12.16
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es wurde heute schon sehr viel von Entgleisungen gesprochen. Auch ich kann nicht hier stehen ohne festzustellen, dass der Respekt hier im Hohen Haus manches Mal zu wünschen übrig lässt. Ich muss und will darauf hinweisen, dass ein fast achtzigjähriger ehemaliger Nationalratspräsident absolut nicht angebrachte Äußerungen getätigt hat (Beifall bei der SPÖ) und sich diese verbale Gewalt und diesen Sexismus sparen kann, und übrigens auch manche Kollegen hier – auch hier ist das schon vorgekommen. Man hat einer Parteivorsitzenden, einer Klubchefin so etwas nicht auszurichten! Punkt! Schluss! (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Belakowitsch: ... nicht nur ... Parteichefin!)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Budget muss Arbeitsplätze sichern, Unternehmen retten. Betreffend das Sichern von Arbeitsplätzen ist dieses Budget, obwohl es ein Krisenbudget ist, sehr lasch unterwegs. Die 700 Millionen Euro für das AMS sind bestenfalls ein Zurückgeben von Geld, das schon einmal teilweise weggenommen wurde. Ein Aufstocken des Personals beim AMS – das wurde in vergangener Zeit auch schon einmal zurückgefahren, da wird jetzt wieder ein bisschen dazugegeben. Die sogenannte Coronaarbeitsstiftung, Zukunftsstiftung – wie immer Sie das nennen wollen – ist ein Qualifizierungsprogramm für die Zukunft und hilft jetzt Arbeitsuchenden viel weniger, als es sein müsste. Das heißt, Arbeitsplätze retten kann dieses Budget nur mangelhaft bis gar nicht.
Unternehmen retten, dazu haben wir heute schon vieles gehört, funktioniert einmal mehr, einmal weniger, im Moment etwas besser. Das sei allen Unternehmerinnen und Unternehmern, die jetzt in dieser Krise sehr, sehr leiden, so etwas von gegönnt. Worauf ich heute aber hinaus will, ist: Ein Budget muss auch kleine Einkommen sichern, muss armutsfest und sozialfest gestaltet sein. Auch das findet sich in diesem Budget gar nicht. Wir haben vorige Woche die Budgetbegleitgesetze im Budgetausschuss diskutiert: Dieser Hunderter für Kinder von Mindestsicherungsbezieherinnen und -beziehern oder Bezieherinnen und Beziehern der Sozialhilfe Neu ist mit 20 Millionen Euro dotiert. Nur wenn da Geld übrig bleibt, gibt es auch einen Energiehunderter für ganz arme Familien. Ich sage dazu: Sozialfest ist etwas anderes, das ist damit nicht erfüllt. (Beifall bei der SPÖ.)
Zum Beispiel ist durch die Erhöhung des Frauenbudgets gerade einmal die wichtige Zeitverwendungsstudie abgedeckt, mit der wir nach zehn Jahren wieder einmal feststellen können sollten, wer welche Arbeit verrichtet, bezahlt/unbezahlt, um auch als Politikerin und Politiker unsere Schlüsse daraus ziehen zu können. Auch in diesem Bereich ist nicht genug Geld für wirkliche Gewaltschutzmaßnahmen und anderes da.
Weil eine Regierung auch vorausschauend sein müsste, ist diesbezüglich sehr vieles vor den Mikrofonen und bei Pressekonferenzen angekündigt worden, aber sehr wenig davon wurde umgesetzt. Ich möchte nun im Namen meiner Parteivorsitzenden Dr.in Pamela Rendi-Wagner einen Entschließungsantrag einbringen, es braucht nämlich, um als Regierung vorausschauend zu sein, Datentransparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Es wurde nicht einmal, sondern schon oftmals gefordert, dass es wichtig ist, zu schauen, dass Datengrundlagen transparent gemacht werden, dass auch eine wissenschaftliche Begleitung, ein Monitoring erfolgt – von Expertinnen und Experten, die wöchentlich dem Nationalrat, uns, zu berichten haben, wie sich die Maßnahmen entwickelt haben. Der Oberste Sanitätsrat ist nicht nachbesetzt worden, der könnte das zum Beispiel leisten.
Ich möchte daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „notwendige Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sofort eine unabhängige und damit weisungsfreie ExpertInnengruppe, einzusetzen. Diese ExpertInnengruppe soll die geltenden Maßnahmen begleitend evaluieren und deren Treffsicherheit und Wirksamkeit laufend überprüfen, sowie evidenzbasiert Vorschläge für deren Lockerung erarbeiten.
Die ExpertInnengruppe hat dem Nationalrat wöchentlich über ihre Arbeit, inklusive der ihrer Arbeit zugrundeliegenden Daten, einen kurzen Bericht zu übermitteln und diesen auch zu veröffentlichen.“
*****
Das wäre zukunftsfest. (Beifall bei der SPÖ.)
12.22
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc, Genossinnen und Genossen
betreffend notwendige Daten-Transparenz und Kontrolle der Wirksamkeit der Covid-Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung
eingebracht im Zuge der Debatte zum Budgetbegleitgesetz 2021 inklusive Generaldebatte
Die Corona-Pandemie hat Österreich weiter fest im Griff und diese Bundesregierung ist nicht im Stande vorausschauend zu handeln. Die wesentlichste Kritik an der türkis/grünen Bundesregierung liegt in der Verabsäumung der Vorbereitung und an dem „Nichtstun“ über die Sommermonate. Längst hätten die Maßnahmen gut durchdacht, überlegt und mit Begutachtung vorbereitet werden können, denn viele Expertinnen und Experten haben vor der Verbreitung des Virus im Herbst und Winter gewarnt. Doch die Regierung hat die Zeit verschlafen.
Jetzt musste wieder überhastet gehandelt werden, weil die Infektionszahlen in die Höhe katapultiert sind und das Gesundheitssystem zu überlasten drohte.
Obwohl die Entwicklungen vorhersehbar waren, hat die türkis/grüne Regierung die Kontrolle über das Infektionsgeschehen verloren. Die schwierige Situation, vor der wir jetzt stehen, hat die Bundesregierung zu verantworten.
Eine Überbelastung der Intensivstationen, deren Auswirkung jede und jeden von uns treffen kann, vor allem aber unsere ältere Generation besonders gefährdet, muss mit allen Mitteln verhindert werden. Aufgrund des Versagens der Regierung musste jetzt mit drastischen Maßnahmen gehandelt werden.
Gerade deshalb muss die Zeit des 2. Lockdowns dafür genützt werden, um auf eine langfristig wirksame Corona-Strategie umzustellen. Es ist dringend erforderlich, dass Datengrundlagen transparent aufbereitet werden, die dann für jeden ganz klar den Zusammenhang zwischen den gesetzten Maßnahmen und den zugrundeliegenden Daten und Fakten erkennen lassen.
Dazu braucht es aber eine wissenschaftliche Begleitung und Aufbereitung der nunmehr gesetzten Maßnahmen. Eine unabhängige und weisungsfreie ExpertInnengruppe muss sofort eingesetzt werden, die dieses Monitoring übernimmt. Es muss laufend untersucht werden, ob die Maßnahmen treffsicher und wirksam sind und auch, ob sie das gelindeste Mittel zur Zielerreichung darstellen. Es handelt sich dabei ja um starke Eingriffe in unser aller Grund- und Freiheitsrechte, wie zB bei den Ausgangsbeschränkungen, und diese dürfen nicht länger als unbedingt erforderlich in Geltung sein.
Dieses Monitoring ist unbedingt erforderlich um, evidenzbasiert Lockerungen und Anpassungen vorzunehmen, sowie für die Zeit nach den Beschränkungen lernen zu können. Das muss rechtzeitig evidenzbasiert vorbereitet und nicht wieder alleine der Bundesregierung überlassen werden.
Es braucht die notwendige Transparenz dieses Monitorings durch regelmäßige Berichte der ExpertInnengruppe an das Parlament, damit auch die erforderliche Kontrolle gewährleistet
Der Oberste Sanitätsrat könnte als dieser Corona-Expertenrat fungieren. Dieser wurde zur Pockenepidemie im 19. Jahrhundert installiert, aber im Dezember 2019 nicht mehr nachbesetzt.
Nur durch Transparenz und Kontrolle kann erreicht werden, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen durch die Bevölkerung mitgetragen werden. Und nur diese Akzeptanz der Bevölkerung wird das Virus zurückdrängen können.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sofort eine unabhängige und damit weisungsfreie ExpertInnengruppe, einzusetzen. Diese ExpertInnengruppe soll die geltenden Maßnahmen begleitend evaluieren und deren Treffsicherheit und Wirksamkeit laufend überprüfen, sowie evidenzbasiert Vorschläge für deren Lockerung erarbeiten.
Die ExpertInnengruppe hat dem Nationalrat wöchentlich über ihre Arbeit, inklusive der ihrer Arbeit zugrundeliegenden Daten, einen kurzen Bericht zu übermitteln und diesen auch zu veröffentlichen.“
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Präsidentin Doris Bures: Auch dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte.