16.03

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Die Debatte beginnt mit einer Fehlbezeichnung, nämlich mit dem Begriff Hacklerpension. Es wurde schon kurz angerissen, wer die Berufsgrup­pen sind, die typischerweise diese abschlagsfreie Frühpension – um nichts anderes geht es – nützen können. Ich gönne sie jedem, der sie bekommt, verstehen Sie mich richtig, das hat keiner gestohlen, aber man muss schauen, wem das dient.

Kollege Wimmer hat darauf hingewiesen, es wären Menschen, die viel in manueller Arbeit machen, und Kollege Leichtfried hat dann das Beispiel der Dachdecker heran­gezogen – und genau die sind es nicht. Der Dachdecker ist in der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse und ist in der Schwerarbeit, das heißt, der geht mit 58,5 ins Überbrückungsgeld und mit 60 in die Schwerarbeitspension. Der kriegt diese abschlags­freie Frühpension (Abg. Wurm: Der Bodenleger schon!), um die es heute geht, nicht, sondern typischerweise kriegen sie Menschen, die in sehr sicheren Jobs sind, die man nicht verliert (Zwischenruf des Abg. Hörl) und die man auch körperlich über lange Zeit durchhält. Typischerweise – es gibt immer Ausnahmen bei der großen Zahl an Ver­sicherten in der Pensionsversicherung (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl– sind das Mitarbeiter von Kammern, von Banken, von Versicherungen (Abg. Hörl: Gemein­den!), die dort lange Zeit sichere Arbeitsplätze haben.

In Wirklichkeit ist diese Regelung, die heute wieder bereinigt wird (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), eine Regelung für die oberen Zehntausend im Pensionssystem. Das kann doch niemand wollen, dass man dort, wo es eh schon super ist, noch eins draufpickt, und das haben Sie am 19.9.2019 gemacht, damals mit Zustimmung der ÖVP – aber ich freue mich auch, wenn eine Regierungspartei sich ihrer Verantwortung besinnt.

Da möchte ich schon noch eines sagen: Da geht es um Arbeitskräfte, die in unserem Arbeitsmarkt sehr wichtig sind, und wir wissen, dass wir trotz der Wirtschaftskrise immer noch einen Fachkräftemangel haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) In dieser Phase des Fachkräftemangels wurde ein Anreiz gesetzt, die Arbeit früher niederzulegen und abschlagsfrei früher in Pension zu gehen. Das war schon der falsche Anreiz, und schon deswegen hätte man das nicht machen sollen.

Es geht ja um die Menschen, bei denen es im Leben nicht so super läuft, die nämlich zum Beispiel einmal einen Job verloren haben, weil es nicht funktioniert hat oder weil die Firma in Konkurs gegangen ist, und die dann einige Monate arbeitslos waren. Die sind dann halt nicht so schnell auf 45 Beitragsjahren wie die mit sicherem Job, die in einer Kammer gesessen sind. Oder wenn jemand einmal länger krank war, weil er gesund­heitliche Schwierigkeiten gehabt hat, weil er eine Krebserkrankung überwinden musste, einen Bandscheibenvorfall hatte und so weiter und viele Wochen und Monate ausge­fallen ist, hat auch der nicht diese durchgängige Berufslaufbahn, die es nachher hergibt, abschlagsfrei in Frühpension zu gehen – die bekommen das nicht. Oder wenn jemand in einer schwierigen Branche gearbeitet hat, in der es Saisonunterbrechungen gibt, kann er nicht dahin kommen.

Es könnte aber auch jemand wirklich einen solchen Job gehabt haben, beispielsweise in einer Kammer oder in einer Versicherung, und dann hat er nach 538 statt 540 Monaten einen Herzinfarkt und kann nicht weiterarbeiten. Der kriegt dann wegen zwei Monaten weniger diese Abschläge. Sie haben eine hohe Stufe ins System hineingezimmert: 12 Prozent Unterschied, ob einer einen Monat mehr oder weniger hat. Das ist nicht gerecht, und diese ungerechte Lösung haben Sie fabriziert.

Eines wird ganz oft ausgeblendet: Es ist jedem klar, auf allen Seiten des Parlaments und auch den Bürgerinnen und Bürgern, wenn einer früher ins Berufsleben einsteigt, zum Bei­spiel mit 15, bekommt der Betreffende eine bessere Pension als einer, der mit 18 ins Berufsleben einsteigt, weil er drei Jahre länger gearbeitet hat. (Abg. Pfurtscheller: Kommt drauf an, was er verdient!) Genauso logisch ist es, dass jemand, der mit 65 aufhört, eine bessere Pension bekommt als einer, der mit 62 aufhört, weil er drei Jahre länger gear­beitet hat. Der, der mit 62 in Pension geht, bezieht ja die Leistung um drei Jahre länger, der hat ja schon drei Jahre Pension bekommen, wenn der andere erst in Pension geht.

Das muss man an den Beispielen rechnen, um die es geht. Im Schnitt 2 900 Euro 14-mal über drei Jahre: Da sind wir bei 121 000 Euro, die der schon kassiert hat, wenn der andere mit 65 in Pension geht. 121 000 Euro wollen Sie abschlagsfrei hinüberschieben? Das ist nicht gerecht gegenüber den Menschen (Abg. Lercher: Das ist eine Versiche­rungsleistung!), die es nicht so gut gehabt haben, die einmal arbeitslos geworden sind, die einmal krank geworden sind und denen im Leben halt nicht alles in den Schoß gefallen ist. (Zwischenruf des Abg. Lercher.)

Dann zu den Kosten: Da stellt sich Rainer Wimmer hier heraus und sagt: Das kostet eh nur 50 Millionen Euro! – Im ersten Jahr! Aber da kommen ja immer Jahrgänge nach, und im Vollausbau, das hat der Budgetdienst des Parlaments ausgerechnet, kostet dieses Wahlgeschenk 1,6 Milliarden Euro jedes Jahr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Sosehr ich es begrüße, dass dieser Fehler nun wettgemacht wird (Zwischenruf bei der SPÖ), so sehr muss ich aber auch kritisieren, dass die Regierungsmehrheit hergeht und dieses Geld – Geld der nächsten Generation, das wir nicht haben, aber das wird Kollege Shetty noch näher ausführen – jetzt einfach auf andere umverteilt. Man kann doch nicht ein Pensionsgeschenk, das nicht finanziert ist, einfach wegnehmen und das nicht vorhandene Geld an anderer Stelle verteilen. Damit leistet man keinen Beitrag zu einer Stabilisierung des Pensionssystems.

Man muss sich schon auch anschauen, was die verschiedenen Pensionsgeschenke des Jahres 2019 gekostet haben. Der Budgetdienst hat das für unsere Fraktion ausge­rechnet. Da gab es ja mehrere Geschenke, die Sie alle mitbeschlossen haben – auch heute wieder eine 3,5-prozentige Pensionserhöhung. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Keiner Ihrer Angestellten hat eine 3,5-prozentige KV-Erhöhung bekommen, keiner Ihrer Arbeiter hat eine 3,5-prozentige KV-Erhöhung bekommen, die Pensionisten aber, deren Gage jeden Monat fix daherkommt, die kein Berufsrisiko mehr haben (neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ), bekommen 3,5 Pro­zent. Das kann man für gerecht halten, ich glaube, in einer Wirtschaftskrise ist es genau das nicht. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt jetzt Arbeiter und Angestellte, die Einkommenseinbußen haben, weil sie ihren Job verlieren, weil sie in Kurzarbeit sind, weil sie die Überstunden nicht mehr machen können, die sie jahrelang gemacht haben; sie haben Verluste. Die Selbstständigen haben Einkommensverluste, weil sie die Umsätze, die sie vorher hatten, nicht mehr machen können. Manche stehen vor dem Konkurs, haben 30 Jahre in ihr Unternehmen hineingehackelt und bekommen jetzt nichts mehr, manche haben durch die verfehlte Politik der Regierung ein Quasiberufsverbot auferlegt bekommen. Dem gegenüber – und da sind wir jetzt bei der Spaltung der Gesellschaft – stehen die Fixgehaltsbezieher: die Pensionisten, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und auch wir Politiker, bei denen das Geld jeden Monat fadengerade hereinkommt. In Zeiten wie diesen Geld zu denen hin zu verteilen, die kein Risiko haben, bei denen es jeden Monat direkt hereinschneit, das ist nicht gerecht, und das ist das, was Sie jetzt schon wieder machen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

16.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.