16.11

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Sehr geehrtes Hohes Haus! Hallo an alle, die zu Hause zuschauen! Die Regierung, bestehend aus ÖVP und Grünen, streicht heute die Hacklerregelung. Die Bundesregierung schafft also die Möglichkeit, nach 45 Jahren ohne Abschläge in Pension zu gehen, ab. Lustigerweise hat sogar der Bundeskanzler selbst vorhin noch erklärt, dass man sie ja erst vor einem Jahr eingeführt hat. Er hat gesagt: Einige Parteien haben das damals beschlossen. – Herr Bundes­kanzler, ich glaube, die ÖVP war es. (Bundeskanzler Kurz: Nein! – Zwischenrufe bei der ÖVP: Nein!) – Nein? Die ÖVP hat bei der Hacklerregelung nicht mitgestimmt? (Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Er war ja nicht dabei! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Der Punkt ist, dass August Wöginger, live hier im Zuge dieser Debatte, gesagt hat: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, darf nicht der Dumme sein. – Das ist ja eigentlich Wahlbetrug, wenn man vor der Wahl etwas verspricht, wenn man sagt, man wird sich dafür einsetzen, und dann nach der Wahl einfach nicht mehr darüber redet, sondern es sogar abschafft. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Was heißt hier nein? Ich bin schon der Meinung, dass der ÖVP-Obmann damals Sebastian Kurz und nicht Weihnachtsmann geheißen hat – das möchte ich hier nur richtigstellen –, und ich frage Sie (Zwischenrufe bei der SPÖ): Können wir uns das nicht leisten, dass man nach 45 Jahren in Würde und Respekt altern kann, mit einer Pension, von der man gut leben kann, eben ohne Abschläge?

Sagen wir, die Hacklerregelung kostet 40 Millionen Euro, sagen wir, sie kostet sogar mehr. Setzen wir es bitte in Relation! Die Schaumweinsteuersenkung, die Sie im Frühjahr beschlossen haben, im Übrigen als Maßnahme aufgrund der von Corona ausgelösten Wirtschaftskrise (Abg. Loacker: Doch nicht jedes Jahr ... dazu! – Rufe und Gegenrufe zwischen Grünen und NEOS), kostet 26 Millionen Euro. – Ganz wichtig, diese Senkung der Schaumweinsteuer! Die Profitinteressen der Schaumweinhersteller, für die Sie die Steuer gesenkt haben, werden Ihnen ja wohl nicht wichtiger sein als die Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben! Das kann ja nicht wahr sein! (Beifall bei der SPÖ.)

2 Milliarden Euro sind in diesem Budget für Steuergeschenke für Millionäre und Millio­närinnen, für Konzerne und Großgrundbesitzer enthalten, nur für die Hacklerrege­lung reicht es nicht. Ob das ein Zufall ist? – Ich denke nicht. Das zeigt, für wen Sie hier Politik machen. (Ruf bei der SPÖ: Wer zahlt die Krise?)

Wie kommt man bitte überhaupt in der Zeit der größten Sozial- und Wirtschaftskrise in der Zweiten Republik, in der die Arbeitslosigkeit immer weiter steigt, auch bei den über 50-Jährigen, in der sich Armut wieder manifestiert, darauf, dass man sagt: So, und jetzt kürzen wir bei den Pensionen!? – Wie kommt man darauf? (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: ... ÖVP-Wirtschaft ...! – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ja, es ist eine Kürzung, ich rechne es kurz nach: Für all jene, die 45 Jahre lang gearbeitet haben, bleiben jetzt bis zu 240 Euro pro Monat weniger, bei den Luxuspensionen aber – so haben es die NEOS formuliert: die Hacklerregelung sei ja für die oberen Zehntausend – wird von dieser Regierung im Übrigen nicht gekürzt. Das ist da ja noch zusätzlich eine große Ungerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Eines sage ich noch dazu: Es ist sicher kein Pensionsgeschenk, wenn man nach 45 Jahren, in denen man gearbeitet und in dieses System eingezahlt hat, dann zurück­bekommt, was man selbst geleistet hat. Sie nennen das Geschenk – das ist doch ein Witz! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den NEOS: Du weißt ja nicht, was ...!)

In Wirklichkeit geht es doch darum: Welchen Wert hat Arbeit in unserer Gesellschaft? (Abg. Wöginger: Ja!) Welchen Wert hat Arbeit für diese Regierung? Was ist der Wert unserer Arbeitskraft? Was ist der Wert unserer Lebenszeit? 45 Jahre lang, mehr als die Hälfte seines Lebens, zu arbeiten, ist für Sie nicht einmal eine volle Pension wert? – Das ist doch das Problem, das wir haben, und wenn Sie immer sagen: Arbeit muss sich lohnen, wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein!, dann hoffe ich, dass sie entweder die Hacklerregelung heute nicht zu Fall bringen oder diese Sätze nie wieder in den Mund nehmen.

Sie beweisen hier heute nämlich genau das Gegenteil: Wer 45 Jahre lang gearbeitet hat, hat in Ihren Augen kein Recht auf eine volle Pension. Das ist das wahre Problem: der Wert der Arbeit, den Sie ganz einfach missachten. 45 Jahre müssen genug sein! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.)

16.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Klubobmann Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.