten, dann geht es jetzt vor allem um eines: Liquidität, Liquidität, Liquidität! Darum war das jetzt auch so wichtig, um das Weihnachtsgeld auszahlen zu können. Es wird aber viel wichtiger sein, dass wir bilanzieren können, dass viele Betriebe am 31. Dezember überhaupt bilanzieren können. Dazu braucht es Planungssicherheit und Mechanismen. Diese wünsche ich mir von der Regierung, weil wir – und viele Betriebe – genauso unschuldig in diese Katastrophe geschlittert sind. Obwohl wir heute noch genauso unschuldig sind, gibt es in manchen Bereichen, vor allem im Westen, überhaupt noch keine Entschädigung nach dem Epidemiegesetz. Diese Liquidität fehlt den Betrieben, das bräuchten wir jetzt.
Da Kollege Haubner auch Franz Schellhorn zitiert hat: Ja, er geht auch mit euch kritisch um, er ist euch gegenüber nicht nur positiv eingestellt, sondern kritisiert diesen schwerfälligen Staatsapparat. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) – Kollege Obernosterer, ja, es ist wichtig, Investitionszuschüsse zu haben. Was aber hilft mir ein Investitionszuschuss, wenn ich einen schwerfälligen Staatsapparat habe und meine Bewilligung, damit ich überhaupt investieren kann, über sechs Monate dauert? Das ist der Punkt! (Beifall bei den NEOS.)
Das sind Anreize, die völlig richtig, aber nicht maßgebend sind. Was brauchen wir daher? – Es sind vier Punkte: Wir müssen jetzt danach trachten, noch einmal über den EU-Rahmen nachzudenken, um diesen effizient auszuschöpfen, Herr Finanzminister. Wir müssen jetzt danach trachten, die Liquidität zu garantieren und vor allem die Betriebe bilanzieren zu lassen, weil die Banken spätestens dann einen Betrieb fällig stellen müssen. Die Banken selbst sprechen jetzt davon: Wenn wir nicht rasch reagieren, haben wir spätestens Mitte des Jahres 2021 30 Milliarden Euro an faulen Krediten hängen! Dann aber fliegt uns das Budget noch einmal um die Ohren, denn dann müssen wir wahrscheinlich irgendwelche Banken retten, und das ist das nächste Problem.
Wir brauchen vor allem für die Wintersaison eine Rettung, aber auch diesen sogenannten Schutzschirm. Geben Sie den Unternehmen die Möglichkeit, zusperren zu können! Was machen Unternehmer vor allem in Hinblick auf den Winter? – Sie stellen Liquidität vor Rentabilität. Sie zahlen eh schon drauf und kriegen aber de facto ganz lange keine Abgeltung. Wie funktioniert Wintertourismus mit Anzahlungskonten? – Kollege Obernosterer weiß es, nur: Diese Anzahlungskonten sind leer, das heißt, es fehlt ihnen an Liquidität. Sie müssen die Möglichkeit haben, auch dann erst aufsperren zu können, wenn sie Rentabilität erwarten können.
Zu guter Letzt, Herr Finanzminister, brauchen wir vor allem eines: sanieren statt schließen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Betriebe sanieren können, welche Möglichkeiten wir auf die Wege bringen können, sodass nicht nur geschlossen wird, denn damit wäre nicht nur ein unternehmerisches Schicksal besiegelt, sondern das wäre auch mit einem privaten Schicksal verbunden.
Daher bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorschlag für ein Gesamtkonzept für Wirtschaftshilfen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorzulegen, in dem konkrete Wirtschaftshilfen für besonders betroffene Unternehmen enthalten sind, insbesondere (im Sinne der Begründung) kapitalerhaltende und ‑stärkende Maßnahmen sowie überfällige Reformpakete zur Anregung des Wachstums, und in dem der dynamischen und zyklischen Entwicklung des COVID-19 bedingten Infektionsgeschehens hinreichend Rechnung getragen wird, inklusive eines völligen Ausfalls des Wintertourismus.“
*****
Ich bitte um eure Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
12.06
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Josef Schellhorn, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Vorschlag für ein Gesamtkonzept für Wirtschaftshilfen
eingebracht im Zuge der Debatte in der 62. Sitzung des Nationalrats über das Budgetbegleitgesetz 2021 (440 d.B.)– TOP 1
Die aktuelle Wirtschaftskrise als Folge der schweren COVID-19-Epidemie stellt Unternehmen vor zahlreichen Herausforderungen. Unternehmer_innen brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe sowie Verlässlichkeit die über die Dauer des aktuellen Lockdowns weit hinausgeht. Die Maßnahmen der Bundesregierung erfolgen mitunter stark verspätet, ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen inklusive allfälliger zukünftiger Entwicklungen fehlt komplett.
Folgende Punkte sollen jedenfalls Teil eines Gesamtpaket sein:
1. EU-Rahmen voll ausschöpfen: aktuelles EU-Beihilfenrecht ermöglicht eine Hilfe basierend auf drei Säulen, um Unternehmen zu stützen. Zwei Säulen können jederzeit zur Verfügung stehen, eine Säule könnte zur Verstärkung aufgestellt werden, falls es wie aktuell zu einem Lockdown kommt.
a. Es gilt daher, so rasch wie möglich das gesamte Beihilfenrecht auszunutzen und einen Fixkostenzuschuss (FKZ) auch nach 107(2)(b) für den Fall des Lockdowns umzusetzen - Unternehmen, die behördlich geschlossen werden, wissen, dass sie für diese Zeit mit einem Verlustausgleich rechnen können. Weitere Lockdowns sollen unbedingt verhindert werden - trotzdem sollen in rechtzeitigen Gesprächen mit der Europäischen Kommission Hilfen vorbereitet werden, um bei Schließung schnell wirken zu können.
b. Durch den FKZ II wissen Unternehmen, wie stark ihre Verluste kompensiert werden. Das ist ein essenzielles Vertrauenssignal. Die Zeit drängt, weil es mit einem 31.12. einen neuen Bilanzstichtag gibt und man keinen unsicheren Anspruch auf den FKZ in der Bilanz einstellen kann.
2. Rasche Hilfe: Es ist entscheidend, den Fixkostenzuschuss Phase 2 nachhaltig und rasch aufzusetzen. Bis zum Jahresende sollte klar sein, wie mit Verlusten und Schließungen umgegangen wird. Unternehmen brauchen aber auch Klarheit, wie die Verluste seit dem ersten Lockdown cash-wirksam kompensiert werden, wenn ihnen Aufträge weggebrochen sind. Der Fixkostenzuschuss soll sowohl für den Lockdown-Fall als auch für den Nicht-Lockdown-Fall wirken. Es werden sich zwar je nach Lockdown die beihilfenrechtlichen Möglichkeiten ändern, aber es darf sich für Unternehmen der Behördenweg und das Instrument nicht ändern.
3. Vorsorgen für den Ausfall der Wintersaison: Zusagen für die Zeit bis 31.12. sollten rasch erfolgen, mit einer klaren Perspektive bis Juni 2021 verlängert zu werden. Da sich ein (nahezu) kompletter Ausfall des heurigen Wintertourismus' abzeichnet, bräuchte es ein effektives Moratorium, um eine große Pleitewelle zu vermeiden. Als Indikatoren sollten die Entwicklung der Infektionszahlen (samt Prognosen), aufrechte Reisebeschränkungen bzw. Quarantäneauflagen innerhalb der EU-MS sowie die Entwicklung der Buchungslage herangezogen werden.
4. Kapitalstrategie auf den Tisch: Das Jahr 2020 wird sicher "kein Geschäft" für österreichische Unternehmen sein. Wir brauchen sehr rasch wirksame Kapitalinstrumente für kleinere und mittlere Unternehmen zur Erhaltung der nötigen Liquidität sowie frische Impulse für die Entstehung neuer Jobs. Dies könnte u.a. durch eine zeitlich befristete Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen, die neue Mitarbeiter anstellen (langfristige Senkung der Abgabenlast - siehe unten), die Einführung eines KMU Equity Fund (vgl. NEOS Anträge) oder eines branchenspezifischen KMU-Beteiligungsfonds über die ÖHT erreicht werden
5. Konkrete Maßnahmen für eine rechtliche Neugestaltung von Home Office: Maßnahmen zur Reduktion sozialer Kontakte im Arbeitsumfeld. Die COVID-Krise hat gezeigt, dass Home Office in Österreich zu weiten Teilen noch nicht geregelt ist und daher in der Praxis zahlreiche Fragen offen sind. Hier braucht jetzt Maßnahmen und nicht erst im März 2021. Folgende Punkte müssen überarbeitet werden:
a. Reform des Arbeitsrechts, um eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit zu ermöglichen
b. Das Steuerrecht ist ebenfalls nicht auf der Höhe der Zeit. Auch sind die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer im Wohnungsverband nur unter besonderen Bedingungen steuerlich relevant. Auch Einrichtungsgegenstände des Arbeitszimmers, wie etwa Regale, können nicht steuerlich geltend gemacht werden.
c. Arbeitsinspektion virtuell ermöglichen, um eine Evaluierung der Arbeitsstätte via Videokonferenz möglich zu machen.
d. Betriebsvereinbarungen stärken: Das Abschließen von Betriebsvereinbarungen ist leider nicht die österreichische Norm und verhindert daher häufig maßgeschneiderte Lösungen.
e. Sozialversicherungsrechtliche Fragen für Grenzgänger klären.
6. Sanieren statt Schließen – zweite Chance für Unternehmen durch neues Insolvenzrecht: Aufgrund der Förderstruktur des österreichischen Insolvenzrechts sowie der mangelnden Mentalität der Unternehmer_innenkultur steht uns eine Kündigungswelle bevor, die auch vieles vernichten wird, das nach der Krise wieder gebraucht wird. Sanierungsverfahren werden oft zu spät begonnen. Jeder Tod eines Unternehmens vernichtet Vermögen, Know-How und schafft Arbeitslose. Es braucht daher eine Attraktivierung des Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (keine Mindestquote, Debt Equity Swaps, etc.) und rasche Umsetzung der RL 2019/1023 (RL über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren).
7. Reformpaket - mit Turbo aus der Krise: langfristige Senkung der Abgabenlast, Einführung einer GmbH Zero, umfassender Dialog über eine dringende Reform der Gewerbeordnung mit allen Stakeholdern (Unternehmen, Verbände und Parteien), Einrichtung eines One-Stop-Shop, Reform der Lehre sowie deutlich höhere Investitionen in digitale Präsenz v.a. von KMU.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorzulegen, in dem konkrete Wirtschaftshilfen für besonders betroffene Unternehmen enthalten sind, insbesondere (im Sinne der Begründung) kapitalerhaltende und ‑stärkende Maßnahmen sowie überfällige Reformpakete zur Anregung des Wachstums, und in dem der dynamischen und zyklischen Entwicklung des COVID-19 bedingten Infektionsgeschehens hinreichend Rechnung getragen wird, inklusive eines völligen Ausfalls des Wintertourismus.“
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Nun hat sich Frau Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Präsidentin.